Samstag, 12. August 2006

Belgische Debatte über Nahost-Mission - Kritik aus Reihen der Armee-Gewerkschaften

Da staunten die belgischen Friedensaktivisten, die alljährlich an die Atombombenabwürfe auf Hiroschima und Nagasaki erinnern, nicht schlecht, als sich in diesem Jahr auch Vertreter der belgischen Politik an der Demonstration und einer kurzzeitigen Blockade vor der NATO-Luftwaffenbasis Brogel in Peer beteiligten.

In den Vorjahren wurde die Veranstaltung in Peer, wo nuklear bestückte Sprengköpfe mit der 200fachen Sprengkraft der auf Japan abgeworfenen Bomben stationiert seien, so Pol D'Huyvetter von der Vereinigung »Mutter Erde«, regelmäßig zum Zankapfel zwischen Friedensaktivisten und Politikern. Die Blockaden wurden als gesetzeswidrige Aktionen eingestuft, die Polizei war im Einsatz, um »Gewalt von Extremisten« zu verhindern. Zu Ausschreitungen indes kam es fast nie. Nun fanden sich vor dem Kernwaffenstützpunkt auch der liberale flämische Senator Patrick Vankrunkelsven (VLD) und der Schauspieler Kris Cuppens ein. Ausdrückliche Unterstützung erhielten die Friedenaktivisten von den früheren Premierministern Jean-Luc Dehaene und Wilfried Martens. Dabei waren die Forderungen der Demonstrationsteilnehmer nicht ohne: Sie wollen den Abzug aller US-amerikanischen Kernwaffen aus Europa, weil diese illegal stationiert seien und eine »Vorbereitung von Kriegsverbrechen« darstellten. Sie erinnerten an die im Vorjahr angenommene Resolution des belgischen Bundesparlaments gegen Atomwaffen und forderten die Umsetzung des Papiers.

Skepsis der Bürger

Das plötzliche Friedensengagement der belgischen Politik wird dabei argwöhnisch beäugt. Nach Ansicht einiger Teilnehmer dient der Kurswechsel allenfalls dazu, die Bevölkerung auf die Bereitstellung belgischer Truppen bei einem möglichen »Friedenseinsatz« in Nahost einzustimmen. Die Belgier stehen derlei Operationen traditionell sehr skeptisch gegenüber. Die politischen Spannungen hatten in den vergangenen Wochen auch zugenommen, weil im multikulturellen Belgien der Anteil der Menschen, die aus den umkämpften Gebieten stammen, sehr hoch ist. Verteidigungsminister Flahaut hat klar gemacht, dass sich auch belgische Einheiten an einer Mission beteiligen würden, falls die UN-Schutztruppe ein »deutliches Mandat« erhalte. Der Generalstab der Streitkräfte soll prüfen, mit welcher Truppenstärke die Belgier neben ihren Einsätzen in Kosovo, in Afghanistan oder in Kongo an einer Libanon-Aktion teilnehmen könnten.

Brüssel für Einsatz

Belgiens liberaler Außenminister Karel De Gucht (VLD) verteidigte in einem Zeitungsinterview die Linie seines Ministerkollegen. Auch er sprach sich für die Entsendung von belgischen Soldaten aus. Dabei sorgte seine Begründung für Kritik. De Gucht befürchtet nämlich, dass jene Länder, die sich an der Mission nicht beteiligen, in Europas an Gewicht verlieren könnten. Eine der größten Gewerkschaften der Armee, die »Allgemeine Zentrale des Militärpersonals«, stellte sich bereits gegen die von Flahaut und de Gucht vorgegebene »Friedenslinie«. Sie hätten viel zu voreilig eine Beteiligung zugesagt, hieß es, nur um sich international zu profilieren. Außerdem verfüge das kleine Land nicht mehr über genügend Truppen dafür, weil die Armee schon in fünf Ländern mit 854 Soldaten an Missionen beteiligt sei. In Afghanistan ist sie z.B. für die Bewachung des Flughafens von Kabul zuständig. Bis Ende des Jahres sollen dort weitere 300 belgische Armeeangehörige zum Einsatz kommen. Die Gewerkschaft will sich daher allenfalls mit der Option identifizieren, Teile der medizinischen Abteilung, der Flugtransporter und der Marine freizustellen. Und noch eine Kritik spielt eine wichtige Rolle: Offenbar habe die Sicherheit der belgischen Soldaten beim Vorpreschen der Minister nur eine sehr untergeordnete Rolle gespielt, hieß es. Gerade in diesem Punkt sind die Belgier aber sehr sensibel. Die Menschen in dem kleinen Land haben die dramatischen Ereignisse vor zwölf Jahren noch nicht vergessen, als in Ruanda zehn belgische Blauhelm-Soldaten von den Rebellen umgebracht wurden. Die Wiederholung eines solchen Szenarios wolle man unter allen Umständen vermeiden.

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