Dienstag, 31. Januar 2006

USA längst noch nicht abgehängt - EU-Staaten legten Reformpläne zur Lissabon-Strategie für Wettbewerb vor

Vor fünf Jahren hatte der damalige EU-Kommissionspräsident Romano Prodi verkündet, die Europäer würden die USA bis 2010 als wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum überholen.

»Die Skeptiker weise ich darauf hin, dass vor zehn Jahren wohl niemand erwartet hätte, dass Irland zu einem der wohlhabendsten Länder der EU werden könnte und dass die Produktivität in Polen höher läge als in Südkorea«, sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso bei der Bewertung der nationalen Reformpläne Mitte vergangener Woche in Brüssel. Doch von der eigentlichen Zielstellung der vor fünf Jahren verabschiedeten »Lissabon-Strategie« für »mehr Wachstum und Beschäftigung in Europa« sprach er vorsichtshalber kein Wort.

Inzwischen ist klar, dass Europa alles andere als stärker geworden ist und sich auch nicht auf Tuchfühlung mit USA befindet. Allein seit 2000 wuchsen die EU-Volkswirtschaften im Schnitt um nur 1,9 Prozent, die USA legten hingegen um 2,7 Prozent zu. Noch drastischer sieht das Bild bezüglich des Pro-Kopf-Einkommens aus: Das liegt heute in den USA etwa 40 Prozent über dem Durchschnitt der 15 »alten« EU-Staaten. Auch die Arbeitsproduktivität der US-Amerikaner je Person liegt rund 20 Prozent höher als in der EU.

Nur leise Kritik an Reformen

Es war nicht verwunderlich, dass Barroso sich mit Kritik an den nationalen Reformplänen zurückhielt. »Die Mitgliedstaaten müssen jetzt Gas geben«, meinte er vielsagend. Doch die zarte Kritik werden die Gescholtenen schnell überwinden. Sie bleibt für sie ohne Folgen. Die Brüssler Behörde wird aus der Rolle des zahnlosen Tigers nicht herauskommen, denn es gibt keine Mittel, um Druck auf jene auszuüben, die ihre Reformziele deutlich verfehlen. Die meisten Programme offenbarten sich daher eher als schwammige nationale Kataloge: Willenbekundungen ohne definierte Langzeitstrategie.

Der Streit über die Sinnhaftigkeit eines abgestimmten EU-Reformwerkes geht so in die nächste Runde. Die Volkswirtschaften seien Teile des kapitalistischen Marktes und der entscheide über Wettbewerbsfähigkeit, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Im Moment schwinge sich aber die EU Kommission mit ihren Fortschrittsberichten auf, als wolle sie diese Rolle übernehmen. Die Lissabon-Strategie sei gut gemeint, aber so nicht umsetzbar. Zu viel Zeit sei verstrichen, getan habe sich kaum etwas.

Das Programm der schwarz-roten Bundesregierung passierte Barrosos Bewertunsgrunde fast unbeschadet. Es sei um Antworten auf die »meisten dringenden Herausforderungen« bemüht, urteilte Barroso. Besonders lobte er die Anstrengungen Deutschlands zur »ökologischen Innovation«. Auch die Maßnahmen zur Abschätzung der wirtschaftlichen Folgen neuer Gesetze und zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit wurden als positiv anerkannt.

Wenig überraschend daher, dass Barroso auch die Bundesregierung ganz sanft »zu weiteren Anstrengungen« aufforderte. Im Fortschrittsbericht der EU-Kommission werden die deutschen Behörden angehalten, den Wettbewerb insbesondere im öffentlichen Auftragswesen, bei Unternehmensdienstleistungen und bei der Bereitstellung von Breitbandnetzen zu verbessern. Ferner sprach sich die Kommission für ein umfassenderes Konzept zur Verbesserung der Integration gering qualifizierter Arbeitskräfte einschließlich Zuwanderer aus sowie für einen konkreteren Plan zur Umsetzung der beabsichtigten Ausweitung der Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Merkel hält Anspruch hoch

Was von der Äußerung der Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Weltwirtschaftsforum in Davos zu halten sein wird, die umstrittene Lissabon-Strategie zur politischen Priorität machen zu wollen, muss sich zeigen. Sie hatte den einstmals formulierten Anspruch, die EU bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt entwickeln zu wollen, bekräftigt. »Ich will mich auf das Jahr nicht festlegen, da haben wir noch ein paar Probleme«, erklärte sie dort. Doch den Anspruch dürfe man nicht aufgeben.

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