Dienstag, 22. August 2006

Industriespionage gegen feindliche Übernahme - Vorstände des französischen Mischkonzerns Suez stehen in Belgien vor einer Anklage

Erfolgreiche Indsutriespionage sicherte offenbar dem französischen Suez-Konzern einen Informationsvorsprung bei der Übernahme des belgischen Energiekonzerns Electrabel.

Der Mischkonzern Suez ist derzeit in aller Munde. Im eigenen Land greift der Riese nach dem staatlichen Gasversorger Gaz de France (GdF), was zu innenpolitischen Turbulenzen führte. Premierminister Dominique de Villepin, der das Fusionsprojekt mit eingefädelt hat, will mit dem »großen französischen Energiepol« einer Übernahme von Suez durch den italienischen ENEL-Konzern zuvorkommen. Zum Ärger von Italien, das dies mehrfach in Brüssel kritisiert hat, weil es den Regeln des Binnenmarktes widerspreche.

Für den Deal wäre jedoch eine Gesetzesänderung zur Privatisierung des Unternehmens nötig gewesen, doch dafür hatte de Villepin vor der Sommerpause nicht einmal die Abgeordneten der Regierungspartei UMP gewinnen können. Außerdem meldete sich am Samstag die EU-Kommission und veröffentlichte eine erste Liste mit Einwänden gegen die geplante Fusion.
Unterdessen droht dem Suez-Konzern auch aus dem benachbarten Belgien dicker Ärger. Dass mindestens zwei Suez-Vorstände in einem außergewöhnlichen Fall von Industriespionage verwickelt sein sollen, scheint inzwischen festzustehen. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, wie sie gegen die Franzosen vorgehen wird. Allerdings wird ausgeschlossen, dass die Ermittlungen auch noch Einfluss auf die Übernahme des belgischen Versorgers Electrabel haben werden, der Ende 2005 mehrheitlich vom Suez-Konzern geschluckt wurde.

Stoff für einen Krimi

Der Vorgang ereignete sich im Februar 2004 und könnte den Stoff für einen Krimi-Bestseller hergeben: Drei Männer waren seinerzeit in das Computersystem des belgischen Energieriesen Electrabel in Brüssel eingedrungen. Wenige Tage später stellten die Sicherheitsingenieure fest, dass es sich nicht nur um einen einfachen Einbruch handelte, sondern dass die Eindringlinge hochmoderne Spionage-Software installiert hatten. Die polizeilichen Ermittlungen führten direkt in das Zimmer eines Direktionsmitgliedes von Suez.
Nun sollen sich Jean-Pierre Hansen, die Nummer 2 bei Suez und bereits damals Electrabel-Chef, sowie Konzernchef Patrick Ouart für die Vorgänge verantworten. Hansen soll den Männern den Zugang zu den Räumlichkeiten verschafft haben, angeblich um die Sicherheit des Computersystems in seinem Hause überprüfen lassen zu wollen. Für die Brüsseler Justiz ist diese Argumentation allerdings löchrig und nicht nachvollziehbar: Die Konzernleitung von Electrabel hatte vom Sicherheitscheck Hansens keinerlei Kenntnis.

Hansen beharrt bislang auf seiner Version. Die Staatsanwaltschaft vermutet allerdings, dass die Aktion damals darauf ausgelegt gewesen war, einer »feindlichen Übernahme« von Electrabel durch einen spanischen Konzern zuvorzukommen und sich einen Informationsvorsprung zu sichern. Fast zeitgleich mit dem Einbruch in der Brüsseler Konzernzentrale operierte Suez zudem mit einer europaweiten Anzeigenkampagne, um sich noch zusätzlich durch Aktienankäufe einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Spaniern sichern zu können. Der Coup gelang: Suez hält inzwischen 99 Prozent der Aktien am belgischen Energieriesen. Ursprünglich war aber nur eine Beteiligung unterhalb der Majoritätsgrenze vorgesehen.

Suez droht nur Bußgeld

Sollte die belgische Justiz ihre Vermutungen bestätigt bekommen, dann hätte das aber allenfalls Folgen für Hansen und Ouart. Bei einer Verurteilung müssten Suez und die direkten Auftraggeber der Industriespionage mit einem – eher lächerlichen – Bußgeld in Höhe von rund einer Million Euro rechnen. Für Hansen könnte es indes richtig brenzlig werden, denn er riskiert im Falle einer Verurteilung nach belgischem Recht eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Wie die flämische Wirtschaftszeitung »De Tijd«, die angeblich Einsicht in die Anklageschrift erhielt, berichtete, will die Brüsseler Anklagekammer den Fall nun sogar an ein Strafgericht weiter reichen.

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