Donnerstag, 13. November 2008

Agrarsektor bleibt das Sorgenkind

Es wird weiter getrickst und gemogelt: EU-Gelder werden zu Unrecht ausgezahlt oder verschwinden in dunklen Kanälen. Das ist das Ergebnis des in dieser Woche vorgestellten Jahresberichts des EU-Rechnungshofes, in dem auch der Kontrollmechanismus des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern kritisiert wird.

In dem Papier kommt vor allem die EU-Kommission schlecht weg. Der Vorwurf: Obwohl die Brüsseler Behörde bereits in den Vorjahren wegen ihrer Fördermittelpraxis immer wieder heftig kritisiert wurde, hat sie kaum etwas aus den Vorfällen gelernt. Vor allem hapert es beim 114 Milliarden Euro schweren Ausgabenposten der Landwirtschaft und den für schwache Regionen: Hier bescheinigt der Rechnungshof der Kommission, dass Zahlungen an die Begünstigten – nach wie vor – mit Fehlern behaftet wären. Das Urteil: Die Behörde erhält das 14. Mal in Folge nur eine eingeschränkte Zuverlässigkeitserklärung.

In der Regional- und Strukturpolitik sollen dem Bericht zufolge rund 4,6 Milliarden Euro zu Unrecht ausgezahlt worden sein. Auf Grundlage einer Stichprobe sei der Hof zu dem Schluss gelangt, dass »mindestens elf Prozent des Gesamterstattungsbetrags in der EU-Regionalförderung nicht hätten ausgezahlt werden dürfen«, sagte deren Präsident Vitor Caldeira. Der Besitzer eines Feriendorfes habe auf diese Weise zwar 50 Prozent Zuschüsse für die Unterhaltung seiner Anlage erhalten, vergab aber die Aufträge zur Renovierung auf Zuruf und ohne Ausschreibung. Zudem habe eine Universität die ihr überwiesenen Mittel zur Förderung benachteiligter Regionen einfach für Forschungsaufträge verwendet, die im Bescheid ausdrücklich untersagt worden waren. Recht unbescheiden legte außerdem die Leitung eines Sozialprojektes die Verwendung von Fördergeldern aus: Sie rechnete ihren gesamten Personalbestand ab, obwohl die Mitarbeiter zugleich auch für andere Aufgaben eingesetzt waren.

Das Sorgenkind des Rechnungshofes bleibt die Agrarwirtschaft, vor allem der Landbau. Fast die Hälfte des Gesamtbudgets fließt dorthin und der Großteil der Auszahlungen sei mit gravierenden Fehlern behaftet. Caldeira musste eingestehen, dass in diesem Bereich die Fehlerquote allenfalls grob geschätzt werden könne, denn es fehlten Verfahren, um die getätigten Zahlungen an Bauern und Agrarbetriebe überhaupt verlässlich überprüfen zu können. Zwei bis fünf Prozent des Budgets für Landwirtschaft sollen nicht korrekt bezogen worden sein.

Besonders heftige Mängel machte der Rechnungshof vor allem in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und mehreren südeuropäischen Mitgliedstaaten ausfindig. Es sei aber »von Sizilien bis in den hohen Norden die Fantasie genauso stark entwickelt«, meinte der österreichische Rechnungsprüfer Hubert Weber. Die jüngsten Sonderberichte zu Bulgarien und Rumänien hätten zudem gezeigt, dass es auch in diesen beiden Ländern weiter große Probleme gebe. Verwunderlich sei dies allerdings nicht, sagte Weber fast entschuldigend, denn die Verwaltungen der beiden Staaten wären noch im Aufbau und daher sehr unerfahren. Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung »OLAF« hatte dagegen erst kürzlich erklärt, dass bei 76,1 Prozent aller Stichproben des Jahres 2007, die in Rumänien und Bulgarien durchgeführt wurden, Betrug oder Unregelmäßigkeiten registriert werden mussten.

Problematisch bleiben auch die im Rahmen der Regionalförderung ausbezahlten Gelder, die zumeist von den Mitgliedsstaaten selbst verwaltet werden. Hier stehen vor allem Portugal und Spanien am Pranger. Aber auch Mecklenburg-Vorpommern, als einziges deutsches Bundesland von den EU-Rechnungsprüfern durchleuchtet, musste sich ernste Kritik am »bedingt wirksamen« Kontrollmechanismus gefallen lassen.

Ebenfalls nicht neu ist die Forderung der Rechnungshofbehörde, die Kommission möge doch das zu Unrecht ausbezahlte Geld konsequent wieder eintreiben. Das wollte EU-Regionalkommissarin Daniela Hübner dann allerdings so nicht unkommentiert stehen lassen. »In diesem Jahr haben wir bisher 843 Millionen Euro zurückgeholt – drei Mal mehr als 2007«, sagte Hübner in Brüssel und kündigte weitere Rückforderungen an. Außerdem arbeite man »hart« an der Senkung der Fehlerquote.

Angesichts dieser Bilanz dürfte deshalb auch die Forderung des deutschen EU-Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering (CDU) auf einer Konferenz in Brüssel beurteilt werden, die Mitgliedsstaaten sollten den Haushalt der Europäischen Union mit zusätzlichen Mitteln ausstatten. Die Naturschutzorganisation WWF forderte am Rande der Konferenz zudem, die Vergabe sämtlicher EU-Fördermittel verbindlich an ökologische Kriterien zu knüpfen. Derzeit würden nicht einmal fünf Prozent der EU-Gelder dafür verwendet, den Ausstoß von CO2 zu verringern.

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