Freitag, 2. November 2007

Unmenschliche Regeln

Im Gespräch mit Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl:

• Ist Griechenland das schwarze Schaf unter jenen EU-Staaten, die über eine Außengrenze verfügen?

Nein. Dennoch müssen die von uns dokumentierten schwersten Menschenrechtsverletzungen in Griechenland lückenlos aufgeklärt und vor allem unverzüglich beendet werden. In der jüngsten Vergangenheit blieben in Griechenland die Täter – Polizisten und Grenzbeamte – straffrei und die Opfer schutzlos. Schwerste Menschenrechtsverletzungen finden auch an den anderen Grenzabschnitten statt: Wir brauchen uns nur an die dramatischen Bilder vor Malta zu erinnern, wo Flüchtlinge vor den Augen der Verantwortlichen ertrunken sind. Oder denken Sie an die Todesschüsse an der marokkanisch-spanischen Grenze. Dort wird der Stacheldraht immer höher, die Mauer immer gewaltiger, und es entsteht ein neuer eiserner Vorhang. Ähnliches findet an der Ost-Außengrenze statt.

• Also können die Vorgänge an der griechischen Küste nicht als Einzelfälle abgetan werden?

Wir stellen fest, dass in den vergangenen Jahren eine zunehmende Brutalisierung an den europäischen Außengrenzen stattgefunden hat, für die nicht nur die Staaten eine Verantwortung tragen, die über eine solche Außengrenze verfügen. Vielmehr haben beispielsweise europäische Zuständigkeitsregelungen, die sogenannte Dublin-II-Verordnung, dazu geführt, dass der Druck auf diese Länder erhöht wurde. Denn diese Zuständigkeitsregeln besagen, dass das Land, über das die Einreise geschieht, in der Regel auch für die Asylprüfung zuständig ist. Die EU-Randstaaten versuchen daher mit aller Macht, Flüchtlinge abzuwehren und in unsichere Staaten außerhalb der EU zurückzuschicken.

• Demnach befinden sich Staaten wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich nur noch in einer Beobachterrolle?

Flüchtlinge, die es beispielsweise von Griechenland aus schaffen, in ein anderes EU-Land zu gelangen, werden wieder zurückgeschickt. Die Folgen dieser Politik liegen auf der Hand: Während sich die Kernländer der EU, wie Deutschland, auf bequeme Art ihrer Verantwortung für eine humane Flüchtlingspolitik entziehen, wehren die EU-Mitglieder an den Außengrenzen vermehrt Flüchtlinge brutal ab.

• Was läuft denn schief?

Wir brauchen ein gemeinsames Asylsystem und mehr Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme und keinen Verschiebebahnhof für Flüchtlinge. Dublin II ist eine technokratische und unmenschliche Regelung. An den EU-Außengrenzen werden momentan die Werte, auf die Europa einmal so stolz gewesen ist, zur Disposition gestellt. Und Europa hat sich schon lange davon verabschiedet, ein Modell für die Einhaltung der Menschenrechte zu sein. Es hat im weltweiten Diskurs völlig seine Glaubwürdigkeit in Flüchtlings- und Menschenrechtsfragen verloren.

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