Mittwoch, 26. September 2007

Spielzeug – ohne Gifte?

Nach millionenfachen Rückrufaktionen von gesundheitsgefährdendem Kinderspielzeug reagiert die EU-Kommission in Brüssel mit hektischer Betriebsamkeit. Jetzt plant sie, gefährliche Substanzen hier endlich zu verbieten.

Die EU-Kommission will besonders gefährliche Substanzen aus Spielzeugen verbannen. Stoffe, die als krebserregend oder schädlich für das Erbgut und die Fortpflanzung eingestuft würden, sollten künftig bei der Herstellung von Spielsachen verboten werden, sagte EU-Industriekommissar Günter Verheugen am Dienstag vor dem Europaparlament in Straßburg. Einen entsprechenden Entwurf zur Novellierung der EU-Richtlinie für Spielzeugsicherheit werde er noch vor Jahresende vorlegen. Ziel sei es, »striktestmögliche Bestimmungen« für Spielsachen zu erlassen.

EU-Parlamentarier warfen der Kommission mit Blick auf die jüngsten Rückrufaktionen des US-Spielzeugriesen Mattel Versäumnisse vor. Die Brüsseler Behörde verspreche seit 2004 eine Überarbeitung der veralteten Richtlinie, sagte die SPD-Abgeordnete Evelyne Gebhardt. Die Vorschriften müssten dringend den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden. Notwendig seien nicht nur Verbote von besonders gefährlichen Stoffen, sondern auch wirksame Kontrollen. Diese müssten bereits an den Häfen stattfinden, wo die Container mit Import-Spielsachen eintreffen.

Verheugen wies die Kritik zurück. Die Kommission arbeite bereits seit 2005 an der neuen Richtlinie. Diese sei aber angesichts des »komplizierten, großen Marktes nicht aus dem Ärmel zu schütteln«. Er verwies auf die Verantwortung der Industrie und der EU-Staaten. Die Hersteller müssten »jedes Glied der internationalen Lieferkette kontrollieren«, die Mitgliedsländer seien für die Marktüberwachung verantwortlich.

Die plötzliche Betriebsamkeit der Kommission brachte ihr keinesfalls nur Lob ein. Im Gegenteil: Die grüne EU-Abgeordnete Heide Rühle bezeichnete es als »grob fahrlässig«, dass es »erst Skandale braucht, bis die EU-Kommission ernsthaft handeln« will. Brüssel wisse seit vielen Jahren, dass die Sicherheitsstandards und Kontrollsysteme für Spielzeuge – speziell für die darin verwendeten Chemikalien – unzureichend seien. »Trotzdem hat die Kommission bis heute nichts dagegen unternommen«, sagte Rühle. Außerdem müssten die Standards in Zukunft vom Gesetzgeber und nicht von der Industrie gesetzt werden. Auch Rühles parlamentarische Kollegin Hiltrud Breyer nannte es ein Unding, dass die vieldiskutierten Sicherheitsstandards nach wie vor von der Spielzeugindustrie selbst festgelegt werden. Hier werde »der Bock zum Gärtner gemacht.

Die Parlamentarierinnen beziehen sich auf das CE-Zeichen, von dem die meisten Menschen fälschlicherweise meinen, dass es »eine durch strenge Kontrollen gewährleistete Sicherheitsgarantie ist«, wie Evelyn Gebhardt warnte. »In Wirklichkeit ist es nur eine Erklärung des Herstellers, dass das Produkt in Übereinstimmung mit der EU-Gesetzgebung produziert worden ist.« Gebhardt fordert wie die Kommission eine Stärkung des CE-Zeichens zu einem »echten Sicherheitssystem«. Verbraucherschützer halten das für unrealistisch, da das CE-Zeichen leicht zu fälschen sei und dies gerade bei Importen aus Nicht-EU-Staaten nicht kontrolliert werden könne.

Die EU-Kommission erklärte sich gestern gegenüber dem Parlament, nachdem sie Anfang September eine umfassende Bestandsaufnahme zur Sicherheit von in China hergestelltem Kinderspielzeug angekündigt hatte. Der Spielzeughersteller Mattel hatte in diesem Sommer weltweit mehr als 21 Millionen Spielwaren seiner Produktreihen Barbie, Polly Pocket und Fisher Price zurückgerufen, bei denen auch stark bleihaltiger Lack eingesetzt wurde. China, wo rund 80 Prozent aller Spielwaren hergestellt werden, hat mittlerweile zugesagt, für Export-Spielzeug keine bleihaltigen Lacke mehr verwenden zu wollen.

EU-Verbraucherkommissarin Meglena Kuneva hatte im zuständigen EU-Ausschuss erklärt, dass die »Bestandsaufnahme« auch als eine Warnung zu verstehen sei. Bei negativen Ergebnissen seien auch Einfuhrverbote denkbar. Letztendlich, so Kuneva, gehe es aber nicht allein um Spielzeug »Made in China«, sondern um das »Vertrauen der Verbraucher in ein offenes Welthandelsmodell«.

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