Freitag, 11. August 2006

Mit heißer Luft gehandelt - Die Klimaschutzpolitik der EU kommt nicht voran

Der EU-Umweltkommissar legte seit Dezember keine neue Zwischenbilanz über die Umsetzung der Kyoto-Ziele vor. Das Emissionshandelssystem steht unterdessen auf dem Prüfstand.

Im Februar 2005 feierte die Europäische Union gemeinsam mit 140 Ländern das Inkrafttreten des Kyoto-Protokolls. Industrieländer, die das Papier ratifiziert haben, müssen die darin festgelegten Ziele für eine Begrenzung oder Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2012 erfüllen. Für die »alten« EU-Staaten bedeutet dies, dass sie die Gesamtmenge bei verschiedenen Treibhausgasen um acht Prozent unter den Stand von 1990 senken müssen.
Bereits zum Jahresende 2005 hatte Umweltkommissar Stavros Dimas in einer Pressekonferenz verkündet, dass sich die EU auf einem guten Weg befindet und die Kyoto-Ziele »voraussichtlich« erreicht. Die letzten Prognosen deuten darauf hin, dass die »alten« EU-Länder ihre Emissionen bis 2010 um 9,3 Prozent unter den Stand von 1990 verringern werden. »Damit übertreffen sie das Reduktionsziel«, frohlockte Dimas noch im Dezember.
Nach den Hochrechnungen kämen alle 25 EU-Staaten auf mehr als elf Prozent.

Tatsächlich hatte die EU seit dem im Jahr 2000 verabschiedeten Programm zur Klimaänderung (ECCP) mehr als 30 Maßnahmen in Gang gebracht, die zur Verringerung der Emissionen beitragen sollen. Dazu gehören das Emissionshandelssystem der EU, die Richtlinie über Energieeffizienznormen für Gebäude und die Rechtsvorschriften über fluorierte Industriegase. So verbietet eine seit Juli 2006 gültige Verordnung beispielsweise die Verwendung von Treibhausgasen in Sportschuhen. In einem Jahr dürfen sie dann nicht mehr in neuen Schallschutzfenstern eingesetzt werden oder als Füllgas in Autoreifen.

Mitte vergangenen Jahres startete die EU-Kommission schließlich eine Internet-Konsultation, die ergeben haben soll, dass sich die Menschen für eine Begrenzung der Auswirkungen des Luftverkehrssektors auf den Klimawandel einsetzen. Allein zwischen 1990 und 2003 sind die auf den internationalen Luftverkehr zurückzuführenden Emissionen innerhalb der EU um 73 Prozent angestiegen, was einem jährlichen Wachstum von 4,3 Prozent entspricht. Verdoppelt sich die Passagierflugzeugflotte – wie erwartet – bis zum Jahr 2020, würden auch die Emissionen – im wahrsten Sinne des Wortes – in die Höhe klettern.

Ende September gab Dimas den Plan der Kommission bekannt, dass auch die Betreiber von Flugzeugen in das EU-System für den Handel mit Treibhausgasemissionen eingebunden werden sollen. In dem System wird eine Menge von Emissionen festgelegt, innerhalb derer die Beteiligten nach Bedarf Zertifikate kaufen oder verkaufen können. Immerhin waren vor der Einbeziehung der Luftfahrtunternehmen bereits mehr als 12 000 Industrieanlagen in das Handelssystem eingebunden.

Inzwischen mehren sich aber die kritischen Stimmen, nicht nur was die Einbindung des Luftverkehrs in das EU-Handelssystem betrifft. Der Generalsekretär des Airline-Verbandes AEA, Ulrich Schulte-Strahaus, stellte etwa den Sinn eines auf Europa beschränkten Handels in Frage. Ein Lufthansa-Sprecher befürchtete aus dem gleichen Grund gehörige Wettbewerbsnachteile und erinnerte an notwendige Verbesserungen der Infrastruktur und an die Engpässe an den Flughäfen. Das Unternehmen verbrenne täglich so viel Kerosin in Warteschleifen wie für elf Langstreckenflüge zwischen Frankfurt und New York.
Die Handelssystem-Kritiker fühlten sich erst im April auf den Plan gerufen, als der Preis für die gehandelten Zertifikate von seinem historischen Höchststand von rund 30 Euro je Tonne auf 14 Euro in Windeseile abgerutscht war. Die Börsenplätze hatten Meldungen aufgeschreckt, wonach die meisten EU-Staaten der Industrie wesentlich mehr Lizenzen zugeteilt haben sollen als benötigt wurden. Immerhin soll es in den 21 beteiligten Staaten um zusätzliche 63 Millionen Emissionsrechte gegangen sein.

Schon seit geraumer Zeit hat EU-Umweltkommissar Dimas keine Zwischenbilanz zu den Zielen, die im Kyoto-Protokoll vereinbart wurden, mehr vorgelegt und hüllt sich stattdessen in Schweigen. Einige Umweltexperten vermuten, dass die Defensivtaktik auch mit dem EU-Handelssystem zusammenhängen könnte, dessen Zukunft sich in den nächsten Monaten zeigen werde. So wie der Handel im Moment laufe, habe er jedenfalls keine Wirkung für den Klimaschutz, meinten etwa Fachleute der Umweltorganisation Global2000. Der Emissionshandel habe sich »als ein Instrument erwiesen, bei dem vor allem mit heißer Luft gehandelt wird«.

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