Dienstag, 14. Oktober 2008

Der Brandstifter in der Brüsseler Feuerwehr

Beim heute beginnenden EU-Gipfeltreffen in Brüssel sollte es ursprünglich vor allem um die Klimaschutzpolitik der Europäischen Union gehen. Doch nun werden sich die Staats- und Regierungschefs fast ausschließlich mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zu befassen haben.

Die in den vergangenen Tagen von zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten beschlossenen Rettungspakete für den Bankensektor haben für Aufwind an den Börsen gesorgt. Doch die jüngsten Wirtschaftsprognosen weisen weiter steil nach unten. Vor dem Hintergrund einer drohenden Rezession suchen die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel in Brüssel nun nach weiteren Rezepten. Und der Druck ist groß: Die Rufe nach einer noch weiter führenden Antwort auf die Finanzkrise werden lauter.

Allerdings gibt es einen grundsätzlichen Konflikt in der EU, der erst in der vergangenen Woche zum Streit zwischen Nicolas Sarkozy und Angela Merkel über einen EU-weiten Auffangfonds für Banken führte. Während der französische Ratspräsident Maßnahmen auch auf europäischer Ebene wünscht, will es die Bundeskanzlerin bei einer Koordinierung nationaler Programme belassen.

Die Regierungschefs haben sich im Vorfeld des Gipfels auf eine bessere Aufsicht der grenzüberschreitend tätigen Bankengruppen verständigt, doch ob es zu weitergehenden Maßnahmen kommen wird, ist eher zweifelhaft. Auch die vorgesehene Gründung eines EU-Gremiums zur Kontrolle von Banken birgt neuen Zündstoff: Ein Teil der Staaten will ein Instrument, das den stark vernetzten Märkten und den Krisen mit internationalem Ausmaß gerecht werden kann. Andere möchten dagegen den Einfluss der EU auf ein Minimum beschränken. Zudem will die EU-Kommission in den nächsten Wochen striktere Bilanzierungsregeln, schärfere Eigenkapitalrichtlinien und Vorschriften für Rating-Agenturen angehen. Auch in diesen Punkten ist Ärger programmiert.

Einer der Politiker, die sich in der Vergangenheit immer gegen strengere Kontrollen von Private-Equity- und Hedge-Fonds ausgesprochen hatten und unbeirrt auf die Selbstregulierungskräfte des Marktes setzten, ist ausgerechnet Charlie McCreevy. Der Ire hat als EU-Binnenmarktkommissar eine wirtschaftspolitische Schlüsselposition in Brüssel inne. Die Stimmen werden immer lauter, die Kommissionspräsident José Manuel Barroso dazu auffordern, McCreevy auf einen anderen Posten zu beordern, wo er weniger Schaden anrichten kann. Mit seiner Benennung in die vor wenigen Tagen geschaffene »Lenkungsgruppe« zur Finanzkrise habe Barroso »den Bock zum Gärtner« gemacht, schimpft etwa die grüne Europaabgeordnete Heide Rühle. Der Ire sei mit verantwortlich dafür, »dass wir auf europäischer Ebene bis heute keine funktionierende Finanzmarktaufsicht haben«.

Die Luft wird dünn für McCreevy und es ist durchaus möglich, dass sich Barroso – spätestens nach dem Gipfel – dem Druck beugen wird. »Der Mann ist in diesem Ressort nicht mehr zu halten«, erklärte der Fraktionschef der europäischen Sozialdemokraten, Martin Schulz. Man dürfe nicht jene, die das Feuer legten, anschließend in die Feuerwehr berufen.

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