Montag, 14. Mai 2007

ÖPNV auf neuen Wegen


Nach einem siebenjährigen Gesetzgebungsverfahren haben sich das Europäische Parlament (EP) und der Rat jetzt in Brüssel auf die Revision der EU-Verordnung über Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr (ÖPNV) geeinigt. Die Neuregelung wurde am Donnerstag durch das Europaparlament in Brüssel bereits nach der zweiten Lesung verabschiedet.

Mehr als fünf Jahre hat das EP auf den gemeinsamen Standpunkt des Ministerrates warten müssen, nun assistierte Berichterstatter Erik Meijer von der linken Fraktion GUE/NGL sogar »ein hohes Maß an Übereinstimmung« zwischen den Auffassungen des Parlaments in erster Lesung sowie der Kommission und des Ministerrats. Demnach können die Kommunen künftig entscheiden, ob sie ÖPNV-Dienste selbst erbringen oder für den Wettbewerb öffnen wollen. Auch eine Direktvergabe, etwa an kleine und mittlere Unternehmen, soll möglich sein. Die Verordnung soll zwei Jahre nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten.

Der Verordnung zufolge können Städte und Regionen beschließen, selbst öffentliche Personenverkehrsdienste zu erbringen oder öffentliche Dienstleistungsaufträge direkt an eine rechtlich getrennte Einheit zu vergeben, über die sie die Kontrolle ausüben. Werden die Dienste Dritter in Anspruch genommen, muss ein wettbewerbsrechtliches Vergabeverfahren erfolgen. Dagegen können Aufträge, die entweder einen geschätzten Jahresdurchschnittswert von weniger als einer Million Euro oder eine jährliche öffentliche Verkehrsleistung von weniger als 300 000 Kilometer aufweisen, direkt vergeben werden. Entsprechend einem Änderungsantrag darf dieser Schwellenwert für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht mehr als 23 Fahrzeuge besitzen, bis auf 600 000 Kilometer oder einen geschätzten Jahresdurchschnittswert bis zu zwei Millionen Euro erhöht werden.

Die Laufzeit von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen soll nach dem Kompromisspapier auf höchstens zehn Jahre für Busverkehrsdienste und auf höchstens 15 Jahren für Personenverkehrsdienste mit der Eisenbahn oder anderen schienengestützten Verkehrsträgern begrenzt sein. Geltende Verträge können für ihre vorgesehene Laufzeit gültig bleiben, jedoch nicht länger als 30 Jahre. Die Übergangsfrist für die Anwendungen der neuen Bestimmungen wurde vom Parlament auf zehn Jahre festgesetzt.

Ausdrücklich gelobt wurde Berichterstatter Erik Meijer für den ausgehandelten Kompromiss von seinem Fraktionskollegen Helmuth Markov. Statt einem Verdrängungswettbewerb zu Gunsten privater Großunternehmen oder Lohnsenkungen und Arbeitsplatz unsicherheit Tür und Tor zu öffnen, gebe die EU hier einen gemeinsamen Rahmen vor, der einerseits dem Funktionieren dieser Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Union dient, anderseits es den kompetenten Entscheidungsträgern vor Ort überlässt, in welcher Form die Umsetzung erfolgt, sagte Markov. Entgegen einem Antrag der Linksfraktion sei den Mitgliedstaaten aber leider nicht vorgeschrieben worden, Arbeitnehmer gegen Lohnkürzungen und Entlassungen zu schützen, schränkte er ein.


Michael Cramer, Mitglied der Grünen im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments, kritisierte den Kompromiss als eine »tiefe Verbeugung der EU-Institutionen vor den nationalen Besonderheiten, die darauf hinausläuft, dass die verkrusteten Strukturen nicht wesentlich verändert werden«. Deutschland und Frankreich hätten etwa durchgesetzt, dass der schwere Eisenbahnverkehr von Regional- und S-Bahnen von dieser Verordnung ausgenommen wird. Die öffentlichen Verkehrsunternehmen von Bus, U- und Straßenbahnen hätten erreicht, dass einerseits die großen kommunalen Verkehrsbetriebe in den Großstädten per Direktvergabe weiter bedient werden können und andererseits die Marge für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) so hoch gesetzt wurde, dass z.B. in Deutschland fast 80 Prozent der Verkehrsdienste von dieser Verordnung überhaupt nicht erfasst werden.

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