Donnerstag, 14. August 2008

Europas »Blue Card« soll auf den Prüfstand

Die europäische Politik will mit der Blue Card den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen. Ursprünglich war das Pendant der US-amerikanischen Green Card für hochqualifizierte Arbeitskräfte vorgesehen, inzwischen fordern vor allem osteuropäische Politiker allerdings eine flexiblere Handhabung. Das Bundeswirtschaftsministerium lehnt die Card ab.

Als der Berlusconi-Vertraute und damalige zuständige EU-Innenkommissar Franco Frattini vor einem Jahr seine Idee von einer Blue Card vorstellte, wollte er vor allem die Einwanderung von »falschen Leuten« in die EU verhindern. Der größte Teil der Migranten, die nach Europa kommen, sei beruflich nicht qualifiziert, schimpfte Frattini, und dabei handele es sich immerhin um 85 Prozent. Frattini benannte die USA als Beispiel, wo man das Verhältnis von »Guten und Schlechten« durch die Green Card nahezu umdrehen konnte.

Die Statistiken, welche die Befürworter des Card-Modells gern bemühen, geben darüber Auskunft, dass bereits im Jahr 2050 auf einen Rentner nur noch zwei Arbeitskräfte kommen werden. Dies wiederum stelle die Nachhaltigkeit der Rentensysteme in Frage, heißt es. Da die Beschäftigungsquote steigt, wird es schwieriger, der wachsenden Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften in Europa nachzukommen, da das Angebot an Spezialisten insgesamt sinkt.

In der Debatte um die Blue Card wird inzwischen aber die Tendenz sichtbar, dass es bei der »gezielten« Einwanderung nicht etwa nur noch um hochqualifiziertes Personal geht, sondern auch um Billigarbeiter. Vor allem osteuropäische Staaten melden gegenüber Brüssel ihren Bedarf an Arbeitskräften nicht etwa für spezialisierte, sondern für einfache Tätigkeiten an. Ein ähnliches Problem signalisierte Spanien: Auch dort werden statt Ingenieuren landwirtschaftliche Hilfskräfte gesucht.

Noch in diesem Jahr soll die Entscheidung über eine Einführung der Blue Card fallen. Zunächst wird der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europaparlaments am 15. September eine Entscheidung fällen. Die Europaparlamentarier werden voraussichtlich Anfang Oktober zur Abstimmung gebeten und der amtierende französische EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy wird Mitte Oktober seinen Projektvorschlag für ein »europäisches Einwanderungsabkommen« vorlegen. Eigentlich wollte Sarkozy dann die Blue Card als ein Element des »gemeinsamen europäischen Ansatzes zur Einwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte« verkaufen.

Im Moment deutet jedoch vieles darauf hin, dass sich auch die Auseinandersetzungen um die Blue Card zu einem handfesten europäischen Streitthema auswachsen könnten. Die deutsche Wirtschaft beeilte sich seinerzeit, die Einführung der Card ausdrücklich zu begrüßen. Zwar könne sie den Mangel an Fachkräften nicht beheben, sagte der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, Manfred Wittenstein, doch wenigstens lindern helfen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erteilte dagegen den Plänen eine klare Absage. Deutschland könne nicht »massenhaft ausländische Arbeitnehmer holen, nur weil wir sie im Moment gerade einmal brauchen«, sagte er. »Das wäre so, als könnte man einen Wasserhahn mal eben auf und wieder zusperren.« In Deutschland gebe es noch »ein sehr großes Reservoir an nicht ausgeschöpfter Arbeitskraft«, begründete Glos die Ablehnung.

Dass sich das demografische Loch in Europa nicht mit einer Blue Card stopfen lässt, verdeutlichen auch folgende Zahlen: Nach einer Veröffentlichung der EU-Kommission wären bis zum Jahr 2050 rund 56 Millionen ausländische Arbeitskräfte notwendig, um den Rückgang der »einheimischen« Bevölkerung der EU zu kompensieren.

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