Freitag, 30. Juni 2006

EU kämpft gegen Drogen – in den Anden

Mit einer breit angelegten Kampagne will Brüssel den Drogenmissbrauch in der Europäischen Union bekämpfen. Ins Visier sind dabei auch Staaten außerhalb der EU geraten.

Der Vizepräsident der EU-Kommission, Franco Frattini, hat einen verstärkten Kampf gegen Drogen und gegen jene angekündigt, »die die Jungen ausbeuten, indem sie diese zum Drogenmissbrauch verleiten«. Frattini will seinen Feldzug vor allem gegen die klassischen Anbauländer intensivieren und in der Rauschgiftszene »Netze zerstören und ausrotten«.
So schießt Europa große Geldsummen in die so genannten Drittländer. Man habe die Unterstützung der Bekämpfung des Drogenhandels in den vergangenen drei Jahren fast verdoppelt, betonte Frattini. Allein im vergangenen Jahr hätten die Mitgliedstaaten und die Kommission außerhalb Europas Projekte mit mehr als 500 Millionen Euro gefördert. Dabei habe der Schwerpunkt auf Afghanistan und Lateinamerika gelegen. Insbesondere in alternative Entwicklungsprojekte zur Verringerung des Anbaus von Kokapflanzen in den Andenländern sei das Geld geflossen.

Tatsächlich konnte kürzlich der Chef der UN-Behörde für Drogen und Kriminalität (UNODC), Antonio Maria Costa, bei der Vorstellung des Weltdrogenberichts 2006 erstmals nach einem Vierteljahrhundert einen Rückgang des Konsums illegaler Rauschmittel konstatieren. Dazu beigetragen hätten vor allem die Erfolge der Anti-Drogen-Kämpfer im Goldenen Dreieck von Laos, Myanmar (Burma) und Thailand. Allein Laos, bis Mitte der 90er Jahre drittgrößter Opiumproduzent der Welt, habe 2005 seine Schlafmohnproduktion um 72 Prozent reduziert.

Cannabis bleibt nach Angaben der UNODC die meistverbreitete Droge der Welt. Etwa 200 Millionen Menschen zwischen 15 und 64 Jahren konsumierten 2004 mindestens einmal eine illegale Droge, davon 162 Millionen Personen Cannabis. In Europa folgt auf Platz zwei nach dem aus Hanf hergestellten Rauschgift, das von rund 12 Millionen Menschen konsumiert wird, Ecstasy. Nach Angaben der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht greifen in einigen Mitgliedstaaten bis zu acht Prozent der jungen Menschen regelmäßig zu dieser synthetischen Droge. Insgesamt sterben in der EU jährlich mehr als 8 000 Menschen, hauptsächlich junge Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, an einer Überdosis, sagte Frattini. Schätzungen zufolge liegt die tatsächliche Zahl der drogenbedingten Todesfälle aber etwa dreimal so hoch, da nicht alle Todesfälle gemeldet oder aufgeklärt werden.

In den ersten zwei Jahren des laufenden EU-Programms für Öffentliche Gesundheit wurden mehr als 4,1 Millionen Euro unmittelbar für drogenbezogene Projekte aufgewendet, erklärte EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou ergänzend. Vorrangig gefördert wurden u.a. Präventionsprogramme und bewährte Vorgehensweisen bei der Behandlung und der gesellschaftlichen Wiedereingliederung Drogenabhängiger. Kyprianou räumte allerdings ein, dass vor allem der Drogenmissbrauch in europäischen Haftanstalten kaum mehr in den Griff zu bekommen sei.

Auch Frattini wird es nicht ganz leicht haben, seine Pläne zur praktischen Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedsstaaten bei der Drogenbekämpfung durchzusetzen. Natürlich bekam der Vize-Kommissionschef die Frage gestellt, wie er denn die Rolle der Niederländer beurteile. Denn vom Kampf gegen Drogen in den EU-Ländern selbst sei bezeichnenderweise keine Rede gewesen. Die Niederlande gilt als Drehscheibe im Rauschgifthandel, hat tausende Shops, in den Drogen legal erworben werden können und dürfte wohl der größte Haschisch- und Cannabisproduzent in Europa sein. Frattini flüchtete sich in den Hinweis, dass jedes Mitglied »natürlich das Gesetz beachten« müsse. Etwas klarer wurde er mit der Bemerkung, dass »die Möglichkeit, europaweit einzuschreiten, begrenzt ist«. Schließlich wurde Frattini ganz deutlich: »Meine persönliche Meinung ist restriktiv, aber ich habe keine Macht.«

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