Sonntag, 24. Februar 2008

Reiches Europa: 19 Millionen arme Kinder

Fast jedes fünfte Kind in Europa ist akut von Armut bedroht, erklärte die EU-Kommission bei der Vorlage ihres jüngsten Sozialschutz-Berichts am Montag in Brüssel. Rasche Besserung ist Experten zufolge nicht in Sicht.

Nach Meldungen über positive Arbeitsmarktdaten holte der zuständige EU-Arbeits- und Sozialkommissar Vladimir Spidla am Montag alle Träumer brüsk in die EU-Realität zurück: Jedes fünfte Kind wächst in der EU in Armut auf, heißt es in dem vorgestellten Entwurf des »Berichts über Sozialschutz und soziale Eingliederung 2008«. Themen des bereits vierten Bericht sind neben Kinderarmut auch der ungleiche Gesundheitszustand, Zugang zu Gesundheitsversorgung, eine Verlängerung des Arbeitslebens und private Rentensysteme. Das Papier soll auf der Frühjahrstagung des Rates den Regierungschefs vorgelegt werden.

Unter den 78 Millionen armutsgefährdeten Europäern sind danach auch 19 Millionen Kinder, wobei die Studie jene Kinder arm nennt , deren Eltern arbeitslos sind und keine ausreichende Einkommenshilfe erhalten oder wenn sie zu den »arbeitenden Armen« gehören, bei denen der Lohn nicht ausreicht, um sich und die Kinder vor Armut zu schützen. Nach Ansicht der Kommission stellen deshalb »ausgewogene, umfassende Strategien zur aktiven Eingliederung ins Arbeitsleben ein zwar mittelbares, aber dennoch wichtiges Mittel zur Förderung des Wohlergehens von Kindern und Jugendlichen« dar.

Laut Statistik ist in Deutschland etwa jedes achte Kind von Armut betroffen ist. Jedoch kann auch die Tatsache, dass dieser Anteil von rund zwölf Prozent nach Dänemark und Zypern der niedrigste Wert in der EU ist, nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Anstrengungen der deutschen Bundesregierung diesbezüglich nicht ausreichen. Immerhin leben hier Schätzungen zufolge mehr als 2,5 Millionen Kinder auf oder unter dem Sozialhilfeniveau von 207 Euro pro Monat. Schlusslichter in der EU sind Polen und Italien: Dort ist etwa jedes vierte Kind von Armut betroffen.

Etwa 23 Prozent der betroffenen Kinder gehören einem Alleinerzieher-Haushalt an, rund 27 Prozent wachsen in besonders großen Familienverbänden auf. Darüber hinaus gehört jedes zehnte Kind in eine Familie, wo beide Elternteile arbeitslos sind. Vor allem Kinder junger Eltern tragen der Studie zufolge mit 27 Prozent ein deutlich höheres Risiko, in Armut aufzuwachsen. In Schweden, Großbritannien, Irland und Polen liege dieser Anteil gar zwischen 31 und 35 Prozent. Bei Eltern zwischen 30 und 39 Jahren verringere sich die Quote auf 19 und bei Eltern über 40 Jahren auf rund 16 Prozent.

Kritisch benannt wird in dem Papier die Beschäftigungsrate in Deutschland von Müttern im Vergleich mit der von Frauen ohne Kinder. Sie liege mit 60 Prozent »relativ niedrig«, heißt es. Dagegen betrage die Rate der Frauen ohne Kinder immerhin 77 Prozent.


EU-Kommissar Spidla forderte die EU-Staaten auf, alles zur Senkung der Kinderarmut in Europa zu tun, damit der »Teufelskreis der Armutsvererbung durchbrochen« werden kann. Derzeit sei in den meisten Mitgliedländern das Risiko für Kinder, in Armut leben zu müssen, deutlich höher als für den Rest der Bevölkerung. Es sei deshalb ein großes gesellschaftliches Problem für Europa.


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