Dienstag, 17. Juni 2008

Müll-Recycling vor dem Aus?

In der Europäischen Union werden jedes Jahr mehr als 1,8 Milliarden Tonnen Abfall produziert, doch nicht einmal ein Drittel davon wird wiederverwertet. In einigen Mitgliedstaaten wandern bis zu 90 Prozent der Siedlungsabfälle auf Deponien. Und die Müllberge wachsen schneller als das Bruttoinlandsprodukt der EU.

Seit nunmehr drei Jahren basteln die gesetzgebenden Gremien deshalb an Änderungen der Abfallrahmenrichtlinie, die den Trend zu immer größeren Müllmengen brechen sollen. Ziel ist, die Mitgliedstaaten zu verpflichten, endlich bindende nationale Programme zur Abfallverringerung zu erlassen. In dem Entwurf, den das Europaparlament in Straßburg am Dienstag beriet und verabschiedete, gibt es hierzu einheitliche Definitionen und Grundregeln. Im Kern enthält der nach zähem Ringen zwischen Parlament, EU-Kommission und Umweltministerrat erzielte Kompromiss eine so genannte Fünf-Stufen-Hierarchie, die eine Prioritätenfolge für die Abfallbewirtschaftung festlegt: An erster Stelle steht demnach die Abfallvermeidung, gefolgt von Wiederverwertung, Recycling, »sonstiger Verwertung« und als ausschließlich letzter Option die Abfallbeseitigung. Das Papier lässt aber ausdrücklich Ausnahmen zu, sofern dies durch »Lebenszyklusdenken hinsichtlich der gesamten Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung dieser Abfälle gerechtfertigt ist«.

Gerade diese schwammigen Formulierungen sorgten nicht nur in den Reihen der grünen Europapolitiker für Unmut, auch Naturschutzverbände liefen im Vorfeld dagegen Sturm. Es gebe keinen echten Anreiz, Müll zu vermeiden oder zu recyceln, monierten sie. Dagegen werde die Müllverbrennung ausdrücklich aufgewertet und vereinfacht, denn künftig könne zwischen Abfall und sogenannten Nebenprodukten unterschieden werden. Während Abfall ortsnah entsorgt werden müsse, dürften Nebenprodukte – diese können im Prinzip alles sein, was noch irgendwie nutzbar ist – sogar aus der EU hinaus abtransportiert werden.

Eine weitere Kritik: Die neue Richtlinie enthalte keinerlei konkrete Quoten für Haus-, Gewerbe- und Industrieabfälle, sondern lediglich Zielvorgaben für Stoffe, die ohnehin bereits überall getrennt gesammelt werden. Demnach soll Bauschutt bis zum Jahr 2020 zu 70 Prozent recycelt werden, Metall, Glas, Papier und Plastik zu insgesamt 50 Prozent. Diese Vorgaben werden aber von der Hälfte der Mitgliedstaaten bereits heute erreicht, und sieben weitere Länder bleiben bislang nur ganz knapp darunter. Darüber hinaus braucht kein »Sünder« Sanktionen zu fürchten. Die Zielvorgaben sind lediglich Orientierungswerte, die keinerlei verbindlichen Charakter besitzen.

So wird sich der umweltpolitisch fatale Trend – Müllverbrennung statt Vermeidung oder Recycling – in der EU weiter fortsetzen. Auch beim Recyclingvorreiter Deutschland gibt es 71 solcher Anlagen und weitere 74 sind geplant oder befinden sich bereits im Bau. Dazu passen auch die Zahlen, die die Nichtregierungsorganisation CEE Bankwatch kürzlich veröffentlichte: Zwei Drittel der EU-Gelder für die Kreislaufwirtschaft fließen in Anlagen zur Verfeuerung von Abfällen, allein die Europäische Investitionsbank hatte in den Jahren von 2000 bis 2006 rund eine Milliarde Euro in solche Projekte gepumpt. Für Recyclingtechnologien gab die Bank dagegen nur 15 Millionen Euro aus.

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