Montag, 12. März 2007

Spaltfrage Atomenergie

Auf dem EU-Gipfel in Brüssel konnte sich Angela Merkel durchsetzen. Dem Beschluss auf eine 20-prozentige Reduzierung der Treibhausgase bis zum Jahr 2020 waren kontroverse Debatten vorausgegangen.

Die amtierende EU-Ratspräsidentin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, sprach von einer Übereinstimmung, die von den Mitgliedern gewünscht worden sei und Europa nun in die Lage versetze, eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz zu übernehmen. Kontrovers diskutiert wurden dagegen verbindliche Ziele bei den erneuerbaren Energien, die Merkel als Innovation bezeichnete und mit deren Hilfe Europa nun zum »Exporteur neuer Technologien« werden könne.

Bereits im Vorfeld hatte die deutsche Kanzlerin versucht, Einfluss auf die Haltung des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac zu nehmen, der sich wie die polnischen und tschechischen Teilnehmer dagegen sperrte, derart verbindliche Ziele festzuschreiben. Vor allem beim Thema Kernenergie machte Chirac unmissverständlich klar, dass diese bei einer Regelung zu erneuerbaren Energien eine besondere Rolle spielen und als besonders klima-freundlich gewürdigt werden müsse. Am liebsten wäre es dem Franzosen gewesen, wenn die Produktion von Atomstrom in die Gesamtbilanz für erneuerbare Energien aufgenommen worden wäre.

Ob sich Chirac am Ende mit seiner Forderung durchsetzen könnte, blieb in der Nacht zum Freitag noch offen, als Merkel sich zur Zwischenbilanz des Gipfels äußerte. Die Kernenergie spiele in der Frage der Gesamtreduktion eine Rolle, räumte sie ein, und werde also bei der nationalen Beurteilung eines richtigen Energiemix berücksichtigt. Mit der Bilanz der erneuerbaren Energien könne sie hingegen nichts zu tun haben, betonte Merkel. Kernenergie und erneuerbare Energien seien »unterschiedliche Technologien, die nicht miteinander verrechnet werden« könnten. Chiracs Versuch, die Themen »gewinnbringend« zu vermischen, gehe nicht auf, meinte Merkel noch in der Halbzeitbilanz.

Neben Frankreich machten auch Tschechien und Bulgarien unmissverständlich klar, dass sie weiter an der Kernenergie festhalten wollen. Die Regierungschefs Mirek Topolanek und Sergej Stanischew hatten erklärt, dass sie Atomstrom für eine umweltfreundliche Energiequelle halten, die zugleich wesentlich zur Versorgungssicherheit der EU beitrage. Dagegen hatte der schwedische Staatschef Fredrik Reinfeldt bereits zu Beginn der Verhandlungen gefordert, die geplante Senkung des Kohlendioxid-Ausstoßes nicht mit der Hilfe der Kernenergie zu erreichen.

Die Staats- und Regierungschefs verständigten sich in Brüssel zudem über die sogenannte Berliner Erklärung, mit der die EU auf einem Sondergipfel in der deutschen Hauptstadt am 25. März an die Gründung der Gemeinschaft vor 50 Jahren erinnern will. Es gebe »völliges Einvernehmen« unter den Mitgliedsstaaten, dass sich die Erklärung so »an die Menschen wenden« soll, dass sie von ihnen auch »verstanden« wird. In dem Dokument sollen sich u.a. die Komplexe »gemeinsame Wertebasis«, EU-Erweiterung und europäisches Sozialmodell wiederfinden. Auf die Frage eines Journalisten, ob denn ein Schriftsteller an der Ausarbeitung der Erklärung beteiligt werde, antwortete Merkel, dass mit Hans Magnus Enzensberger, der das zweifellos könne, noch nicht gesprochen worden sei.

Die Europaabgeordnete der Linkspartei Gabriele Zimmer hatte bereits vor dem Treffen in Brüssel die ungenauen oder fehlende Aussagen Merkels kritisiert, die eine Neuorientierung der EU auf eine soziale Union einleiten und verbindliche soziale und ökologische Mindeststandards festlegen könnten. »Mit Blick auf die Äußerungen der Regierungschefin zur Belebung des europäischen Verfassungsprozesses und die Benennung eines Zeitplans für seine Umsetzung wiederholen wir unsere Position, dass eine EU-Verfassung tatsächlich eine demokratische, solidarische, soziale und friedliche Union ermöglichen muss«, hatte Zimmer geäußert. Merkel habe einen EU-weiten Volksentscheid prinzipiell abgelehnt. »Auch hierbei unterscheidet sie sich nicht von all jenen Europapolitikern, die zwar immer wieder Visionen verkünden wollen, aber dabei einfach die Bevölkerungen vergessen.«

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