Freitag, 15. Juni 2007

Selbstbeschränkung gegen Übergewicht


Über 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der EU sind übergewichtig. Darüber hinaus sind laut Brüsseler Experten 21 Millionen Kinder zu dick, und jährlich kommen rund 400 000 hinzu. Doch die EU-Kommission legte das Vorhaben auf Eis, neue Regelungen für die Lebensmittelindustrie zu erlassen. Sie hofft auf freiwillige Selbstbeschränkungen.

Am Ende war es nicht viel mehr als der erhobene Zeigefinger, den EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou (Foto: EU-Kommission) der Lebensmittelindustrie zeigte. Eine gesetzliche Regelung für die Kennzeichnung von Lebensmitteln wird es vorerst nicht geben. Die EU-Kommission hofft auf eine Selbstbeschränkung der Hersteller, doch sollte das System nichts bringen, dann wolle Brüssel im Zusammenwirken mit den Mitgliedstaaten spätestens ab 2010 strenge Auflagen erlassen.

Um das wachsende Gesundheitsrisiko durch Übergewicht und Fettleibigkeit einzuschränken, sollen die Lebensmittelhersteller freiwillig den Anteil von Zucker, Fett und Salz in ihren Produkten reduzieren. Außerdem soll die Werbung für ungesundes Essen eingeschränkt werden, und auf den Produktverpackungen soll ein Hinweis auf den Nährwert zu finden sein. Kyprianou kündigte zudem an, auch die bisherige Kennzeichnungspflicht auf den Prüfstand stellen zu wollen.

Auf den ersten Blick scheint die Drohung Kyprianous tatsächlich gefruchtet zu haben: Einige große Konzerne wie Nestlé und Unilever gingen in diesen Tagen in die Offensive, denn sie wollen künftig umfangreiche Angaben zu Nährwerten schon auf der Vorderseite ihrer Produktverpackungen aufdrucken. Inzwischen haben sich nach Angaben des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) auch Kellogg's, Coca-Cola, Danone, Kraft, Pepsico, Masterfoods und Campbells angeschlossen.

Verbraucherschützer indes kritisieren die Konzerne. Das sei kein »wirklicher Durchbruch«, bemängelt Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von Foodwatch, sondern lediglich eine Strategie der »Vorwärtsverteidigung«, mit deren Hilfe strengere Regeln der EU verhindert werden sollen. Seine Organisation favorisiert stattdessen ein Ampelsystem: Produkte mit hohem Fett- oder Zuckergehalt sollten einen roten Punkt, Lebensmittel mit geringeren Anteilen einen grünen Punkt erhalten.
Dagegen sträubt sich aber die Industrie. Auch der Bundesverband Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) hatte zu hohe Erwartungen gedämpft, die an die Auszeichnung von Lebensmitteln geknüpft werden. »Wir werden dadurch nicht zu einem Volk von Schlanken«, argumentierte BDEM-Präsident Udo Rabast. Gleichgültige Konsumenten ließen sich davon nicht beeinflussen, ein Ampelsystem sei nicht hilfreich. Der Kritik schloss sich die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten an, die das Ampelsystem als »eine verkürzte, teilweise oberflächliche Darstellung« bezeichnete. Die Gewerkschaft forderte die Einführung eines Unterrichtsfachs Ernährung an den Schulen.

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