Freitag, 1. September 2006

Verheugens Mogelpackung - Brüssel will Größen von Verpackungen freigeben

Beim Abbau von Vorschriften setzt die EU-Kommission falsche Prioritäten und verletzt die Interessen von Verbrauchern. So könnten Fertigpackungen bald kleiner werden, die Preise aber gleich bleiben.

Es ist noch nicht allzu lang her, da kündigten EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und sein deutscher Binnenmarktkommissar Günther Verheugen vollmundig das Ende der EU-Regulierungswut an. Vor allem Verbraucherschützer ahnten, dass das angekündigte Entschlacken alter oder zweifelhafter Verordnungen ein anderes Extrem zeitigen und nur der ungehemmten Liberalisierung des Binnenmarktes dienen könnte. Und die Befürchtungen scheinen sich zu bestätigen.

Verheugen wurde Wochen später nämlich deutlicher. In einem Zeitungsinterview offenbarte der Sozialdemokrat, was er unter der Reformierung von Reformen versteht. In der EU gebe es beispielsweise rund 80 Vorschriften für verpackte Lebensmittel, schimpfte er. »Noch vor meiner Zeit entstand ein Vorschlag, das per Richtlinie auf knapp ein Dutzend zu beschränken. Ich habe jetzt aber vorgeschlagen, die Verpackungsgrößen mit Ausnahme für Alkohol ganz dem Handel zu überlassen«, sagte Verheugen. »Was erlebe ich? Das Europäische Parlament brachte eine Liste mit sieben Lebensmitteln auf den Tisch, die unbedingt weiter reguliert werden sollen.«

Was der Kommissar unmissverständlich einfordert, treibt den Verbraucherschützern die Schweißperlen auf die Stirn. Die geplante Abkehr von den bislang vorgeschriebenen Verpackungsgrößen und Füllmengen könne nur zu Lasten der Konsumenten gehen, vermuten sie, denn dann würden Täuschungsversuche quasi legitimiert. Die Verpackungen werden – für die Verbraucher kaum sichtbar – kleiner, der Preis bleibe aber unverändert. Das wäre gleichbedeutend mit versteckten Preiserhöhungen. Dass dies nicht etwa nur ein theoretisches Szenario darstellt, zeigten bereits heute die zahlreichen Stichproben in den Mitgliedsstaaten. Zahlreiche Fertigverpackungen, von Shampoo bis Müslis, enthielten nicht die geforderte Füllmenge. Daher sehen die Interessenverbände der Konsumenten in der geplanten Novellierung der europäischen Verpackungsverordnung eine Mogelpackung.

Dagegen scheinen sich EU-Kommission und Rat weitgehend darin einig zu sein, die Füllmengen für Fertigverpackungen freigeben zu wollen. Auch die Forderung des Parlaments, wenigstens für die Grundnahrungsmittel die Verpackungsgrößen vorzugeben, soll angeblich vom Tisch sein. Gefordert ist nun das Europaparlament: Dort wird die neue Richtlinie nach der Sommerpause wieder zur Beratung aufgerufen.

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