Unmoralisches Angebot aus Europa
Auf einer europäisch-afrikanischen Konferenz zu Migration und Entwicklung verständigten sich Vertreter aller EU-Mitgliedstaaten in Paris mit 27 afrikanischen Staaten auf ein »neues Regelwerk« zur Zuwanderung. Dabei zeigte die Europäische Union lediglich altes Herangehen: Sie will durch eine Mischung aus Druck und Anreizen die legale Einwanderung einiger Erwünschter fördern und zugleich die Mitwirkung Afrikas am Ausbau der Wälle der Festung Europa erreichen. Darüber können auch blumige Worte der EU-Politiker nicht hinwegtäuschen.
Im Kern ist und bleibt es ein unmoralisches Angebot: Die EU bietet den afrikanischen Staaten Entwicklungshilfe an. Die soll aber an Abkommen geknüpft sein, mit deren Hilfe die Rückführung unerwünschter Migranten sichergestellt wird. Die Betonung liegt dabei auf »unerwünscht«, denn gleichzeitig erhalten alle in Europa knappen Fachkräfte nahezu freies Geleit. So werden Afrikas Staaten einerseits zu Erfüllungsgehilfen beim »Schutz der EU-Außengrenzen«, andererseits lassen sie eigene ökonomische Strukturen ausbluten.
Auf der Konferenz suchten europäische Politiker nach nebulösen Beschreibungen, um ihr Regelwerk in gutem Licht erscheinen zu lassen: Günter Gloser, Staatsminister im Auswärtigen Amt, erklärte etwa, dass legale Migration – gerade von Hochqualifizierten – den Ländern der EU helfen könne, »den demografischen Wandel und daraus reduzierenden Arbeitskräftemangel abzufedern«. Gleichzeitig sei sich die EU bewusst: »Kehrseite dieser Entwicklung kann ›Brain Drain‹ in den Entwicklungsländern« sein, sagte Gloser und warb für ein »aktives Management« der Migration.
Einen Teil dieses aktiven Managements kleiden die EU-Politiker in den Modebegriff der »zirkulären Migration«. Er bedeutet nach Ansicht der Organisationen Medico und Pro Asyl nichts anderes als eine neue Ära der alten Gastarbeiterpolitik mit Rückkehrzwang. Durch Rückübernahmeabkommen sollen die afrikanischen Staaten ihre Kooperationsbereitschaft bekunden, Flüchtlinge und Migranten im EU-Auftrag möglichst weit vor Europas Grenzen zu stoppen. Die Organisationen lehnen diesen Ansatz als »Eurozentrismus in partnerschaftlichem Gewande« ab. »Die Menschenrechte von Flüchtlingen bleiben dabei ebenso außer acht wie Flucht- und Migrationsursachen. Es geht nicht um die Rechte von Migranten, sondern um einen Handel zwischen Staaten: Beteiligung an der Abschottung gegen Gratifikationen in Form von ein paar Visa für selektive Immigration und entwicklungspolitischen Mittelflüssen«, sagt Martin Glase napp (Medico).
In den vergangenen Jahren sei die Bereitschaft gewachsen, das »Modell der Abschottung der Außengrenzen zu exportieren und sich zunehmend paramilitärischer Methoden zu bedienen«, bemerkt Bernd Mesovic (Pro Asyl). »Die Land- und Seemissionen der europäischen Grenzschutzagentur Fron tex sind ein schlagendes Beispiel dafür, dass die EU beim Versuch, die totale Kontrolle über Migrationsbewegungen zu erzwingen, kaum Skrupel kennt.« Dabei werde die EU-Südgrenze vor der Küste Mauretaniens ebenso »geschützt« wie – nach EU-Plänen – Libyens Südgrenze in der Sahara.