Freitag, 13. April 2007

Fußballkarten und Aufsichtsratsposten


Die EU-Parlamentarier sind angehalten, ihre finanziellen Interessen jährlich aufzuschlüsseln und auf der Parlaments-Website zu veröffentlichen. Einige deutsche Abgeordnete nehmen es damit offensichtlich nicht so genau. Andere füllen die Fragebögen nicht aus oder verzögern die Abgabe.

Der wohl prominentestete »Verzögerer« ist der grüne EU-Abgeordnete Cem Özdemir. Der 41-jährige Sozialpädagoge ist Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und hat mit den Forderungen nach mehr Transparenz schon seine eigenen bitteren Erfahrungen machen müssen. Vor fünf Jahren stolperte Özdemir nämlich über die sogenannte Hunziger-Affäre. Der PR-Profi soll dem damaligen Bundestagsabgeordneten Özdemir ein Darlehen über 80 000 Mark gewährt und den beliebten Politiker für die Teilnahme an Veranstaltungen bezahlt haben. Özdemir musste sein Mandat niederlegen – und ging nach Brüssel.

Özdemir ist durchaus bekannt, dass es auch dort eine Offenlegungspflicht gibt. Inzwischen ist seine »Erklärung der finanziellen Interessen« veröffentlicht. Unverständlich bleibt aber, warum der diesbezüglich gezeichnete grüne Abgeordnete sich zur Abgabe des Formulars regelrecht tragen lassen musste und damit sein politisches Ansehen aufs Spiel setzt.
Nach wie vor gehört dem Klub der Säumigen die 60-jährige Christdemokratin Godelieve Quisthoudt-Rowohl an, die als stellvertretende Vorsitzende des Handelsausschusses tätig ist. Auch ihre Fraktionskollegen Kurt Joachim Lauk und Karsten Friedrich Hoppenstedt haben bislang das Dokument nicht öffentlich gemacht.

Allerdings geben auch einige Auskünfte von Parlamentariern Rätsel auf. So ist auf dem Formular des christdemokratischen Schwergewichts Elmar Brok zu lesen, dass er »nebenberuflich« als Senior Vicepresident Media Development der Bertelsmann AG tätig ist. Eigenartigerweise will Brok, der von 1999 bis Januar dieses Jahres den Vorsitz des außenpolitischen Ausschusses innehatte, keinen Cent bei Bertelsmann für sein Engagement erhalten haben. Auch die Vorwürfe eines möglichen parlamentarischen Interessenkonflikts kontert Brok schon mehr als zwölf Jahre lang kontinuierlich: Er enthalte sich bei Abstimmungen zu Gesetzesvorlagen, die die Medienindustrie betreffen, seiner Stimme.
Kaum Zeit für seinen Job im Parlament scheint der Unternehmer Vural Öger (SPD) zu haben, der gleich mehrere hochdotierte Posten in den eigenen Touristikunternehmen angibt, die er gegen Entgelt bekleidet. Dagegen könnte die Auskunft des Abgeordneten Alexander Radwan (CSU), er habe im vergangenen Jahr als materielle Zuwendung im Rahmen seiner politischen Tätigkeit eine Einrittskarte zur Fußball-WM durch den FC Bayern München erhalten, geradezu Ögers Mitleid erregen.

Der 34-jährige Andreas Schwab (CDU) ist nebenher immer noch als Rechtsanwalt tätig, sein Fraktionskollege Thomas Ulmer gab an, als Allgemeinarzt zu arbeiten und nebenbei auch als Vize-Aufsichtsrat der Volksbank eG in Mosbach. Für beide Positionen will Ulmer kein Entgelt bekommen haben. Auch Karl von Wogau (CDU) gibt an, in der Sozietät des Grafen von Westphalen in Freiburg zu schaffen, allerdings auch ohne Bezahlung. Dagegen erzielt der CSU-Abgeordnete Alfred Dess in der Genossenschaft Bauernland in Nürnberg für seine Vorstandsarbeit nach eigener Auskunft zusätzliche Einnahmen.

Über den Wert von derlei Auskünften gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ein Mitarbeiter der Verwaltung des EU-Parlaments zweifelt an, dass man auf die ausgefüllten Bögen überhaupt einen Pfifferling geben kann. Wer etwas zu verbergen habe, der werde sich mit einem solchen Papier kaum selber an den Pranger stellen, sagte er gegenüber ND. Außerdem besäßen die Fragebögen ohnehin keinen juristischen Wert: Kaum ein Abgeordneter habe seine eigenen Angaben mit seiner Unterschrift quittiert.

Zitiert:
Laut Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments (Anlage 1, Artikel 2) muss ein Register geführt werden, »in dem jedes Mitglied persönlich und genau folgendes angibt:
a) seine beruflichen Tätigkeiten sowie alle sonstigen gegen Entgelt ausgeübten Funktionen oder Tätigkeiten,

b) jegliche finanzielle, personelle oder materielle Unterstützung, die dem Mitglied zusätzlich zu den vom Parlament bereitgestellten Mitteln im Rahmen seiner politischen Tätigkeit von Dritten gewährt wird, wobei die Identität dieser Dritten anzugeben ist.
Die Mitglieder versagen sich bei der Ausübung ihres Mandats die Annahme aller anderen Geschenke oder Zuwendungen.

Die Erklärungen (...) müssen jährlich auf den neuesten Stand gebracht werden.«(ND)

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