»Spielverlängerung« bei europäischer Verfassung - Kommissionspräsident stellte Ideen zur Zukunft der EU vor
Das europäische Vertragswerk bleibt Stückwerk. Auch nach der Pressekonferenz von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch ist völlig unklar, welche Schritte nach der so genannten Reflexionsphase, die nach der Ablehnung durch die Bürger Frankreichs und der Niederlande eingeleitet wurde, nun eigentlich folgen sollen. Ein Konzept liegt nicht auf dem Tisch. Barroso begnügte sich mit allgemein gehaltenen Durchhalteparolen und warb für mehr Zeit.
Die Mitteilung der Kommission ließ keine neuen Grundzüge erkennen, was die Zukunft der Verfassung betrifft. Im Gegenteil. »Wir brauchen einfach mehr Zeit«, betonte der Kommissionspräsident mehrfach und wirkte bei seinem Versuch, den Vorgang mit einem Fußballspiel zu vergleichen, eher hilf- und ratlos. Man habe jetzt »eine Spielverlängerung in Bezug auf diese Frage«, sagte er. Und wenn man aus der Sackgasse herauskommen wolle, in der man sich befinde, dann müsse eben Zeit gewonnen werden.
Dies sieht der Chef der europäischen Sozialdemokraten, Poul Nyrup Rasmussen, beispielsweise völlig anders. Die Reflexionsperiode dürfe nicht zu einer »Siesta« ausgeweitet werden, forderte er. Barrosos Kommission müsse die Debatte anheizen, anstatt die allgemeine Lethargie zu fördern.
Bisher haben 15 EU-Mitgliedsländer, zuletzt am vergangenen Dienstag das estnische Parlament mit nur einer Gegenstimme, die Verfassung ratifiziert. Barroso rechnet auch mit einem klaren »Ja« in Finnland, das in Kürze über das Dokument abstimmen wird (siehe unten stehenden Beitrag). Ob am Ende der europaweiten Diskussion der bisherige Verfassungstext, abgeänderte Grundzüge oder ein anderer Wortlaut stehen wird, sei völlig offen, sagte der Kommissionspräsident. Schließlich ließ er sich noch den Satz entlocken, dass er nicht sagen könne, ob es am Ende der noch einige Jahre andauernden Debatte überhaupt eine Verfassung geben werde. Er hoffe allerdings, dass es bis zum Ende der Amtszeit seiner Kommission und des EU-Parlaments im Jahr 2009 einen Nachfolgevertrag für Nizza, den Barroso als »institutionelle Neuordnung« bezeichnete, geben wird.
Und noch in einem anderen Punkt wird Barroso seine Rechnung ohne die Staatschefs der 25 Mitglieder machen müssen: In Fragen der Sicherheit, wie Terrorismusbekämpfung, Grenzschutz, Asylpolitik und Polizeiarbeit, die bisher fast ausschließlich Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten waren, beansprucht er für die EU offenbar größere Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse. Zwar gab er dies nicht offen zu, doch läuft sein Werben dafür, dass in diesem Bereich endlich die »Gemeinschaftsmethode zum Tragen« kommen müsste, darauf hinaus.
Die EU-Kommission habe über ein Jahr benötigt, »um zu begreifen, dass sich die EU nach den gescheiterten Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden deshalb in einer tiefen Sinn- und Zweckkrise befindet«, weil das Vertrauen der Menschen in diese europäische Politik rapide abgenommen habe, sagte die Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Sylvia-Yvonne Kaufmann. »Sie nehmen die erweiterte EU nicht als Zugewinn, sondern als eine zusätzliche Bedrohung ihrer sozialen Existenz wahr. Für sie ist die EU bürgerfern und bürokratisch.« Auch die Antwort, die die EU-Kommission als so genannte Hüterin der Verträge auf die zentrale Frage gebe, wie es mit dem EU-Verfassungsvertrag weitergehen soll, sei weder schlüssig noch vorwärts weisend, kommentierte Kaufmann. Hier verstecke sie sich zum einen hinter dem Rücken der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten und präsentiere zum anderen zugleich die höchst merkwürdige Idee eines von der Verfassung abgekoppelten »Konzepts zur künftigen Regelung der institutionellen Fragen«.
Mehrfach hatte sich Barroso Argumente zurechtgelegt, um sofort Vorwürfe zum Aufbau eines neoliberalen Europas der Unternehmer entkräften zu können. Er sprach von den Erfolgen des europäischen Binnenmarktes, der bis Ende nächsten Jahres einer »umfassenden Revision« unterzogen werde. Und er erinnerte an die Vereinheitlichung von Gebühren für Handytelefonate im Ausland, die als Beweis dafür herhalten musste, dass die »großen Vorteile des Binnenmarktes den Verbrauchern nutzten«.
Eher schwammig war auch die Ankündigung des Kommissionspräsidenten, eine »Europäische Berechtigungskarte« einführen zu wollen. Mit dem Kärtchen, dass, so Barroso, nicht mit einem Personalausweis vergleichbar sein soll, werde den EU-Bürgern im gesamten europäischen Raum Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zu Sozial- und Gesundheitsleistungen verschafft. Dies seien aber nur »erste Gedanken«, schränkte er ein. Inwieweit derlei Ideen praktikabel und mit dem Vorhaben kompatibel sind, den Bürokratieabbau in der EU zu forcieren, sagte Barroso allerdings nicht.
Die Mitteilung der Kommission ließ keine neuen Grundzüge erkennen, was die Zukunft der Verfassung betrifft. Im Gegenteil. »Wir brauchen einfach mehr Zeit«, betonte der Kommissionspräsident mehrfach und wirkte bei seinem Versuch, den Vorgang mit einem Fußballspiel zu vergleichen, eher hilf- und ratlos. Man habe jetzt »eine Spielverlängerung in Bezug auf diese Frage«, sagte er. Und wenn man aus der Sackgasse herauskommen wolle, in der man sich befinde, dann müsse eben Zeit gewonnen werden.
Dies sieht der Chef der europäischen Sozialdemokraten, Poul Nyrup Rasmussen, beispielsweise völlig anders. Die Reflexionsperiode dürfe nicht zu einer »Siesta« ausgeweitet werden, forderte er. Barrosos Kommission müsse die Debatte anheizen, anstatt die allgemeine Lethargie zu fördern.
Bisher haben 15 EU-Mitgliedsländer, zuletzt am vergangenen Dienstag das estnische Parlament mit nur einer Gegenstimme, die Verfassung ratifiziert. Barroso rechnet auch mit einem klaren »Ja« in Finnland, das in Kürze über das Dokument abstimmen wird (siehe unten stehenden Beitrag). Ob am Ende der europaweiten Diskussion der bisherige Verfassungstext, abgeänderte Grundzüge oder ein anderer Wortlaut stehen wird, sei völlig offen, sagte der Kommissionspräsident. Schließlich ließ er sich noch den Satz entlocken, dass er nicht sagen könne, ob es am Ende der noch einige Jahre andauernden Debatte überhaupt eine Verfassung geben werde. Er hoffe allerdings, dass es bis zum Ende der Amtszeit seiner Kommission und des EU-Parlaments im Jahr 2009 einen Nachfolgevertrag für Nizza, den Barroso als »institutionelle Neuordnung« bezeichnete, geben wird.
Und noch in einem anderen Punkt wird Barroso seine Rechnung ohne die Staatschefs der 25 Mitglieder machen müssen: In Fragen der Sicherheit, wie Terrorismusbekämpfung, Grenzschutz, Asylpolitik und Polizeiarbeit, die bisher fast ausschließlich Angelegenheiten der Mitgliedsstaaten waren, beansprucht er für die EU offenbar größere Kompetenzen und Entscheidungsbefugnisse. Zwar gab er dies nicht offen zu, doch läuft sein Werben dafür, dass in diesem Bereich endlich die »Gemeinschaftsmethode zum Tragen« kommen müsste, darauf hinaus.
Die EU-Kommission habe über ein Jahr benötigt, »um zu begreifen, dass sich die EU nach den gescheiterten Verfassungsreferenden in Frankreich und den Niederlanden deshalb in einer tiefen Sinn- und Zweckkrise befindet«, weil das Vertrauen der Menschen in diese europäische Politik rapide abgenommen habe, sagte die Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS und Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Sylvia-Yvonne Kaufmann. »Sie nehmen die erweiterte EU nicht als Zugewinn, sondern als eine zusätzliche Bedrohung ihrer sozialen Existenz wahr. Für sie ist die EU bürgerfern und bürokratisch.« Auch die Antwort, die die EU-Kommission als so genannte Hüterin der Verträge auf die zentrale Frage gebe, wie es mit dem EU-Verfassungsvertrag weitergehen soll, sei weder schlüssig noch vorwärts weisend, kommentierte Kaufmann. Hier verstecke sie sich zum einen hinter dem Rücken der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten und präsentiere zum anderen zugleich die höchst merkwürdige Idee eines von der Verfassung abgekoppelten »Konzepts zur künftigen Regelung der institutionellen Fragen«.
Mehrfach hatte sich Barroso Argumente zurechtgelegt, um sofort Vorwürfe zum Aufbau eines neoliberalen Europas der Unternehmer entkräften zu können. Er sprach von den Erfolgen des europäischen Binnenmarktes, der bis Ende nächsten Jahres einer »umfassenden Revision« unterzogen werde. Und er erinnerte an die Vereinheitlichung von Gebühren für Handytelefonate im Ausland, die als Beweis dafür herhalten musste, dass die »großen Vorteile des Binnenmarktes den Verbrauchern nutzten«.
Eher schwammig war auch die Ankündigung des Kommissionspräsidenten, eine »Europäische Berechtigungskarte« einführen zu wollen. Mit dem Kärtchen, dass, so Barroso, nicht mit einem Personalausweis vergleichbar sein soll, werde den EU-Bürgern im gesamten europäischen Raum Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zu Sozial- und Gesundheitsleistungen verschafft. Dies seien aber nur »erste Gedanken«, schränkte er ein. Inwieweit derlei Ideen praktikabel und mit dem Vorhaben kompatibel sind, den Bürokratieabbau in der EU zu forcieren, sagte Barroso allerdings nicht.
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