Halbherzige Verkehrssicherheit - Kritik an neuer EU-Regelung der Lenk- und Ruhezeiten für Lkw-Fahrer
Das Europäische Parlament hat vergangene Woche im dritten Anlauf Vorschriften zur Verbesserung der Lenk- und Ruhezeiten von Berufskraftfahrern und zur Verstärkung der Kontrolle von Lastkraftwagen angenommen.
Falls der EU-Ministerrat die Vorgaben des Vermittlungsausschusses zu Lenkzeiten für Lkw-Fahrer billigt, wird den Fahrern künftig alle zwei Wochen eine Ruhezeit von mindestens zwei Tagen und eine längere tägliche Mindestruhe zugestanden. Kontrolliert wird dies mittels eines digitalen Fahrtenschreibers, der in neuen Lkw und Bussen ab 1. Mai 2006 Pflicht wird.
Die derzeitig gültige Richtlinie von 2005 begrenzt die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden und die durchschnittliche Wochenarbeit innerhalb von vier Monaten auf 48 Stunden. Mit dem neuen Paket werden die tägliche Mindestruhezeit nun auf neun Stunden (derzeit acht Stunden) festgesetzt und eine Ruhezeit von mindestens 45 Stunden alle zwei Wochen eingeführt. Außerdem wird die maximal zulässige Lenkzeit der Berufskraftfahrer verringert. Dürfen Brummipiloten auf EU-Straßen derzeit 74 Wochenstunden fahren, würden es nach Inkrafttreten der Rechtsvorschrift maximal 56 Stunden sein.
3,5-Tonnen-Lkw ausgenommen
»Wenn man die jetzt zur Debatte stehenden Dokumente mit den vorher gültigen vergleicht, gibt es keine einzige Verschlechterung«, kommentierte der linke Europaabgeordnete Helmuth Markov vorsichtig das Ergebnis der Verhandlungen. »Wenn man jedoch die erzielten Kompromisse mit den avisierten Zielen auf die Waagschale legt, sieht es anders aus.« Als Beispiele nannte er die Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen, die auf Druck des Ministerrates ausgenommen wurden, obwohl in dieser Gewichtsklasse Transporte und Unfälle zunähmen. Zudem gebe es lediglich zwei Verweise auf die Arbeitszeitrichtlinie, jedoch keine Kontrolle während der Lenk- und Ruhezeiten. Dem Übel der Überlastung und Übermüdung der Lenker könne so nicht begegnet werden.
Ähnlich sieht das der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Willi Piecyk. »Wer es ernst meint mit der Sicherheit auf Europas Straßen, kann mit dem Kompromiss nicht zufrieden sein«, sagte der verkehrspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Frakktion und sprach von einem »halbherzigen Fortschritt bei der Verkehrssicherheit«. »Ohne die Sturheit der Verkehrsminister wäre ein viel besseres Ergebnis herausgekommen.«
Die Verweigerung des Ministerrates, jegliche Verknüpfung der Lenkzeiten mit der Arbeitszeitrichtlinie im Straßenverkehr zu akzeptieren, ist kein Ruhmesblatt.« Es sei aber kein Wunder, meint Piecyk. Zehn Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, seien nicht einmal ihren Verpflichtungen zur fristgerechten Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie von 2005 nachgekommen. Völlig zu Recht laufe gegen sie ein Vertragsverletzungsverfahren. Piecyk erinnerte an »andere Arbeiten« des Fahrers wie das Be- und Entladen der Fahrzeuge. Sie nähmen einen erheblichen Teil der Arbeitszeit ein, seien ermüdend und hätten direkte Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit.
Freizeit – fernab von der Familie
Kritik an der künftigen Verordnung kam auch von Unternehmerseite. Mit der Entscheidung sei dem Mittelstand im Tourismus eine wesentliche Grundlage seiner Existenz entzogen, ließ Wolfgang Steinbrück, Präsident des Verbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) aus dem thüringischen Gotha, verlauten. »Flexibles, preiswertes und sicheres Reisen wird zukünftig nur noch schwer durchzuführen sein«, behauptete er. Der Spitzenverband der deutschen Busbranche hatte im Vorfeld mehrfach orakelt, die Änderung der EG-Sozialvorschriften werde fatale Auswirkungen auf das Gewerbe haben.
Auch die Begründung für die Novellierung mit einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und einem verbesserten Freizeitverhalten für die Arbeitnehmer will Steinbrück nicht gelten lassen. Was sollte es für Vorteile haben, einem Fahrer bei einer klassischen Rundreise mehr Freizeit zu gewähren?, fragt sich Steinbrück. Die Lenkzeiten betrügen oft weniger als drei Stunden am Tag, so dass ausreichend Ruhezeit gegeben sei. »Mit der neuen Regelung wird der Fahrer weniger Zeit für seine Familie haben, da er die freien Stunden unterwegs – weit weg von zu Hause - nehmen muss.«
Egal, ob sich Steinbrücks Kollegen mit den neuen Vorschriften anfreunden werden, oder nicht: Branchen mit hoher Risikoeinstufung – dazu zählen Busunternehmen – sollen strenger und häufiger auf europäischen Straßen kontrolliert werden. Die Mitgliedstaaten müssen ab Januar 2008 an zwei Prozent und ab Januar 2010 an drei Prozent der »Fahrertage« Kontrollen durchführen. Auch der neue Strafkatalog könnte helfen, die Zahl der Omnibusunfälle wegen permanenter Übermüdung der Fahrer zu senken.
Falls der EU-Ministerrat die Vorgaben des Vermittlungsausschusses zu Lenkzeiten für Lkw-Fahrer billigt, wird den Fahrern künftig alle zwei Wochen eine Ruhezeit von mindestens zwei Tagen und eine längere tägliche Mindestruhe zugestanden. Kontrolliert wird dies mittels eines digitalen Fahrtenschreibers, der in neuen Lkw und Bussen ab 1. Mai 2006 Pflicht wird.
Die derzeitig gültige Richtlinie von 2005 begrenzt die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden und die durchschnittliche Wochenarbeit innerhalb von vier Monaten auf 48 Stunden. Mit dem neuen Paket werden die tägliche Mindestruhezeit nun auf neun Stunden (derzeit acht Stunden) festgesetzt und eine Ruhezeit von mindestens 45 Stunden alle zwei Wochen eingeführt. Außerdem wird die maximal zulässige Lenkzeit der Berufskraftfahrer verringert. Dürfen Brummipiloten auf EU-Straßen derzeit 74 Wochenstunden fahren, würden es nach Inkrafttreten der Rechtsvorschrift maximal 56 Stunden sein.
3,5-Tonnen-Lkw ausgenommen
»Wenn man die jetzt zur Debatte stehenden Dokumente mit den vorher gültigen vergleicht, gibt es keine einzige Verschlechterung«, kommentierte der linke Europaabgeordnete Helmuth Markov vorsichtig das Ergebnis der Verhandlungen. »Wenn man jedoch die erzielten Kompromisse mit den avisierten Zielen auf die Waagschale legt, sieht es anders aus.« Als Beispiele nannte er die Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen, die auf Druck des Ministerrates ausgenommen wurden, obwohl in dieser Gewichtsklasse Transporte und Unfälle zunähmen. Zudem gebe es lediglich zwei Verweise auf die Arbeitszeitrichtlinie, jedoch keine Kontrolle während der Lenk- und Ruhezeiten. Dem Übel der Überlastung und Übermüdung der Lenker könne so nicht begegnet werden.
Ähnlich sieht das der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Willi Piecyk. »Wer es ernst meint mit der Sicherheit auf Europas Straßen, kann mit dem Kompromiss nicht zufrieden sein«, sagte der verkehrspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Frakktion und sprach von einem »halbherzigen Fortschritt bei der Verkehrssicherheit«. »Ohne die Sturheit der Verkehrsminister wäre ein viel besseres Ergebnis herausgekommen.«
Die Verweigerung des Ministerrates, jegliche Verknüpfung der Lenkzeiten mit der Arbeitszeitrichtlinie im Straßenverkehr zu akzeptieren, ist kein Ruhmesblatt.« Es sei aber kein Wunder, meint Piecyk. Zehn Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, seien nicht einmal ihren Verpflichtungen zur fristgerechten Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie von 2005 nachgekommen. Völlig zu Recht laufe gegen sie ein Vertragsverletzungsverfahren. Piecyk erinnerte an »andere Arbeiten« des Fahrers wie das Be- und Entladen der Fahrzeuge. Sie nähmen einen erheblichen Teil der Arbeitszeit ein, seien ermüdend und hätten direkte Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit.
Freizeit – fernab von der Familie
Kritik an der künftigen Verordnung kam auch von Unternehmerseite. Mit der Entscheidung sei dem Mittelstand im Tourismus eine wesentliche Grundlage seiner Existenz entzogen, ließ Wolfgang Steinbrück, Präsident des Verbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) aus dem thüringischen Gotha, verlauten. »Flexibles, preiswertes und sicheres Reisen wird zukünftig nur noch schwer durchzuführen sein«, behauptete er. Der Spitzenverband der deutschen Busbranche hatte im Vorfeld mehrfach orakelt, die Änderung der EG-Sozialvorschriften werde fatale Auswirkungen auf das Gewerbe haben.
Auch die Begründung für die Novellierung mit einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und einem verbesserten Freizeitverhalten für die Arbeitnehmer will Steinbrück nicht gelten lassen. Was sollte es für Vorteile haben, einem Fahrer bei einer klassischen Rundreise mehr Freizeit zu gewähren?, fragt sich Steinbrück. Die Lenkzeiten betrügen oft weniger als drei Stunden am Tag, so dass ausreichend Ruhezeit gegeben sei. »Mit der neuen Regelung wird der Fahrer weniger Zeit für seine Familie haben, da er die freien Stunden unterwegs – weit weg von zu Hause - nehmen muss.«
Egal, ob sich Steinbrücks Kollegen mit den neuen Vorschriften anfreunden werden, oder nicht: Branchen mit hoher Risikoeinstufung – dazu zählen Busunternehmen – sollen strenger und häufiger auf europäischen Straßen kontrolliert werden. Die Mitgliedstaaten müssen ab Januar 2008 an zwei Prozent und ab Januar 2010 an drei Prozent der »Fahrertage« Kontrollen durchführen. Auch der neue Strafkatalog könnte helfen, die Zahl der Omnibusunfälle wegen permanenter Übermüdung der Fahrer zu senken.
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