Donnerstag, 25. September 2008

Sprachenstreit mit Deutschtümelei

Die EU-Kommission will die Mehrsprachigkeit fördern. Sie solle helfen, »Brücken zwischen den Kulturen und Gemeinschaften« zu bauen, sagte Sprachenkommissar Leonard Orban kurz vor dem heutigen »Europäischen Tag der Sprachen«. Ziel sei es, dass jeder EU-Bürger mindestens zwei weitere Sprachen neben seiner eigenen erlernt.

Der Fakt ist nicht neu: Im globalen Wettbewerb gewinnt die Mehrsprachigkeit immer mehr an Bedeutung. Allein in Europa gibt es 23 Amts- und 60 Minderheitensprachen, erklärte Orban dieser Tage in Brüssel. Selbst mittelständischen und kleinen Unternehmen falle die Orientierung in der europäischen Wirtschaftswelt zunehmend schwer, wenn sie sich nur noch in ihrer Muttersprache verständigen könnten. Nicht anders ergeht es den Arbeitnehmern. Auch sie kämen in den seltensten Fällen noch mit einer einzigen Sprache in ihrem Arbeitsumfeld aus.

Die Kommission stellte nun eine Strategie zur Förderung der Mehrsprachigkeit in Europa vor, mit der die Aus- und Weiterbildung sowie Auslandsaufenthalte von Studenten, Lehrlingen und jungen Unternehmern vorangebracht werden sollen. Jeder Bürger solle die Möglichkeit erhalten, eine Sprache seiner Wahl zu erlernen. Ziel sei es, dass sich jeder EU-Bürger außer in seiner Muttersprache in mindestens zwei weiteren Sprachen verständigen kann. Migranten müssten die Chance erhalten, die Sprache ihres europäischen Gastlandes zu erlernen.

Bei letzterem nahm der rumänische EU-Kommissar Berlin in die Kritik. Deutschland unternimmt seiner Meinung nach nicht genügend Anstrengungen, lernwillige Menschen im eigenen Land mit der deutschen Sprache vertraut zu machen. Es müsse mehr Geld dafür bereitgestellt werden, forderte er. Zudem solle sich Deutschland an Frankreich orientieren, das Beamte kostenfrei beim Erlernen anderer Sprachen unterstütze.

Die Reaktionen auf Orbans Vorstoß ließen nicht auf sich warten: Der EU-Sprachenbeauftragte der Länder, Baden-Württembergs Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU), warf dem EU-Kommissar vor, nur vom eigenen Versagen ablenken zu wollen. Die EU-Kommission habe ihr Versprechen, für eine Gleichbehandlung des Deutschen mit Englisch und Französisch zu sorgen, nicht erfüllt.

Ganz unrecht hat der konservative Politiker mit seiner Kritik nicht. Seit Jahren gibt es immer wieder Ärger, weil auf den Online-Servern der Kommission und anderer EU-Behörden wichtige Dokumente lediglich in englischer und französischer Sprache verfügbar sind. Und auch kleine Unternehmen, die im Fördermittelkatalog der EU recherchieren, stoßen sehr schnell an die Grenzen: Dort sind ebenfalls zahlreiche Dokumente nur in den beiden Amtssprachen Englisch und Französisch zu haben.

Der Verein zum Schutz der deutschen Sprache übersandte dem Bürgerbeauftragten der EU, Nikoforos Diamandouros, eine Beschwerde, in der er sich bitter über die mangelnde Verwendung der offiziellen Amtssprache Deutsch auf den Webseiten der EU beklagte. Obwohl Deutsch innerhalb der Union die häufigste Muttersprache und die zweithäufigste Fremdsprache sei, werde sie gegenüber dem Englischen und dem Französischen diskriminiert, hieß es in dem Schreiben. Dabei hatte Diamandouros fast zeitgleich mit demselben Problem auch im eigenen Hause zu kämpfen. Auch sein etwa 200-seitiger Jahresbericht lag der Presse nur auf Englisch vor. Die Übersetzungen kämen erst später, entschuldigte sich der Grieche. Ein Mitarbeiter seiner Behörde klärte anschließend über den Grund für die Verzögerung auf: Es fehlte an Übersetzern.

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