Montag, 26. Februar 2007

Streit um »Blaue Nelken«

Mehrere EU-Mitgliedstaaten haben den Import bestimmter Gentech-Pflanzen verboten, die die Kommission für ungefährlich hält.

Ein Antrag der EU-Kommission zur Aufhebung des ungarischen Import- und Verkaufsverbotes für gentechnisch veränderte Pflanzen hat im Umweltministerrat vergangene Woche keine Mehrheit gefunden. Es geht um »Blauen Nelken«, deren Blütenfarbe durch gentechnische Veränderung entsteht. Sie werden von einer australischen Firma hergestellt und sollen als Schnittblumen auch auf dem ungarischen Markt verkauft werden. Nach ND-Informationen haben Spanien und Tschechien gegen die Aufhebung des nationalen Moratoriums gestimmt und damit die Position der Ungarn gestärkt. Damit darf das Land zunächst bis zum offiziellen Zulassungsverfahren der EU-Kommission sein Anbau- und Handelsverbot aufrecht erhalten.

Zuvor hatten die Regierungen Österreichs, Polens und Griechenlands ein nationales Anbauverbot für gentechnisch manipulierten Mais erlassen. Die Staaten begründen diese Maßnahme damit, dass die Risiken der Gentechnik nicht ausreichend erforscht seien. Die EU-Kommission scheiterte bei dem Versuch, Österreich zur Aufgabe des nationalen Moratoriums zu bewegen.

Nach Auffassung der Umweltorganisation Greenpeace handeln die Staaten, die sich gegen den Anbau und den Verkauf solcher Organismen wehren, nach dem Vorsorgeprinzip und damit im Interesse der Verbraucher. Gentechnik-Expertin Ulrike Brendel erinnert daran, dass einmal freigesetzte Pflanzen sich nicht wieder zurückholen lassen. Eine im Februar veröffentlichte Greenpeace-Untersuchung habe allein für 2006 weltweit zwei Dutzend Fälle belegt, bei denen Gentech-Pflanzen an Stellen gefunden wurden, wo sie nicht hingehörten. Ihr Brüsseler Kollege Marco Contiero verteidigt deshalb das Recht der EU-Länder, nationale Maßnahmen zu ergreifen, »wenn es Zweifel über die Sicherheit von genmanipuliertem Getreide oder Sorgen über Verunreinigungen von herkömmlichem Getreide gibt«.

Eine völlig andere Sicht auf die Dinge hat die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie (DIB). Solche Entscheidungen wie in Brüssel würden sowohl die wissenschaftliche Autorität der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als auch das Vertrauen der Wirtschaft in die EU-Verfahren zur Regulierung von gentechnisch veränderten Produkten untergraben. Die EFSA hatte die Pflanzen als sicher für Mensch, Tier und Umwelt bewertet. Auf dieser Grundlage sei sie von der EU-Kommission für ganz Europa zugelassen worden, argumentierte deren Chef Bernward Garthoff. Nun werde der gesellschaftliche Konsens aufgekündigt, Zulassungsfragen auf der Grundlage von wissenschaftlichen Fakten zu entscheiden.

Gerade diese vermeintlichen Fakten zweifelt Greenpeace an und weist auf die deutsche Rolle hin: Während andere europäische Länder wegen berechtigter Bedenken gegen den Anbau von Gen-Mais dessen Aussaat verbieten, solle er auf den Äckern in Deutschland dieses Jahr wieder wachsen, erklärte Brendel. Nötig sei ein Verbot genmanipulierter Organismen.

Mittwoch, 14. Februar 2007

Abzocke bei Roaming-Gebühren

Vor einem Jahr hatte EU-Kommissarin Viviane Reding (Foto: EU-Kommission) zum Angriff auf die hohen Roaming-Gebühren der Mobilfunkbetreiber geblasen. Den Verbrauchern versprach sie, bereits 2007 beruhigt in die Sommerferien fahren zu können. Tatsächlich sind die Kosten für Handy-Gespräche im Ausland in eher geringem Maße gesunken.

Eine dieser Tage in Brüssel vorgestellte Studie des europäischen Verbraucherschutzverbands BEUC sowie der französischen Organisation UFC-Que-Choisier kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Roaming-Gebühren für Mobiltelefonie im Ausland haben sich kaum geändert. Die Betreiber bieten seit der Ankündigung der EU-Kommission, dem Treiben per Dekret einen Riegel vorschieben zu wollen, ihren Kunden komplizierte Kombilösungen an. BEUC-Direktor Jim Murray spricht von Angeboten, die »primär der Verneblung« dienten. Einige Pakete rechneten sich für die Verbraucher nur, wenn sie jeden Monat aus dem Ausland Telefonate führten. Andere Angebote wären erst nach einer bestimmten Anrufzeit wirklich lukrativ oder nur dann, wenn die Kunden eine bestimmte Telefonfirma im Ausland anwählten.

In dem Papier wird den großen europäischen Mobilfunkbetreibern wie etwa T-Mobile, Vodafone und Orange zudem vorgeworfen, sich mit geheimen Absprachen gegen den Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Senkung der Roaming-Gebühren wehren zu wollen, der eine Gebühren-Obergrenze vorschreiben soll. Roaming-Gebühren fallen an, wenn ein Handy-Besitzer etwa bei einem Besuch im Ausland über ein fremdes Netz telefonieren muss. Zu diesem Zweck schließen die Mobilfunkbetreiber miteinander Abkommen.

Die EU-Kommission hofft derweil auf die Vermittlung des deutschen Ratsvorsitzes, damit das Papier noch in diesem Jahr als Gesetz verabschiedet werden und Anfang 2008 in Kraft treten kann. Dazu wäre eine Einigung mit den Mitgliedstaaten bis spätestens Juni notwendig. Derzeit wird über eine verbindliche Obergrenze in Höhe von 49 bis 60 Cent je Ein-Minuten-Gespräch diskutiert. Das Thema steht auch auf der Tagesordnung des EU-Gipfels Anfang März.

Für Jim Murray ist die diskutierte Höchstgrenze zu hoch angesetzt. Er kritisiert vor allem die von der EU-Kommission vorgelegten Zahlen, wonach die durchschnittlichen Kosten für ein Gespräch im Ausland bei 1,15 Euro pro Minute liegen, während die tatsächlichen Kosten für die Mobilfunkbetreiber auf 10 bis 12 Cent beziffert werden. Die BEUC-Untersuchung habe dagegen ergeben, dass die Kosten für die Betreiber nicht mehr als fünf oder sechs Cent je Minute betragen.

Telekom-Chef René Obermann machte indes erneut deutlich, was er von einem gesetzlichen Eingriff der EU-Kommission hält: Es gebe in Sachen Roaming-Gebühren keinen derartigen Handlungsbedarf, sagte er, eine Regulierung sei nicht notwendig. Stattdessen setzt Obermann auf die Marktdynamik. Der Markt sei jung, die Preise »müssen sinken und werden sinken«. Die Mobilfunkbranche habe naturgemäß ein Interesse an fallenden Roaming-Preisen, weil dies auch zur ansteigenden Handy-Nutzung im Ausland beitragen werde. Wörtlich sagte der Telekom-Chef: »Dieses Spiel ist noch lange nicht zu Ende.«

Montag, 12. Februar 2007

Schärfere EU-Strafen für Umweltverbrechen

Die Kommission veröffentlichte am Freitag in Brüssel einen Gesetzentwurf, der die 27 Mitgliedstaaten verpflichten soll, Umweltdelikte einheitlich zu definieren und zu bestrafen.

Nach der von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas vorgestellten Richtlinie sollen die Mitgliedsstaaten verpflichtet werden, schwere Umweltdelikte als strafbare Handlungen einzustufen und zu ahnden. Darunter fallen illegale Emissionen gefährlicher Stoffe in Luft, Wasser oder Boden genauso wie die illegale Beförderung von Abfällen oder der rechtswidrige Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten oder Ozon abbauenden Stoffen
In schwer wiegenden Fällen fordert die EU-Kommission strafrechtliche Sanktionen und Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren und Geldbußen für Unternehmen von mindestens 750 000 Euro und bis zu 1,5 Millionen Euro. »Wir dürfen keine sicheren Häfen für die Umweltkriminalität innerhalb Europas zulassen«, begründete Justizkommissar Franco Frattini den Vorstoß.

Dimas machte darauf aufmerksam, dass die Definitionen von Umweltstraftaten von einem Mitgliedstaat zum anderen derzeit zu unterschiedlich und die Strafmaße daher in vielen Mitgliedstaaten unzureichend seien. Damit wäre auch eine grenzüberschreitende Verfolgung kaum möglich. Mit der vorgeschlagenen Richtlinie soll nun in der gesamten EU ein Mindestmaß an strafrechtlich geregeltem Umweltschutz gewährleistet werden.

»Die vor kurzem an der Elfenbeinküste durch gefährliche Abfälle verursachte Katastrophe zeigt, wie verheerend sich Umweltverbrechen auf Menschen und Umwelt auswirken können. Sie zeigt auch erneut, wie dringend eine bessere Durchsetzung der Umweltschutzvorschriften zur Vermeidung solcher Vorfälle ist«, erklärte Dimas. Durch den von einem niederländischen Unternehmen abgelagerten Giftmüll kamen im Sommer 2006 zehn Menschen ums Leben und Hunderte erkrankten.

Mit der Richtlinie müssten EU-Staaten sicherstellen, dass eine Reihe der durch EU- oder einzelstaatliches Recht bereits verbotenen Handlungen als Straftaten gelten, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen wurden. Dazu gehören Handlungen, die zum Tod oder einer schweren Körperverletzung einer Person, einer erheblichen Luft-, Boden- oder Wasserverschmutzung oder zu Schäden für Tiere oder Pflanzen führen oder von einer kriminellen Vereinigung begangen wurden, hieß es. Außerdem sollen Unternehmen künftig nach dem Verursacherprinzip zur Beseitigung von Schäden herangezogen werden können.


Nach Ansicht der grünen Europaabgeordneten Hiltrud Breyer hat die Kommission mit dem Entwurf gerade für Deutschland ein Schlupfloch gelassen. Sie lasse den Staaten Spielraum, andere Formen als die der strafrechtlichen Haftung für juristische Personen zu wählen. In Deutschland werden juristische Personen, wie der Vorstand eines Unternehmens, für Umweltdelikte nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. »Unter deutscher Ratspräsidentschaft eine solche Extrawurst zu erhalten, ist beschämend«, sagte Breyer in Brüssel. Die Bundesregierung sei gefordert, die deutsche Gesetzgebung zu ändern.

Die Vorschläge müssen vom EU-Parlament und den Mitgliedstaaten beraten und gebilligt werden. Sie sind jedoch umstritten; 2001 war ein erster Richtlinienvorschlag für ein europaweites Umweltstrafrecht gescheitert. Beobachter rechnen mit Widerstand aus einigen Ländern, die das Brüsseler Vorgehen als Eingriff in nationale Angelegenheiten werten könnten. Vor allem aus Spanien, Portugal und Griechenland gibt es Widerstand. Die Kommission beruft sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2005, wonach die EU für einen erfolgreichen Umweltschutz auch strafrechtliche Maßnahmen ergreifen darf.

Donnerstag, 8. Februar 2007

Verheugens »integrierter Ansatz«

Der Verkehrssektor ist ein Schlüsselbereich beim Klimaschutz. Umso enttäuschender ist die aufgeweichte Autostrategie der EU-Kommission.

EU-Industriekommissar Günther Verheugen und sein für Umwelt zuständiger Kollege Stavros Dimas zeigten sich am Mittwoch sehr bemüht, den seit Monaten schwelenden Streit über die europaweite CO2-Strategie für Autos herunterzuspielen. Dimas wollte den Autokonzernen verbindlich die Senkung des CO2-Ausstoßes von Neuwagen auf 120 Gramm je Kilometer bis zum Jahr 2012 vorschreiben. Dies sollte allein durch effizientere Motoren erreicht werden. Der deutsche Sozialdemokrat forderte dagegen, es müssten auch »weiche Faktoren« wie sparsamere Fahrweise, Stauvermeidung und Einsatz von Biosprit angerechnet werden. Nachdem sich beide in den letzten Wochen nicht einigen konnten, übernahm Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Federführung.

Gestern nun legten Dimas und Verheugen ein Strategiepapier vor, das als Kompromiss präsentiert wurde und als Grundlage für einen Gesetzentwurf dienen soll. Danach wird per Dekret die Senkung des CO2-Ausstoßes bei Neuwagen auf 120 Gramm pro Kilometer gedrosselt. Allerdings müssen die Autobauer über eine verbesserte Motorentechnik nur noch eine Senkung auf 130 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. Die restlichen zehn Gramm sollen durch Anrechnung von Biosprit, sparsamere Klimaanlagen sowie durch Kontrollsysteme für optimalen Reifendruck erreicht werden. Verheugen sprach von einem »integrierten Ansatz«, bei dem auch die Mitgliedsstaaten eine Rolle spielen: Die sollen zusätzliche Maßnahmen im Bereich des Verkehrsmanagements und zur Verbesserung des Fahrverhaltens ergreifen.

Dimas gab sich überzeugt, dass »wir bald nicht nur sauberere Autos haben werden, sondern auch leistungsfähigere«. Der Umweltkommissar verwies auf die Notwendigkeit, die verlangte Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis zum Jahr 2012 auch wirklich zu erreichen. »Anders sind die Kyoto-Ziele nicht zu schaffen.«

Industriekommissar Verheugen machte darauf aufmerksam, dass die Ziele einer Reduzierung bis 2012 vor allem für die Hersteller von mittleren und kleinen Fahrzeugen zu einem zusätzlichen Kostendruck führen könnten, die sie teilweise durch höhere Preise auffangen werden. Aber die Vorteile würden sich »letztlich auch für den Endverbraucher rechnen«. Der Kostendruck dürfe nicht zu Standortverlagerungen führen. Mit dem Kompromiss zeigte er sich dennoch zufrieden: »Damit verbinden wir Klimaschutz mit dem Schutz von Arbeitsplätzen in einer unseren Schlüsselindustrien.« Sichtlich gereizt reagierte Kommissionsvize Verheugen auf die Frage, ob sich die Politik von der deutschen Autolobby habe beeinflussen lassen. »Diese Behauptung weisen wir zurück«, schnaubte Verheugen.

Das Papier der EU-Kommission ist die Antwort auf eine gescheiterte Selbstverpflichtung der Autoindustrie aus dem Jahr 1998, wonach diese bis Ende 2008 ihren durchschnittlichen CO2-Ausstoß auf 140 Gramm je Kilometer senken wollte. Er liegt derzeit bei gut 163 Gramm. Ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission soll nun bis spätestens Mitte 2008 folgen und muss dann von den Mitgliedstaaten und dem Europaparlament verabschiedet werden. Welches Ressort die Federführung übernehmen wird, steht noch nicht fest. Davor werde es eine umfangreiche Folgekostenanalyse geben, sagte Verheugen. Eine Unterscheidung nach Fahrzeugtypen bei der Festsetzung von CO2-Durchschnittsgrenzen sei eine Möglichkeit, ebenso wie ein größerer Beitrag im Oberklassensegment.