Donnerstag, 14. Februar 2008

Europa macht die Schotten dicht

Nur wenige Wochen nach der Schengen-Erweiterung hat EU-Justizkommissar Franco Frattini am Mittwoch neue Technologien für den Schutz der EU-Außengrenzen angekündigt und sein »Grenzschutz-Paket« vorgestellt. Flüchtlingsrat und LINKE kritisierten die geplante Verschärfung der Abschottungspolitik.

Es soll nur 15 bis 20 Sekunden dauern: Ein Computer liest den elektronisch aufgerüsteten Reisepass, vergleicht dessen Daten mit Gesichtsform und Fingerabdrücken des Reisenden – und schwupp! öffnet sich das Tor zur Europäischen Union. Schnell, einfach und ziemlich sicher sehe die »Automatisierte Grenzkontrolle« der Zukunft aus, verspricht die EU-Kommission.

EU-Justizkommissar Franco Frattini bezeichnete das gestern in Brüssel vorgestellte »Grenzschutz-Paket« als »Antwort auf den Auftrag des Europäischen Rates«, mit dem »das Reisen für ehrliche Leute einfacher« gestaltet werden soll. Er bezeichnete die Vorschläge als einen »völlig neuen Weg zur Kontrolle unserer Grenzen«. Das System solle bis spätestens 2013 stehen, sagte Frattini.

Das Kernstück ist das »Entry-Exit-System«, das für alle Einreisenden aus Drittstaaten gilt. Mit einer EU-weiten Datendatei sollen künftig die Millionen von Menschen registriert werden, die mit einem Touristen-Visum in die Europäische Union einreisen. Sie müssen einen Personalbogen ausfüllen und der Grenzschutz fordert biometrische Daten ab, die dann in der Datenbank gespeichert werden.

Unter dem Deckmantel der angeblichen Verhinderung von Asyl-Missbrauch sollen nunmehr die EU-Mitgliedsstaaten die Namen der Asylsuchenden nach Brüssel melden, um dort jene Personen ausfindig machen zu können, die in mehreren Ländern Anträge stellten. Zudem sollen Bürger, die aus einem Drittstaat einreisten, unmittelbar nach Ablauf ihres Visums zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben werden können. Frattini bezeichnete diese Menschen als »Hauptfaktor der illegalen Einwanderung«. Nach Schätzungen der EU-Kommission gelangten mit einem Touristen-Visum etwa die Hälfte der auf acht Millionen geschätzten »Illegalen« nach Europa.

Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE kritisierte die Pläne der EU-Kommission scharf. Die EU schotte sich nach außen weiter ab, ohne Personen in Not den Zugang zum Asylverfahren zu erleichtern, erklärte Generalsekretär Bjarte Vandvik. Nach wie vor gebe es sehr wenige Wege, die EU auf legale Weise zu betreten. Das sieht die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, ähnlich: »Gastfreundschaft ist für Frattini offenbar ein Fremdwort. DIE LINKE lehnt eine Festung Europa, die ihre Gäste wie Kriminelle behandelt, entschieden ab und tritt für Freizügigkeit in einem demokratischen Europa ein.«

Statt in Richtung Freizügigkeit wandelt die EU auf den Spuren der USA: In den USA müssen Einreisende bereits jetzt elektronische Abdrücke beider Zeigefinger sowie ein digitales Foto abgeben. Ähnliches könnte es künftig auch in der EU für alle Einreisenden aus Drittstaaten geben.

Schon jetzt halten Frattinis Pläne allerdings auch für EU-Bürger Unannehmlichkeiten bereit, etwa wenn sie Flugfernreisen planten: Sie müssen künftig Auskunft über ihr Reiseziel und über ihre Essgewohnheiten geben sowie ihre E-Mail-Adresse oder Angaben zur Kreditkartennummer hinterlassen. Nach Auskunft des EU-Kommissars werden auch diese Daten ab 2009 zentral gespeichert.


Nach Angaben des EU-Kommissars belaufen sich die Kosten zur Errichtung des Datensystems auf rund 20 Millionen Euro. Die Mitgliedsstaaten müssten schätzungsweise etwa 35 Millionen Euro zur Einrichtung der automatisierten Kontrollpunkte einplanen. Die Pflege des Datensystems kostet den europäischen Steuerzahler rund sechs Millionen Euro.

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