Freitag, 2. November 2007

Systematisch betriebene Menschenrechtsverletzungen

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat Griechenland massiver Menschenrechtsverletzungen beschuldigt. Flüchtlinge würden zum Teil auf hoher See ausgesetzt, misshandelt und sogar gefoltert. Auch die Haftbedingungen seien menschenunwürdig.

Genau genommen sind die Vorwürfe gegen die griechischen Behörden nicht neu: Bereits im vergangenen Jahr deuteten Berichte irakischer Flüchtlinge auf Menschenrechtsverletzungen hin. Damals hatte es Tote gegeben, als die griechische Küstenwache ein Boot mit Betroffenen vor der türkischen Küste ausgesetzt hatte. Der am Montag in Brüssel vorgestellte Bericht der Organisation Pro Asyl und der griechischen »Vereinigung der Rechtsanwälte für die Verteidigung der Menschenrechte von Flüchtlingen und Migranten« über die Situation der Flüchtlinge in der Ägäis machte allerdings deutlich, dass derlei Praktiken offenbar systematisch betrieben werden.

Über zwei Monate hatte die Abordnung der Organisationen in Gesprächen mit über 100 Flüchtlingen, aber auch mit Vertretern der griechischen Küstenwache und der Behörden gesprochen, um sich ein Bild vom Umgang mit Flüchtlingen vor und auf den ostägäischen Inseln Lesbos, Chios und Samos machen zu können. Der Europareferent von Pro Asyl, Karl Kopp, bezeichnete die Ergebnisse der Untersuchung als »höchst schockierend«. Demnach misshandelt die griechische Küstenwache systematisch neu ankommende Flüchtlinge, versucht, Flüchtlingsboote zu blockieren und aus den griechischen Territorialgewässern zu drängen. Dabei werden Tote in Kauf genommen, heißt es in dem Bericht. Bootsinsassen würden auf unbewohnten Inseln ausgesetzt oder auf dem offenen Meer ihrem Schicksal überlassen.

Zudem inhaftiert die Polizei »völkerrechtswidrig alle Flüchtlinge und Migranten bei ihrer Ankunft auf den Inseln, darunter auch viele Minderjährige«. Ausnahmslos und unter Bruch internationaler Abkommen werde gegen alle Neuankommenden eine Abschiebeanordnung verhängt. Die Lebensbedingungen in drei von der Delegation besuchten Haftlagern werden in dem Dokument als »unhaltbar« bezeichnet. Außerdem kämen die Umstände der Inhaftierung einer »erniedrigenden und unmenschlichen Behandlung gleich«.

Kopp berichtete gegenüber ND von einem Fall, bei dem die Behörden sogar Foltermethoden wie Elektroschocks, Eintauchen des Kopfes in Wassereimer und Scheinhinrichtungen angewendet haben sollen. In den Lagern selbst fanden die Mitglieder der Abordnung Schwerverletzte vor, denen medizinische Hilfe verweigert worden war. In dem Bericht sprechen die Menschenrechtsorganisationen von »eklatanten Defiziten des griechischen Asyl- und Aufnahmesystems« und fordern freien Zugang zu fairen Asylverfahren, ein Verbot der obligatorischen Inhaftierung, menschenwürdige Unterbringung und einen besseren Schutz Minderjähriger.

Deutschland spiele in der europäischen Debatte um Asyl und Einwanderung seit Jahren eine bremsende und absolut repressive Rolle, erklärte Kopp. Dies sei auch unter der rot-grünen Bundesregierung so gewesen. »Man hat bis aufs Komma Restriktionen aus dem deutschen in das europäische Recht reinverhandelt und so zu ihrer Multiplizierung in 27 Mitgliedstaaten gesorgt. Die Schlüsselelemente der deutschen EU-Präsidentschaft in der ersten Jahreshälfte waren mehr Grenzschutz, mehr Rückübernahmeabkommen und mehr gemeinsame Abschiebungen.«

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