Tumult um Bolkestein-Richtlinie - Europa-Parlament akzeptierte Kompromissvorschlag von Konservativen und Sozialdemokraten
Das Europa-Parlament hat den konservativ-sozialdemokratischen Kompromiss zur Dienstleistungsrichtlinie abgesegnet. Jetzt müssen – eventuell schon Mitte März – noch die Mitgliedstaaten abstimmen.
Begleitet von tumultartigen Szenen und zahlreichen Pannen beim Abstimmungsprocedere, haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments gestern die Entschließung zur geänderten EU-Dienstleistungsrichtlinie von Christ- und Sozialdemokraten gebilligt. 394 Parlamentarier stimmten dem Entwurf zu, 215 lehnten das Papier ab. 33 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Die Linksfraktion stimmte geschlossen dagegen.
Die Abgeordneten billigten mit breiter Mehrheit die Streichung des besonders umstrittenen »Herkunftslandsprinzips«, das nun im Text der Richtlinie durch den Begriff »Dienstleistungsfreiheit« ersetzt werden soll. Damit wollen Sozialdemokraten und Konservative erreichen, dass Dienstleister sich nach der innereuropäischen Marktöffnung an die Gesetze des Landes halten müssen, in dem sie tätig werden. Die Linken sprechen dagegen von einer »Mogelpackung«, weil die Substanz der Richtlinie praktisch gleich bleibe. Nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Gesundheit und der Umwelt dürfen die Staaten noch auf die Einhaltung nationaler Bestimmungen bestehen. Ansonsten gelten die Gesetze jenes Landes, aus dem der Dienstleister kommt. Die Linken im Parlament bezeichneten die Abstimmung als »Startschuss zu einem Run auf die Gerichte und zu Sozialdumping«.
Keine Genehmigung mehr nötig
In der geänderten Fassung werden den Mitgliedsstaaten nun bestimmte Regelungen untersagt. So brauchen ausländische Dienstleister keine Niederlassung mehr errichten, um ihr Geschäft betreiben zu können. Außerdem benötigen sie künftig keine Genehmigung zur Ausübung ihres Gewerbes durch eine Behörde im Zielland. »Besonders folgenschwer« finden die Mitglieder der Linksfraktion im Europäischen Parlament, Andre Brie und Gabi Zimmer, zudem die Aufnahme weiter Teile der »Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse«, des Gesundheitswesens sowie der Leih- und Zeitarbeit.
Bis zuletzt hatte es zwischen den Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) Streit darüber gegeben, ob die Mitgliedsstaaten die Dienstleistungsfreiheit auch aus Gründen der Sozialpolitik und des Verbraucherschutzes einschränken könnten. Dienstagnacht einigte sich die so genannte »High Level Group« von EVP und SPE schließlich darauf, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht einschränkt werden solle. Selbstverständlich seien Sozialpolitik und Verbraucherschutz richtig und wichtig, erklärte der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab. »Als pauschale Begründung zur Beschränkungen von Dienstleistungsfreiheit würden sie jedoch nur schaden, ohne effektiv zu nutzen.«
Streit über die Geschäftsordnung
Vor der Abstimmung war es im Plenarsaal zu tumultartigen Szenen gekommen. Vertreter der Grünen und der Linken hatten lautstark gegen die Streichung der Ausnahmeregeln protestiert. Nach einem erbitterten Streit über die Geschäftsordnung wurden mehrere Anträge auf Unterbrechung des Votums abgewiesen.
Selbst die Wortführerin der Sozialdemokraten, Evelyne Gebhardt, zeigte sich vom Abstimmungsverhalten einiger konservativer Kollegen überrascht. »Sie haben sich nicht an die Absprachen gehalten«, giftete sie. »Die EVP sollte eine Aussetzung der Sitzung beantragen, um sich zu einigen«, empfahl auch Daniel Cohn-Bendit von den Grünen und erntete dafür einen Rüffel vom Präsidenten, weil er sein Rederecht für einen Antrag zur Geschäftsordnung »missbraucht« habe. Insgesamt hatten die Abgeordneten über 404 Änderungsanträge binnen zwei Stunden abzustimmen.
Zimmer und Brie bezeichneten die Annahme der Bolkestein-Richtlinie als »wohl schwerwiegendsten europäischen Rechtsakt«, der nun mit einem »zutiefst widersprüchlichen Gesetzeswerk gestemmt« werden solle. Die Last hätten Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Unternehmen in der Union zu schultern. In ihrer jetzigen Form berge die Richtlinie eine Reihe unvereinbarer Regelungen, die keine Rechtssicherheit geben. »Besonders fatal wird sich dies etwa auf Dienstleistungen im öffentlichen Nahverkehr sowie der Abfall- und Wasserwirtschaft auswirken, über deren Handhabung die Richtlinie widersprüchliche Bestimmungen aufgenommen hat.« Eine große Zahl von Gerichtsverfahren werde die Folge sein.
Die EU-Kommission kündigte indes an, eine überarbeitete Fassung des Richtlinienentwurfs erarbeiten und zur Diskussion stellen zu wollen. Damit das Paragrafenwerk in Kraft treten kann, müssen nun noch die Regierungen der Mitgliedsstaaten zustimmen. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft will über das Papier am 13. März diskutieren lassen.
Begleitet von tumultartigen Szenen und zahlreichen Pannen beim Abstimmungsprocedere, haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments gestern die Entschließung zur geänderten EU-Dienstleistungsrichtlinie von Christ- und Sozialdemokraten gebilligt. 394 Parlamentarier stimmten dem Entwurf zu, 215 lehnten das Papier ab. 33 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Die Linksfraktion stimmte geschlossen dagegen.
Die Abgeordneten billigten mit breiter Mehrheit die Streichung des besonders umstrittenen »Herkunftslandsprinzips«, das nun im Text der Richtlinie durch den Begriff »Dienstleistungsfreiheit« ersetzt werden soll. Damit wollen Sozialdemokraten und Konservative erreichen, dass Dienstleister sich nach der innereuropäischen Marktöffnung an die Gesetze des Landes halten müssen, in dem sie tätig werden. Die Linken sprechen dagegen von einer »Mogelpackung«, weil die Substanz der Richtlinie praktisch gleich bleibe. Nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Gesundheit und der Umwelt dürfen die Staaten noch auf die Einhaltung nationaler Bestimmungen bestehen. Ansonsten gelten die Gesetze jenes Landes, aus dem der Dienstleister kommt. Die Linken im Parlament bezeichneten die Abstimmung als »Startschuss zu einem Run auf die Gerichte und zu Sozialdumping«.
Keine Genehmigung mehr nötig
In der geänderten Fassung werden den Mitgliedsstaaten nun bestimmte Regelungen untersagt. So brauchen ausländische Dienstleister keine Niederlassung mehr errichten, um ihr Geschäft betreiben zu können. Außerdem benötigen sie künftig keine Genehmigung zur Ausübung ihres Gewerbes durch eine Behörde im Zielland. »Besonders folgenschwer« finden die Mitglieder der Linksfraktion im Europäischen Parlament, Andre Brie und Gabi Zimmer, zudem die Aufnahme weiter Teile der »Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse«, des Gesundheitswesens sowie der Leih- und Zeitarbeit.
Bis zuletzt hatte es zwischen den Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) Streit darüber gegeben, ob die Mitgliedsstaaten die Dienstleistungsfreiheit auch aus Gründen der Sozialpolitik und des Verbraucherschutzes einschränken könnten. Dienstagnacht einigte sich die so genannte »High Level Group« von EVP und SPE schließlich darauf, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht einschränkt werden solle. Selbstverständlich seien Sozialpolitik und Verbraucherschutz richtig und wichtig, erklärte der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab. »Als pauschale Begründung zur Beschränkungen von Dienstleistungsfreiheit würden sie jedoch nur schaden, ohne effektiv zu nutzen.«
Streit über die Geschäftsordnung
Vor der Abstimmung war es im Plenarsaal zu tumultartigen Szenen gekommen. Vertreter der Grünen und der Linken hatten lautstark gegen die Streichung der Ausnahmeregeln protestiert. Nach einem erbitterten Streit über die Geschäftsordnung wurden mehrere Anträge auf Unterbrechung des Votums abgewiesen.
Selbst die Wortführerin der Sozialdemokraten, Evelyne Gebhardt, zeigte sich vom Abstimmungsverhalten einiger konservativer Kollegen überrascht. »Sie haben sich nicht an die Absprachen gehalten«, giftete sie. »Die EVP sollte eine Aussetzung der Sitzung beantragen, um sich zu einigen«, empfahl auch Daniel Cohn-Bendit von den Grünen und erntete dafür einen Rüffel vom Präsidenten, weil er sein Rederecht für einen Antrag zur Geschäftsordnung »missbraucht« habe. Insgesamt hatten die Abgeordneten über 404 Änderungsanträge binnen zwei Stunden abzustimmen.
Zimmer und Brie bezeichneten die Annahme der Bolkestein-Richtlinie als »wohl schwerwiegendsten europäischen Rechtsakt«, der nun mit einem »zutiefst widersprüchlichen Gesetzeswerk gestemmt« werden solle. Die Last hätten Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Unternehmen in der Union zu schultern. In ihrer jetzigen Form berge die Richtlinie eine Reihe unvereinbarer Regelungen, die keine Rechtssicherheit geben. »Besonders fatal wird sich dies etwa auf Dienstleistungen im öffentlichen Nahverkehr sowie der Abfall- und Wasserwirtschaft auswirken, über deren Handhabung die Richtlinie widersprüchliche Bestimmungen aufgenommen hat.« Eine große Zahl von Gerichtsverfahren werde die Folge sein.
Die EU-Kommission kündigte indes an, eine überarbeitete Fassung des Richtlinienentwurfs erarbeiten und zur Diskussion stellen zu wollen. Damit das Paragrafenwerk in Kraft treten kann, müssen nun noch die Regierungen der Mitgliedsstaaten zustimmen. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft will über das Papier am 13. März diskutieren lassen.
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