Donnerstag, 18. September 2008

Keine EU-Hilfe für arme Deutsche

Das Programm zur Verteilung von Nahrungsmitteln an Bedürftige in der EU soll ausgeweitet werden. Bis 2009 will Brüssel die Mittel um zwei Drittel auf etwa 500 Millionen Euro aufstocken. Deutschland wird sich an dem Programm allerdings nicht beteiligen.

Eine 1987 eingeführte Regelung erlaubt es den EU-Mitgliedstaaten, öffentliche Überschussbestände für die Nahrungsmittelhilfe freizugeben. Mit der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hat sich die Lage allerdings geändert. Die Bestände sind so niedrig wie nie zuvor, die Zahl der Bedürftigen ist dagegen gewachsen, und zuletzt sind die Lebensmittelpreise stark gestiegen.

Deshalb hält es die EU-Kommission für notwendig, die finanziellen Aufwendungen für die Fortsetzung des Programms zu erhöhen und den Ankauf von Nahrungsmitteln am freien Markt dauerhaft zu ermöglichen. In einem öffentlichen Konsultationsverfahren hatte die EU-Kommission zuvor Wohltätigkeitsorganisationen, Regierungsstellen, interessierte nichtstaatliche Organisationen und die Öffentlichkeit aufgefordert, zu den Plänen Stellung zu beziehen.

Die zuständige EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel bestätigte jetzt in Brüssel, dass sich Deutschland an dem Projekt nicht beteilige. Diese Entscheidung stehe den Mitgliedstaaten frei. Die Kommission halte das Programm jedoch für eine »konkrete Möglichkeit der Europäischen Union, einigen der bedürftigsten Menschen in unserer Gesellschaft zu helfen«, erklärte Fischer Boel. »Der jüngste Anstieg der Nahrungsmittelpreise macht den Menschen sehr zu schaffen. Wir müssen diese erfolgreiche Regelung ausweiten und zusätzliche Mittel hierfür bereitstellen, damit wir so vielen wie möglich helfen können.« Man sei sich aber auch darüber im Klaren, dass mit der Maßnahme das Armutsproblem nicht gelöst werden könne.

Im Bundeslandwirtschaftsministerium hieß es auf Nachfrage , man verzichte auf diese Unterstützung, denn man sei gegen das Brüsseler Hilfsprogramm. Bereits 2006 hatten die deutschen »Tafeln« den Antrag gestellt, beteiligt zu werden. Minister Horst Seehofer lehnte ab. In einem Brief schrieb er sinngemäß, dass die europäische Unterstützung den in Deutschland mit staatlichen Geldern finanzierten Regelleistungen widerspreche. »Als rein sozialpolitisch motivierte Maßnahme fehlt der Europäischen Union die Legitimation, ein solches Programm durchzuführen.«

Fischer Boel stellte auf Nachfrage des ND den Vorwurf der Bundesregierung in Abrede. Das Programm stehe auf soliden Füßen und müsse durch gesetzliche Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten untersetzt werden. »Es besteht heute ein höherer Bedarf als je zuvor«, sagte sie. Das Vorhaben kollidiere nicht mit nationalen Regelungen. Obwohl der Lebensstandard in der EU durchschnittlich zu den höchsten der Welt gehört, gebe es »auch hier Menschen, die sich nicht ausreichend ernähren können«, begründete Fischer Boel die Initiative. Schätzungsweise 43 Millionen Menschen in der EU leben mit dem Existenzminimum. »Sie können sich nicht einmal jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch oder Fisch leisten.«

Seit 1986 hat die Europäische Kommission im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe für bedürftige Personen in der Gemeinschaft rund 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Im Jahr 2007 zählte das Programm über 13 Millionen Begünstigte in 18 Mitgliedstaaten. Allein Belgien erhielt im vergangenen Jahr Nahrungsmittel für 8,4 Millionen Euro. Zurzeit nehmen 19 Mitgliedstaaten an dem Programm teil. Neben Deutschland wollen sich auch Slowenien, Schweden, die Niederlande und Großbritannien nicht daran beteiligen.

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