Freitag, 23. Juni 2006

Würfe mit Mozartkugeln - Die Bilanz der österreichischen EU-Präsidentschaft fällt mager aus

Österreichs Regierungschef Wolfgang Schüssel musste am Dienstag im Europäischen Parlament bei der Debatte über die Ergebnisse des jüngsten EU-Gipfels und über den Ratsvorsitz ein Wechselbad der Gefühle erdulden. Neben zahlreichen Lobeshymnen gab es auch heftige Kritik aus der parlamentarischen Opposition.

Die Vorwürfe, die sich Schüssel gefallen lassen musste, waren zum Teil sehr derb. Schüssels »Landsfrau« Eva Lichtenberger (Grüne) sprach etwa davon, dass es im vergangenen halben Jahr »außer Showelementen« überhaupt nur sehr »magere Resultate« gegeben habe. Dagegen sei »mit Mozartkugeln geradezu herumgeworfen« worden, meinte sie in Anspielung darauf, dass die Regierungschefs bei der Ankunft zu den Gipfeltreffen unter österreichischer Ratspräsidentschaft mit derlei Köstlichkeiten bei Laune gehalten wurden.
Die kritischen Abgeordneten benannten zudem die Punkte, die unter Schüssels halbjähriger Regentschaft unterbelichtet geblieben sind: In der Verfassungsdiskussion habe sich Österreich »mit einer Lightversion von Debatten zufrieden« gegeben, meinte Eva Lichtenberger. SPÖ-Delegationsleiterin Maria Berger erinnerte an die starken Kürzungen im europäischen Sozialfonds, zudem habe es keine Fortschritte bei der Arbeitszeitrichtlinie gegeben. Nicht zuletzt seien die Beschäftigungsziele, jährlich zwei Millionen zusätzliche Jobs bis 2010 schaffen zu wollen, »so bescheiden, dass sie durch die Realität schon überholt worden sind«. Schüssel habe die »Latte so niedrig gelegt, dass man nicht darüber stolpern kann«. Andere Redner verwiesen auf weiter fehlende Initiativen der Ratspräsidentschaft bei Frauenpolitik, Gleichstellung und Entwicklungspolitik.

Die Abgeordnete Gabriele Zimmer, die sich als Rednerin der Linksfraktion im Europäischen Parlament zu Wort gemeldet hatte, verwies zunächst auf einen positiven Aspekt, nämlich, dass der Rat in der Vorwoche beschlossen hatte, künftig in Mitentscheidungsverfahren öffentlich zu tagen. Damit komme das Gremium endlich einer wichtigen Forderung ihrer Fraktion nach, sagte sie. Doch konterkarierten die Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten diesen Vorstoß gleich wieder selbst, indem sie genau das Gegenteil von Nachdenklichkeit, Einsicht und Korrektur bisheriger Politik den EU-Bürgern verkünden würden.

Zimmer bezog sich in ihrer Kritik auf die »Schlussfolgerungen des Vorsitzes«, die unter den Überschriften »Europa hört zu«, »Europa handelt« und »Ausblick in die Zukunft« veröffentlicht wurden. Mit »Europa« seien demnach die in der EU Regierenden gemeint, nicht etwa alle in der EU lebenden Menschen, argumentierte sie. Eben diese Regierenden »setzen ihre bisherige Politik fort und dabei auf ein ›schneller, weiter, besser‹ in der Umsetzung«. Tatsächlich würden aber so die sozialen, ökologischen und globalen Probleme zugespitzt. Und unter dem Begriff »Zukunft« werde einzig und allein verstanden, den »Herausforderungen der Globalisierung und des demographischen Wandels« zu entsprechen und erfolgreich die Lissabon-Strategie umzusetzen.

Als besonders alarmierend bezeichnete es die deutsche Abgeordnete, dass unter der Zwischenüberschrift »Förderung von Freiheit, Sicherheit und Recht« nun Maßnahmen überwiegen, »die auf mehr Überwachung, mehr Repression, mehr Abschottung bzw. auf eine Festung Europa zielen, auf die Durchsetzung einer Migrationspolitik, in deren Mittelpunkt eben der Mensch als Wirtschaftsgut steht«. Die Antwort des Rates auf die Flüchtlingsdramen im Mittelmeerraum sei nun die Schaffung so genannter »schneller Grenzeinsatzteams« gewesen.

Dass sich an diesem Kurs unter der kommenden finnischen Ratspräsidentschaft etwas ändern wird, ist kaum zu erwarten. Dagegen hofft Helsinki darauf, die Fortsetzung des EU-Verfassungsprozesses einleiten zu können. Das hatte die finnische Präsidentin Tarja Halonen am Dienstag nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin deutlich gemacht. Nach der sechsmonatigen Ratspräsidentschaft Finnlands übernimmt Deutschland am 1. Januar 2007 die EU-Führung.

Ein weiterer Schwerpunkt der EU-Politik unter der Ägide Helsinkis wird die künftige Energieversorgung Europas sein. Angesichts der Abhängigkeit von Öl- und Gas-importen müsse die EU eine gemeinsame Strategie entwerfen, sagte Halonen. In diesem Zusammenhang sollten auch die Beziehungen zu Russland auf eine festere Grundlage gestellt werden.

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