Donnerstag, 9. Oktober 2008

Russische Bank für 140 Euro verkauft

Die Nachrichten aus Moskau widersprechen sich: Einerseits bietet sich der Kreml als Retter in der Finanznot an, andererseits spielt auch die russische Börse verrückt. Selbst der Energieriese Gazprom bleibt nicht von den Turbulenzen verschont.

Mit politischen Paukenschlägen vermittelte der Kreml in den vergangenen Wochen der Weltöffentlichkeit den Eindruck, als funktioniere seine Finanzwirtschaft tadellos und nahezu abgenabelt vom arg gebeutelten Rest der Welt. Staatschef Dmitri Medwedew verkündete per Videoansprache über das Internet, Russland stehe nun bereit, die Krise auf dem internationalen Finanzmarkt aktiv zu bekämpfen. Es folgte Stunden später die Nachricht von einem angeblichen Milliardenkredit für die isländische Regierung, die kurz vor einem Finanzkollaps steht.

Spätestens seit Mittwoch gibt es ernsthafte Zweifel, ob Russland wirklich als ein Fels in der Brandung fungieren könnte. Die Moskauer Börse brach derart ein, dass sogar der Handel ausgesetzt werden musste. Der Moskauer Leitindex RTS, über Jahre ein Favorit unter den Börsen der Schwellenländer, verlor in den vergangenen sechs Monaten zwei Drittel seines Wertes. Auch die Folgen sind bereits deutlich sichtbar: Die Bauindustrie, die über Jahre sämtliche Rekorde in Europa brach, gerät angesichts ausbleibender Kredite ins Stocken. Und selbst der Energiegigant Gazprom, der noch im Juni von einem Marktwert von einer Billion Dollar (rund 750 Milliarden Euro) träumte, lag zuletzt nur noch bei 130 Milliarden Dollar.

Schwächelt der Riese Gazprom tatsächlich? Die Verantwortlichen bemühen sich jedenfalls, solche Befürchtungen zu zerstreuen. Sie sind sich bewusst darüber, dass der eigene Krebsgang einen Synergieeffekt auslösen könnte. Die Aktie von Gazprom hat in Russland eine Vorbildwirkung und fungiert als Seismograph für die gesamte Wirtschaft: Geht es es dem Energiekonzern gut, dann kann auch von einer halbwegs funktionierenden Gesamtwirtschaft ausgegangen werden.

Die führende russische Wirtschaftszeitung Kommersant («Geschäftsmann») berichtet in ihrer aktuellen Ausgabe nun davon, dass die russischen Erdöl- und Gaskonzerne, darunter auch Gazprom, Lukoil, Rosneft und TNK-BP, erstmals zugegeben hätten, in finanziellen Schwierigkeiten zu stecken. Sie besitzen zu wenig liquide Mittel, um ihre Kredite bei den westlichen Banken zu bedienen. Diese Darlehen aber sind notwendig, um die Produktion aufrecht zu erhalten und die Senkung der Fördermengen abzuwenden.

Bereits Ende September hatten sich die vier russischen Energiekonzerne (sie alle fördern 70 Prozent des russischen Erdöls und 91 Prozent des Gases) in einem Bittschreiben an den Staat gewendet, schreibt die Zeitung. In diesem Brief soll unter anderem stehen, dass die russische Energiebranche bei den westlichen Banken insgesamt mit 80 Milliarden US-Dollar in der Kreide steht. Man benötige das Geld nicht nur, um die Gläubiger auszahlen zu können, hieß es.

Die Tatsache, dass ausgerechnet Gazprom auf der Liste der Bittsteller zu finden ist, löst in der russischen Wirtschaft nun einige Unruhe aus. Noch Ende September hatte Gazprom-Chef Alexej Miller öffentlich geäußert, dass der Gasmonopolist von der weltweiten Finanzkrise nicht betroffen sei. Nun will der Kommersant aber aus der Chefetage erfahren haben, der Konzern wolle das Geld, um sich «für den Fall des Falles» abzusichern: «Es sei in einer Krisenzeit für die Aktionäre wichtig zu wissen, dass man nötigenfalls auf eine Notfinanzierung zurückgreifen kann, wird ein Gazprom-Sprecher zitiert. Von einem Liquiditätsengpass wollte der Informant indes nichts wissen.

Den russischen Banken geht es nicht viel anders, sie halten sich bereits seit Monaten mit Kreditvergaben an Investoren zurück. «Die meisten internationalen Investoren haben Russland von ihren Listen gestrichen», meint Jewgeni Retjunski von der Expobank, einer Tochter der britischen Barclays Bank. Die meisten russischen Banken drehten jeden Cent zwei Mal um, bevor sie ein Darlehen gewährten.

Russland als Retter in der Not? Zweifel sind angebracht. Die russische Regierung kündigte heute an, 450 Milliarden Rubel (etwa 12,6 Milliarden Euro) aus dem nationalen Reservefonds nehmen zu wollen, um die heimischen Banken zu unterstützen. Die Gelder sollen zuerst bei der Vnesheconombank geparkt werden, die dann diese Kredite an «notleidende» Banken weiterreicht.

Eben diese Vnesheconombank übernahm dieser Tage die Mehrheitsbeteiligung (98 Prozent) der – offiziell – ersten russischen Bank namens Svyaz, die vor dem Abgrund stand. Der Kaufpreis symbolisiert zugleich die Besonderheiten dieses einzigartigen Marktes: Svyaz ging für schlappe 5000 Rubel, das sind umgerechnet gerade einmal 140 Euro, über den Tisch. Das Kartellamt hatte den Deal gebilligt und die Zentralbank ihre Zustimmung signalisiert.

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