Freitag, 20. Juli 2007

Absage an »direkte Demokratie«

Der portugiesische Ministerpräsident und amtierende Ratsvorsitzende der Europäischen Union, José Sócrates, forderte die EU-Staaten auf, die beim Juni-Gipfel erzielte Einigung über einen Reformvertrag nicht zu ändern.

Die Tagungswoche im Europaparlament in Straßburg stand ganz im Zeichen der Anfang Juli angelaufenen portugiesischen Ratspräsidentschaft und der in Kürze beginnenden Regierungskonferenz zu einem EU-Grundlagenvertrag. Das Mandat dieser Konferenz sei klar, betonte Portugals Premier Sócrates am Mittwoch vor den Abgeordneten. »Wir müssen das in einen Vertrag ummünzen«, sagte er bei der Präsentation des Programms der Lissabonner EU-Präsidentschaft.

Der erste Entwurf für den Reformvertrag werde zunächst dem Rat der Außenminister präsentiert, kündigte Sócrates an. Dieser werde am 7. und 8. September beurteilen, wie weit die Arbeiten vorangekommen sind. Ziel der Präsidentschaft sei es, die »Vereinbarung über den Vertrag für den Gipfel in Lissabon am 17. und 18. Oktober zu schmieden«.
Sócrates sprach sich in Straßburg außerdem deutlich gegen Referenden zum EU-Grundlagenvertrag in den einzelnen Mitgliedstaaten aus. Die Ratifizierung sei zwar ein nationalstaatliches Problem, doch er sei dagegen, »direkte Demokratie gegen die repräsentative Demokratie anzuwenden«, sagte er. Schließlich würden die Abgeordneten »im Namen des Volkes« sprechen.

Als Prioritäten der portugiesischen Präsidentschaft bezeichnete Sócrates neben der Reform der Verträge die Stärkung Europas in der Welt sowie die »Modernisierung der Wirtschaften und Gesellschaften«. Europa müsse mehr in seine Modernisierung investieren, wobei man das »Gleichgewicht aus Wirtschaft, Sozialem und Umwelt« beibehalten werden müsse. Es sei auch wichtig, dass Europa seine Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel behalte. Absicht sei es zudem, die polizeiliche und juristische Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus und die organisierte Kriminalität zu stärken. Darüber hinaus sprach sich Sócrates für eine europäische Einwanderungspolitik aus, die den Kampf gegen illegale Immigration mit der Integration legaler Einwanderer verbinden müsse.

Die portugiesische Europaabgeordnete und Vizechefin der linken GUE/NGL-Fraktion, Ilda Figueiredo, bedauerte, dass mit der Debatte wieder eine Gelegenheit verloren gegangen sei, »die ernsten wirtschaftlichen Probleme auf den Tisch zu bringen«. Armut betreffe noch immer Millionen Europäer. Darum dürfe es keine »ungebremste Liberalisierung« geben. »Die heilige Kuh Wettbewerb ist alles, was zählt, und das ist im Interesse der Großfinanz«, kritisierte Figueiredo. Sie bezweifelte, dass die vom Brüsseler Reformgipfel angemahnte »Flexicurity« der richtige Weg sei, um diese Situation zu ändern. Stattdessen müsse die Demokratie vertieft und eine gerechtere Verteilung der Einkommen erreicht werden.

GUE/NGL-Fraktionschef Francis Wurtz sprach in der Debatte zur Regierungskonferenz von einer »suspekten Gestaltung des Zeitplanes« und einer »panischen Angst vor eventuellen Referenden«. Auch im künftigen Vertrag würden die liberalen Wirtschafts-strukturen, Bankenwettbewerb, Freihandel und freier Kapitalverkehr nicht angetastet. Außerdem behalte die Charta der Grundrechte ihre »schweren Lücken« bei. Auch die Bestimmungen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik würden einfach weitergeführt.

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