Donnerstag, 31. Juli 2008

Riss durch das Parlament

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), hat sich in die in Europa laufende China-Debatte eingemischt und erntet für seinen Aufruf zum Boykott der Olympia-Eröffnung nicht nur Beifall.

Vor allem die deutschen Sportfunktionäre zeigten sich wegen Pötterings Boykottaufruf verschnupft. Der EP-Präsident hatte öffentlich erklärt, wegen des Abbruchs der Gespräche zwischen der chinesischen Regierung und dem Dalai Lama »nicht an der Eröffnungsfeier« teilnehmen zu wollen. Wie aber könne es sein, dass ein Politiker, der sich monatelang vergeblich um eine Einladung zur Eröffnung der Spiele bemüht hatte, nun den Eindruck nährt, er habe die Reise nach Peking abgesagt? Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), vermutet hinter der Attacke Pötterings lediglich einen Versuch, sich auf Kosten des Sports zu profilieren.

Das Lager der EU-Parlamentarier, die vor den Olympischen Spielen den öffentlichen Druck gegenüber China schürten und sogar einen generellen Boykott in Erwägung zogen, ist recht groß und machte auch vor den Sozialdemokraten nicht halt. Zwar warb deren Fraktionschef Martin Schulz erst vor wenigen Tagen dafür, dem »ehrlichen und direkten Dialog« keine zusätzlichen Steine in den Weg zu legen, weil Europa auf China als Gesprächspartner für alle globalen Probleme nicht verzichten könne. Werfe man Sand ins Getriebe, müsse man sich nicht wundern, wenn die Chinesen dicht machten. Fraktionskollege Jo Leinen sieht das aber offenbar völlig anders: Er forderte »spürbaren politischen Druck sowohl im Vorfeld als auch während der Spiele«. Außerdem könnten bei »der Eröffnungsveranstaltung oder bei anderen offiziellen Anlässen« deutliche Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzungen in China gesetzt werden«. Auch der Grünen- Vizefraktionschef Daniel Cohn-Bendit schimpfte über Reisepläne von Regierungschefs zur Eröffnungsfeier: Sie seien »beschämend und armselig«.

Bereits im vergangenen November waren die unterschiedlichen Standpunkte im Europäischen Parlament deutlich geworden. Während einer Anhörung im Unterausschuss für Menschenrechte und einer Konferenz zu Tibet wurde darüber diskutiert, ob der internationale Sport Druck auf China ausüben könne und solle. Der konservative ungarische EU-Abgeordnete Pál Schmitt, der bei der Anhörung das Internationale Olympische Komitee vertrat, meinte etwa, das IOC sei nicht in einer Position, die Menschenrechtslage in China zu beurteilen oder die chinesische Führung unter Druck zu setzen. Schmitt hatte sich während der Konferenz gegen einen Boykott von Olympia in Peking ausgesprochen. Dies würde »nichts lösen, aber die Karrieren von Sportlern unwiederbringlich schädigen«.

Die Sprecherin der Delegation der deutschen Linken im Europaparlament, Gabi Zimmer, verwies gegenüber ND darauf, dass die EU fast alle Fragen, und insbesondere die Menschenrechtsproblematik, »immer wieder unter ihre wirtschaftlichen Interessen stellt«. Daher sei diese Debatte nicht frei von einer Instrumentalisierung. »Es ist richtig«, betonte Zimmer, »dass die chinesische Führung deutlich zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards aufgefordert werden muss. Ich glaube aber nicht, dass es hilfreich ist, ständig mit einem Damoklesschwert zu drohen und auf Peking beispielsweise mit Boykottdiskussionen gegenüber den Olympischen Spielen Druck auszuüben.«

Die EU-Kommission hielt sich in den vergangenen Monaten mit öffentlicher Kritik an China zurück. Viel zu groß ist die Angst, dass unbedachte Äußerungen zur Menschenrechtsproblematik die chinesischen Gesprächspartner verärgern könnten. Die wirtschaftlichen Beziehungen haben in den vergangenen Jahren an Fahrt gewonnen und könnten im ungünstigsten Falle einen Rückschlag erleiden.

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite