Freitag, 24. Februar 2006

Datenbank beschlossen - Asylbewerbern droht schnelle Abschiebung

Die von den EU-Innenministern aufgestellte Liste »sicherer Herkunftsländer« dient vor allem der Rückweisung von Flüchtlingen.

In der vergangenen Woche hatte EU-Kommissar Franco Frattini angekündigt, dass die Daten über Herkunftsländer von Asylsuchenden, die als Grundlage für Entscheidungen der Mitgliedstaaten dienen, angeglichen werden sollen. Die Innenminister der 25 EU-Staaten haben sich nun auf ihrem Treffen am Dienstag in Brüssel über eine derartige Datenbank verständigt. Basis dafür ist das »Haager Programm«, auf das sich die Innenminister vor zwei Jahren geeinigt hatten. Laut diesem Dekret soll bis 2010 ein gemeinsames Asylsystem mit einheitlichen Verfahren und gemeinsamem Asylstatus geschaffen werden.

Zunächst einigten sich die Minister unter dem Vorsitz der Österreicherin Liese Prokop auf eine Liste so genannter sicherer Herkunftsländer, die ihnen vor dem Treffen von Frattini als Vorschlag übergeben worden war. Seit zwei Jahren gab es Streit unter den EU-Staaten, welches Land überhaupt auf einer solchen Liste erscheinen soll. Nun zählen Benin, Botswana, die Kapverdischen Inseln, Chile, Costa Rica, Ghana, Mali, Mauritius, Senegal und Uruguay zu den »Auserwählten«. Kommt ein Asylbewerber von dort, kann er künftig an der Grenze per Schnellverfahren zurückgewiesen werden. Prokop kündigte an, dass dieses Papier nun »laufend überprüft und ergänzt« werden soll.

Die Bundestagsfraktion der Linken.PDS hat die Liste heftig kritisiert, weil darin auch alle EU-Mitgliedsländer »generell zu sicheren Herkunftsstaaten« erklärt werden. Die innenpolitische Sprecherin, Ulla Jelpke, erinnert an das Beispiel des EU-Kandidaten Rumänien, wo Roma und Sinti regelmäßig Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden. Die Liste sei vor allem ein Mittel, »um die Mauer um Europa noch ein Stück höher zu bauen«.

Für Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ist das offensichtlich nicht der Kernpunkt. Er verteidigte ausdrücklich nationale Regelungen. »Wenn die Österreicher Tschetschenen zu 90 Prozent Asyl gewähren wollen, dann haben sie das Recht dazu«, argumentierte der CDU-Politiker und verwies darauf, dass in Deutschland nur etwa drei Prozent der Tschetschenen politisches Asyl erhalten. Scharf kritisierte Jelpke den Innenminister, weil dieser das Forum in Brüssel genutzt habe, »um sich mit rassistischen Ausfällen zu profilieren«. Schäubles Aussage, wer nicht akzeptieren könne, wie hier gelebt wird, müsse überlegen, ob es sich in einem anderen »Teil des Universums« nicht besser leben lasse, »unterbietet noch das Niveau anderer Äußerungen von CDU/CSU-Politikern zur ›Leitkultur‹«.

Montag, 20. Februar 2006

Mit Schutzzonen gegen die Vogelgrippe - EU legt Mindestregeln für die Mitgliedstaaten fest

Brüssel hat einen EU-weit gültigen Notfallplan für Länder festgelegt, in das Vogelgrippe-Virus H5N1 nachgewiesen wird.

Die 25 EU-Mitgliedsstaaten haben sich Ende vergangener Woche auf einheitliche Regeln beim Kampf gegen die Vogelgrippe verständigt. Ein entsprechender Beschluss der EU-Kommission wurde zuvor im Fachausschuss für Lebensmittel und Tiergesundheit bestätigt. Außerdem schnürte die Kommission ein Hilfspaket, mit dem die weitere Ausbreitung der Geflügelpest verhindert werden soll: 1,9 Millionen Euro fließen demnach in nationale Kontrollprogramme und sollen bis Jahresende in 60 000 Tests bei Wildvögeln und 300 000 Tests in Zuchtbetrieben investiert werden. Deutschland erhält 268 000 Euro.

Entsprechend dem Papier müssen die EU-Staaten, in denen das Virus H5N1 bei Wildvögeln nachgewiesen wurde, eine Schutzzone mit einem Radius von drei und einem Überwachungsgebiet von zehn Kilometern einrichten. Hier unterlägen dann Geflügeltiere der allgemeinen Stallpflicht. Untersagt wird den Ländern auch jedweder Transport von Geflügel, außer zu Schlachtzwecken. Vogelausstellungen sollen bis auf Widerruf grundsätzlich verboten werden.

Diese Regeln gelten auch, wenn das Virus bei Zuchtgeflügel auftritt. Infizierten Tiere müsste sofort notgeschlachtet werden. Das gelte auch für benachbarte Betriebe, falls begründeter Verdacht auf die Erkrankung besteht. Ab sofort gilt voraussichtlich bis zum 31. Juli ein Importverbot für unbehandelte Federn aus Drittstaaten.

Einige EU-Staaten registrieren einen deutlichen Rückgang des Geflügelkonsums. Wie ein Sprecher der EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer-Boel bestätigte, rechnen einige Länder mit Einbußen in Höhe von 15 Prozent. Es lägen aber noch keine offiziellen Zahlen über wirtschaftliche Folgen vor. Die Kommissarin ist indes optimistisch, dass die Folgen für auf Freilandhaltung spezialisierte Bauern überschaubar bleiben. »Wir haben bisher immer Lösungen gefunden, damit diese ihr Fleisch weiter vermarkten können«, so der Sprecher. Fischer-Boel macht den EU-Staaten derweil wenig Hoffnung auf finanzielle Zuwendungen, die über die Förderung der nationalen Kontrollprogramme hinausgehen. Auch der Geflügelindustrie könne nur »im begrenzten Rahmen« geholfen werden. Sollten Nutztiere von der Pest befallen werden, dann hätten allerdings die Bauern Aussicht auf finanzielle Hilfe. Müssten Geflügel und Eier vernichten werden, dann könne die EU bis zu 50 Prozent der Kosten für die Erneuerung der Viehbestände zuschießen. Zudem denkt Fischer-Boel an eine Anhebung der Export-Subventionen. »Je mehr Fleisch exportiert wird, desto weniger bleibt auf dem heimischen Markt«, sagte der Kommissionssprecher. Dies könne den Preisen helfen.

In einem unlängst vom EU-Parlament angenommenen Bericht zu den Mindestvorschriften über den Schutz von Masthühnern verlangen die Abgeordneten strengere Kontrollen, eine EU-weite Harmonisierung der Sanktionen sowie eine Kennzeichnungspflicht der Fleischwaren. So werden beim Ausbruch ansteckender Krankheiten die gründliche Reinigung und Desinfizierung der Stallungen empfohlen. Außerdem solle »besonderer Wert auf eine umfassende Information der Endverbraucher durch genaue Kennzeichnungspflicht der Fleischwaren« gelegt werden, auch zum Alter des Tieres. Eine Etikettierungsregelung müsse spätestens ein halbes Jahr nach Inkrafttreten der Richtlinie vorliegen.

Freitag, 17. Februar 2006

Tumult um Bolkestein-Richtlinie - Europa-Parlament akzeptierte Kompromissvorschlag von Konservativen und Sozialdemokraten

Das Europa-Parlament hat den konservativ-sozialdemokratischen Kompromiss zur Dienstleistungsrichtlinie abgesegnet. Jetzt müssen – eventuell schon Mitte März – noch die Mitgliedstaaten abstimmen.

Begleitet von tumultartigen Szenen und zahlreichen Pannen beim Abstimmungsprocedere, haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments gestern die Entschließung zur geänderten EU-Dienstleistungsrichtlinie von Christ- und Sozialdemokraten gebilligt. 394 Parlamentarier stimmten dem Entwurf zu, 215 lehnten das Papier ab. 33 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Die Linksfraktion stimmte geschlossen dagegen.

Die Abgeordneten billigten mit breiter Mehrheit die Streichung des besonders umstrittenen »Herkunftslandsprinzips«, das nun im Text der Richtlinie durch den Begriff »Dienstleistungsfreiheit« ersetzt werden soll. Damit wollen Sozialdemokraten und Konservative erreichen, dass Dienstleister sich nach der innereuropäischen Marktöffnung an die Gesetze des Landes halten müssen, in dem sie tätig werden. Die Linken sprechen dagegen von einer »Mogelpackung«, weil die Substanz der Richtlinie praktisch gleich bleibe. Nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Gesundheit und der Umwelt dürfen die Staaten noch auf die Einhaltung nationaler Bestimmungen bestehen. Ansonsten gelten die Gesetze jenes Landes, aus dem der Dienstleister kommt. Die Linken im Parlament bezeichneten die Abstimmung als »Startschuss zu einem Run auf die Gerichte und zu Sozialdumping«.

Keine Genehmigung mehr nötig

In der geänderten Fassung werden den Mitgliedsstaaten nun bestimmte Regelungen untersagt. So brauchen ausländische Dienstleister keine Niederlassung mehr errichten, um ihr Geschäft betreiben zu können. Außerdem benötigen sie künftig keine Genehmigung zur Ausübung ihres Gewerbes durch eine Behörde im Zielland. »Besonders folgenschwer« finden die Mitglieder der Linksfraktion im Europäischen Parlament, Andre Brie und Gabi Zimmer, zudem die Aufnahme weiter Teile der »Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse«, des Gesundheitswesens sowie der Leih- und Zeitarbeit.

Bis zuletzt hatte es zwischen den Fraktionen der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) Streit darüber gegeben, ob die Mitgliedsstaaten die Dienstleistungsfreiheit auch aus Gründen der Sozialpolitik und des Verbraucherschutzes einschränken könnten. Dienstagnacht einigte sich die so genannte »High Level Group« von EVP und SPE schließlich darauf, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht einschränkt werden solle. Selbstverständlich seien Sozialpolitik und Verbraucherschutz richtig und wichtig, erklärte der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab. »Als pauschale Begründung zur Beschränkungen von Dienstleistungsfreiheit würden sie jedoch nur schaden, ohne effektiv zu nutzen.«

Streit über die Geschäftsordnung

Vor der Abstimmung war es im Plenarsaal zu tumultartigen Szenen gekommen. Vertreter der Grünen und der Linken hatten lautstark gegen die Streichung der Ausnahmeregeln protestiert. Nach einem erbitterten Streit über die Geschäftsordnung wurden mehrere Anträge auf Unterbrechung des Votums abgewiesen.

Selbst die Wortführerin der Sozialdemokraten, Evelyne Gebhardt, zeigte sich vom Abstimmungsverhalten einiger konservativer Kollegen überrascht. »Sie haben sich nicht an die Absprachen gehalten«, giftete sie. »Die EVP sollte eine Aussetzung der Sitzung beantragen, um sich zu einigen«, empfahl auch Daniel Cohn-Bendit von den Grünen und erntete dafür einen Rüffel vom Präsidenten, weil er sein Rederecht für einen Antrag zur Geschäftsordnung »missbraucht« habe. Insgesamt hatten die Abgeordneten über 404 Änderungsanträge binnen zwei Stunden abzustimmen.

Zimmer und Brie bezeichneten die Annahme der Bolkestein-Richtlinie als »wohl schwerwiegendsten europäischen Rechtsakt«, der nun mit einem »zutiefst widersprüchlichen Gesetzeswerk gestemmt« werden solle. Die Last hätten Bürgerinnen und Bürger, Kommunen und Unternehmen in der Union zu schultern. In ihrer jetzigen Form berge die Richtlinie eine Reihe unvereinbarer Regelungen, die keine Rechtssicherheit geben. »Besonders fatal wird sich dies etwa auf Dienstleistungen im öffentlichen Nahverkehr sowie der Abfall- und Wasserwirtschaft auswirken, über deren Handhabung die Richtlinie widersprüchliche Bestimmungen aufgenommen hat.« Eine große Zahl von Gerichtsverfahren werde die Folge sein.

Die EU-Kommission kündigte indes an, eine überarbeitete Fassung des Richtlinienentwurfs erarbeiten und zur Diskussion stellen zu wollen. Damit das Paragrafenwerk in Kraft treten kann, müssen nun noch die Regierungen der Mitgliedsstaaten zustimmen. Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft will über das Papier am 13. März diskutieren lassen.

Mittwoch, 15. Februar 2006

Der »frisierte« Bolkestein-Hammer - EU-Parlament diskutierte über Änderungen an der Dienstleistungsrichtlinie

Gestern Nachmittag stand im Europaparlament die umstrittene EU-Dienstleistungsrichtlinie auf dem Programm. Am Donnerstagmorgen steht die Abstimmung an.

Die Linken im Europäischen Parlament lehnen die Dienstleistungsrichtlinie auch nach dem jüngsten konservativ-sozialdemiokratischen Kompromissvorschlag ab. »Es gibt derzeit kein strategischeres, weitreichenderes Projekt des neoliberalen Marktradikalismus in der EU«, sagte André Brie von der Linkspartei. Brie forderte Gewerkschaften und soziale Verbände zum weiteren Widerstand auch gegen den frisierten »Bolkestein-Hammer« auf.

Insgesamt stehen am Donnerstag 404 Änderungsanträge zur Abstimmung. Die beiden größten Fraktionen in Straßburg, die Europäische Volkspartei (EVP) und die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE), hatten zu einigen strittigen Punkten wie dem Herkunftslandprinzip (Artikel 16) 23 gemeinsame Änderungsanträge eingereicht. Die SPD-Abgeordnete Evelyne Gebhardt verteidigte als Berichterstatterin des Parlaments den Vorschlag als »Grundlage für fairen Wettbewerb«. Dienstleistungen müssten in Europa »so freizügig sein wie Geld«, erklärte Gebhardt. »Deshalb haben wir uns von dem verheerenden Herkunftslandprinzip verabschiedet.« Mit dem Kompromiss könnte der »misslungene« Entwurf der EU-Kommission nun »vom Kopf auf die Beine gestellt« werden, sagte sie.

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso begrüßte den Vorstoß der beiden Fraktionen. Eine Abstimmung für den Entwurf am kommenden Donnerstag wäre ein »Sieg für Europa«. Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy kündigte an, auf der Grundlage der Änderungsvorschläge einen »revidierten« Entwurf der Richtlinie unterbreiten zu wollen, über den Ministerrat und Europaparlament dann im April abstimmen könnten.

EVP und SPE wollen festschreiben, dass Dienstleistungen in jedem EU-Mitgliedstaat erbracht werden dürfen. Die Staaten müssen für die freie Aufnahme und die freie Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit innerhalb ihres Hoheitsgebiets sorgen. Das Herkunftslandprinzip wurde in der gesamten Richtlinie durch den Begriff »Dienstleistungsfreiheit« ersetzt. Für André Brie stellt dieser Begriff eine Mogelpackung dar. »Die Substanz ist praktisch dieselbe«, argumentierte er. Nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Volksgesundheit und der Umwelt könnten die Staaten auf der Einhaltung nationaler Bestimmungen bestehen. Ansonsten gelten die Gesetze jenes Landes, aus dem der Dienstleister kommt. »Praktisch bedeutet das: Wer die niedrigsten Lohn-, Sozial- und andere Standards bietet, könnte im Konkurrenzkampf bald die Nase vorn haben.«

In der Richtlinie sollen den Mitgliedstaaten bestimmte Forderungen gegenüber Dienstleistern untersagt werden. So müssen diese auf dem Hoheitsgebiet des jeweiligen Landes keine Niederlassung unterhalten. Außerdem dürfe von ihnen nicht verlangt werden, sich von den zuständigen Stellen die Ausübung genehmigen zu lassen.

Weiterhin umstritten ist derweil zwischen den Fraktionen, ob die Mitgliedstaaten die Dienstleistungsfreiheit auch aus Gründen der Sozialpolitik und des Verbraucherschutzes einschränken können. Neoliberale Kritiker befürchten, dass damit »künstliche Barrieren« errichtet werden. Es ist deshalb durchaus möglich, dass die Zustimmung zum gemeinsamen Antrag von EVP und SPE am Donnerstag zurückgezogen wird oder dass bestimmte Teile des Antrages abgelehnt werden. Ihre endgültige Position und ihr Abstimmungsverhalten hierzu wollen die Fraktionen auf ihren Sitzungen am späten Dienstagabend festlegen.

Montag, 13. Februar 2006

Gegen ein Europa des totalen Wettbewerbs - Demonstration in Straßburg gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie

Samstag Nachmittag demonstrierten rund 15 000 Gewerkschafter und Globalisierungsgegner in Straßburg gegen die Bolkestein-Richtlinie. Sie steht in dieser Woche auf der Tagesordnung des Europa-Parlaments.

Stunden vor dem offiziellen Beginn des Protestmarsches gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie in Straßburg vertreiben sich die mit Bussen angereisten Demonstranten die Zeit mit eigenen kleinen Programmen. Eine Gruppe aus dem Ruhrpott hat Musiker mitgebracht; zwischendurch kann jeder, der will, über Mikrophon seinen Unmut über die Bolkestein-Richtlinie kundtun. Dabei ist auch Kritik an den Veranstaltern nicht zu überhören. Die Entscheidung, »nach Straßburg oder nach Berlin zu fahren«, sei ihm nicht leicht gefallen, beklagt ein Teilnehmer unter laustarkem Beifall. »Ich habe kein Verständnis dafür, wenn jeder sein Süppchen organisiert. Es wäre besser gewesen, wir wären heute alle in Straßburg aufgetreten.«

Die Bochumer Opel-Jugendvertreterin Jana Gärtner berichtet, wie der Autokonzern die Lohnkosten zu drücken versucht, um auf die profitable Überholspur zu kommen. »Sie haben vor, die ganze Lehrwerkstatt an eine Leiharbeitsfirma zu verkaufen«, sagt sie. »Auf diese Weise sollen wir uns daran gewöhnen, für Billiglöhne zu arbeiten, willig zu sein und in ganz Deutschland herumgeschickt zu werden.« Den jungen Leuten bei Opel gehe es nicht nur um ihre eigenen Löhne, sondern auch darum, dass die Kollegen in Polen und anderswo zu deutschen Bedingungen ihr Geld erhalten.

Das sieht die Mitbegründerin von Attac in München, Christiane Hansen, ähnlich. Bei der offiziellen Auftaktveranstaltung erklärt sie, als gebürtige Straßburgerin, die seit über 30 Jahren in der bayerischen Metropole lebe, wisse sie durchaus, wie wichtig ein Europa ohne nationale Grenzen sei. »Doch heute steckt dieses Europa in einer ganz tiefen Krise.« Die Märkte seien geöffnet worden, doch die steuerlichen und sozialen Wege national geblieben. »Die Folge ist ein ruinöser Wettbewerb über soziale Standards, Lohndumping und Steuergeschenke für Reiche und Konzerne. Wir wollen kein Europa des totalen Wettbewerbs«, ruft Hansen den Teilnehmern zu. Der Plan zur Öffnung der Dienstleistungsmärkte sei Teil einer globalen Ideologie und die Bolkestein-Richtlinie nur ein Element in einer langen Kette von Zumutungen.

Gut 15 000 Demonstranten sind zu der Auftaktveranstaltung vor der Straßburger Börse auf dem Place de I'Etoile gekommen und damit dem Aufruf von Attac sowie von französischen sowie deutschen Gewerkschaften gefolgt. Über knapp vier Kilometer bewegt sich der bunte Protestzug durch die historische Innenstadt zur Avenue Herrenschmitt. Vor wenigen Tagen hatten die Behörden die eigentlich geplanten Route am Europäischen Parlament vorbei untersagt und dies mit dem Ablauf vorheriger Veranstaltungen begründet. Bei den Protesten um die EU-Hafenrichtlinie vor einem Monat hatte die Polizei mehrere Teilnehmer verhaftet, die Justiz urteilte die Betroffenen in Schnellverfahren ab und brachte einige hinter Gitter.
Dass der Protest auch sonst durchaus bewusst erschwert wurde, berichtet eine Demonstrantin aus Grenoble. »Im Vorfeld war in der französischen Presse kaum etwas über die Veranstaltung zu lesen«, beklagt die ältere Frau am Rande der Demonstration die Grenzen der nationalen Informationspolitik. Dies sei auch der Grund dafür, dass deutlich mehr Deutsche als Franzosen gekommen seien. Die Frau zeigt auf ein Plakat der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di: »Aber Ihr seid ja da«, sagt sie lächelnd. »Das hat auch mit Solidarität zu tun.«

Auch der linke Europaparlamentarier und Vorsitzende der französischen Kommunisten, Francis Wurtz, sprach in Straßburg von der internationalen Dimension der Dienstleistungsrichtlinie, die am Dienstag im Straßburger EU-Parlament beraten und zwei Tage später per Abstimmung durchgeboxt werden soll. »Wir müssen gemeinsam ein Projekt zu Fall bringen, das typisch für dieses liberale Europa ist«, rief er. Ein klarer Bruch mit der neoliberalen Logik sei notwendig, damit die Menschen wieder Vertrauen und Hoffnung in die Zukunft bekämen. Deutliche Wort fand Wurtz für den Kompromiss, der vergangene Woche zwischen Sozialdemokraten und Konservativen ausgehandelt worden sein soll. »Hat sich die Direktive in ihrer Substanz verändert?« Können sich die Lohnabhängigen nun beruhigter fühlen im Hinblick auf ihre sozialen Rechte? Leider ist die Antwort: Nein!«

Man habe das Gefühl, gegen Windmühlenräder anzukämpfen, sagt einer in der kleinen Runde der Ruhrgebietler. Er erinnert dann aber an Bolivien, wo es einem Volk gelungen sei, eine Regierung zu stürzen. »Dann frage ich mich: Warum sollte es nicht auch in Europa möglich sein, dafür zu sorgen, dass ein solch unsägliches Papier aus der Schublade des Europäischen Parlaments verschwindet?«

Auch der Europaabgeordnete Francis Wurtz sieht die Bewegungen und zahlreichen Initiativen gegen Bolkestein auf einem guten Weg: »Wir haben die Vertreter dieser Richtlinie in die Defensive gedrängt«, sagte er. Für Christiane Hansen steht die Protestwelle dagegen allenfalls am Anfang: »Wir müssen noch viel mehr Druck erzeugen. Das hier reicht noch nicht aus!«

Samstag, 11. Februar 2006

Woche der Wahrheit im Europaparlament - Trotz des angeblichen Kompromisses zwischen EVP und PSE bleiben die Abstimmungen spannend

In der kommenden Woche stimmt das Europa-Parlament über die umstrittene EU-Dienstleistungsrichtlinie ab.

Kurz vor Beginn des parlamentarischen Procederes in Straßburg haben sich Konservative und Sozialdemokraten auf einen Kompromiss in Sachen Dienstleistungsrichtlinie geeinigt. Die genauen Änderungsvorschläge zum Entwurf der EU-Kommission müssen bis kommenden Montag vorliegen. Am Dienstagnachmittag steht der Entwurf zur Diskussion.

Im Moment scheint es so, als hätten die beiden größten Fraktionen mit ihrer Übereinkunft die besten Karten, die Abstimmung am Donnerstag für sich zu entscheiden: Die Europäische Volkspartei (EVP), mit 276 Abgeordneten die stärkste Kraft, und die Sozialdemokraten (PSE, 200 Mitglieder) haben eine breite Mehrheit im mit insgesamt 732 Sitzen ausgestatteten Parlament. Der Vorschlag wird von der deutschen SPD-Abgeordneten Evelyne Gebhardt eingebracht. Der so genannte Kompromiss wird dann in Form von Änderungsanträgen zum vorliegenden Entwurf abgestimmt.

Dennoch gibt es auch innerhalb dieser beiden Fraktionen sichtbaren Widerstand: Einige Konservative halten an der rein neoliberalen Urfassung der EU-Kommission fest, während einige Sozialdemokraten mit der ablehnenden Haltung der Linken übereinstimmen. Wie die Abstimmung in der kommenden Woche ausgeht, ist daher völlig offen. Zumal auch starker Druck der Öffentlichkeit seine Wirkung zeigen kann, wie die Ablehnung der ebenso umstrittenen EU-Hafenrichtlinie »Port Package II« unlängst offenbarte.

Praktisch vom Tisch ist indes der ursprüngliche Entwurf des einstigen Binnenmarktkommissars Frits Bolkestein von 2004, der einzig auf die umfassende Öffnung des europäischen Marktes für Dienstleistungen ausgerichtet war. Demnach sollten Anbieter in allen Mitgliedsstaaten der EU tätig werden können – nach den Gesetzen des Herkunftslandes. Die Festschreibung dieses Prinzips löste die aktuell wohl größte europäische Protestwelle aus. Nicht nur die Linken im Europäischen Parlament und die Gewerkschaften befürchten, dass der »Bolkestein-Hammer« dem Sozial- und Qualitätsdumping Tür und Tor öffne – mit dramatischen Folgen für die Arbeitsmärkte der alten EU-Staaten. Der ursprüngliche Entwurf wird als eine neoliberale Variante abgelehnt, die eine ungehemmte und kaum mehr kontrollierbare Marktöffnung in Gang setzen würde.

Die Befürworter des Bolkestein-Papiers halten dagegen, das Herkunftslandsprinzip führe zu wirtschaftlicher Dynamik. Und auch die geringeren Lohnkosten in den neuen EU-Ländern seien nicht als Bedrohung für Arbeitsplätze und Sozialstandards in den Alt-Mitgliedstaaten anzusehen, sondern als Ausdruck von Kostenvorteilen im Standortwettbewerb.

Zum vorliegenden Entwurf werden jetzt zahlreiche Änderungsanträge ins EU-Parlament flattern. Sozialdemokraten und Konservative wollen versuchen, ihren ausgehandelten Kompromiss als einen dritten Weg schmackhaft zu machen. Der Begriff »Herkunftslandsprinzip« soll demnach in der Dienstleistungsrichtlinie nicht mehr vorkommen, doch den Unternehmen wird weiter das uneingeschränkte Recht auf Marktzugang garantiert. Der Kompromiss enthält die Möglichkeit des so genannten Ziellandes, den ausländischen Anbietern eigene Vorschriften aufzuerlegen, etwa wenn es die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder der Gesundheits- und Umweltschutz erfordern. Und auch das nationale Arbeits- und Tarifrecht des Ziellandes sollte gelten.

Nach der Abstimmung im EU-Parlament sind dann Ministerrat und EU-Kommission mit Stellungnahmen an der Reihe. Können sich die drei Gremien nicht einigen, befasst sich ein Vermittlungsausschuss mit der Richtlinie. Ist dies nicht nötig, dann könnte das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr zum Abschluss gebracht werden. In diesem Fall würde das Bolkestein-Papier spätestens im Jahr 2011 in Kraft treten.

Schon mehrfach gab es größere Proteste gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie, zuletzt Mitte Oktober 2005 bei einem europaweiten Aktionstag. Damals zertrümmerten Attac-Aktivisten mit dem »Bolkestein-Hammer« symbolisch die Errungenschaften des Sozialstaates.

Donnerstag, 9. Februar 2006

Kaum Gedränge auf Westmärkten - EU-Berichterstatter fordert Abbau der Zugangsbarrieren für Arbeitskräfte

EU-Sozialkommissar Vladimir Spidla hat am Mittwoch die Angst der Deutschen vor osteuropäischer Konkurrenz als unbegründet zurückgewiesen.

Nach Spidlas Bericht drängen Jobsuchende aus den zehn neuen EU-Staaten »nur sehr begrenzt auf die Märkte im Westen«. Knapp zwei Jahre nach der EU-Osterweiterung hat der Tscheche deshalb auch den Abbau der letzten Zugangsbarrieren gefordert. Der Kommissar bezeichnete die Freizügigkeit als »ein Grundrecht im Binnenmarkt«.

In dem Bericht machte Spidla deutlich, dass es »keinen direkten Zusammenhang zwischen Einwanderung und nationalen Bestimmungen« gebe und entkräftete damit ein Argument jener Staaten, die sich einer Öffnung bislang verweigern. So hätte Deutschland von Mai bis September 2005 etwa eine halbe Million Arbeitsgenehmigungen ausgestellt. In Großbritannien, das neben Irland und Schweden auf nationale Quoten verzichtet hatte, waren es dagegen nur 290 000. Insgesamt hätten diese drei Staaten von der Migration sogar profitiert, denn sie verfügten über ein hohes Wirtschaftswachstum und über einen Rückgang der Arbeitslosigkeit, argumentierte Spidla. Der Einwanderungsstrom sei insgesamt »sehr gering« ausgefallen, sagte der EU-Politiker.

Andererseits habe das »alte Europa« aber einen Bedarf an Einwanderern, denn es müsse der niedrigen Geburtenrate und der höheren Lebenserwartung entgegenwirken. Bis 2030 benötigt die EU nach eigenen Berechnungen rund 20 Millionen zusätzliche Arbeitskräfte. Von den großen EU-Staaten weisen aber nur Frankreich und Britannien bis 2050 ein Bevölkerungswachstum auf.

SPD-Vizekanzler Franz Müntefering hatte bereits vor dem EU-Bericht deutlich gemacht, dass Deutschland die Frist zu verlängern gedenkt. Er erhielt am Mittwoch von der sozialdemokratischen EU-Abgeordneten Karin Jöns Schützenhilfe, die es wegen der hohen Arbeitslosigkeit für verfrüht hält, den BRD-Arbeitsmarkt bereits im Mai für Jobsuchende der neuen Mitgliedstaaten zu öffnen. »Wir sollten vielmehr die bestehenden Zugangsbeschränkungen noch einmal für drei weitere Jahre aufrechterhalten«, argumentierte Jöns. Dagegen erwägen einige Länder, darunter Finnland, Dänemark, Griechenland, Portugal, die Niederlande und Spanien, die Lockerung ihrer nationalen Beschränkungen. Im Kommissions-Papier werden diese Staaten darin bestärkt, weil nationale Schranken nur die »Nutzung von nicht deklarierter Arbeit erhöhen« würden, sagte Spidla. Auch im EU-Parlament mehren sich die Stimmen für eine Öffnung der Grenzen.

»Eine Verlängerung der Zugangssperre verschlimmert nur die Probleme«, sagte die EU-Abgeordnete Elisabeth Schrödter (Grüne). »Wenn wir die Übergangsregelungen jetzt aufheben, können die illegalen Arbeitsverhältnisse legalisiert werden.« Für ihre Fraktionskollegin Eva Lichtenberger (Österreich) führten die Zugangsbeschränkungen zu einer »völlig intransparenten Situation, die durch Sonderregelungen wie die Regelungen für Saisonarbeitskräfte noch unübersichtlicher wird«. Gabi Zimmer von der Linkspartei forderte in diesem Zusammenhang die EU-Mitgliedstaaten erneut auf, endlich die UNO-Konvention zum Schutz der Rechte von Wanderarbeitern und ihren Familien, die auf die Integration von Wirtschaftsmigranten zielt, zu unterzeichnen und umzusetzen.

Dienstag, 7. Februar 2006

Halbherzige Verkehrssicherheit - Kritik an neuer EU-Regelung der Lenk- und Ruhezeiten für Lkw-Fahrer

Das Europäische Parlament hat vergangene Woche im dritten Anlauf Vorschriften zur Verbesserung der Lenk- und Ruhezeiten von Berufskraftfahrern und zur Verstärkung der Kontrolle von Lastkraftwagen angenommen.

Falls der EU-Ministerrat die Vorgaben des Vermittlungsausschusses zu Lenkzeiten für Lkw-Fahrer billigt, wird den Fahrern künftig alle zwei Wochen eine Ruhezeit von mindestens zwei Tagen und eine längere tägliche Mindestruhe zugestanden. Kontrolliert wird dies mittels eines digitalen Fahrtenschreibers, der in neuen Lkw und Bussen ab 1. Mai 2006 Pflicht wird.

Die derzeitig gültige Richtlinie von 2005 begrenzt die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf 60 Stunden und die durchschnittliche Wochenarbeit innerhalb von vier Monaten auf 48 Stunden. Mit dem neuen Paket werden die tägliche Mindestruhezeit nun auf neun Stunden (derzeit acht Stunden) festgesetzt und eine Ruhezeit von mindestens 45 Stunden alle zwei Wochen eingeführt. Außerdem wird die maximal zulässige Lenkzeit der Berufskraftfahrer verringert. Dürfen Brummipiloten auf EU-Straßen derzeit 74 Wochenstunden fahren, würden es nach Inkrafttreten der Rechtsvorschrift maximal 56 Stunden sein.

3,5-Tonnen-Lkw ausgenommen

»Wenn man die jetzt zur Debatte stehenden Dokumente mit den vorher gültigen vergleicht, gibt es keine einzige Verschlechterung«, kommentierte der linke Europaabgeordnete Helmuth Markov vorsichtig das Ergebnis der Verhandlungen. »Wenn man jedoch die erzielten Kompromisse mit den avisierten Zielen auf die Waagschale legt, sieht es anders aus.« Als Beispiele nannte er die Fahrzeuge unter 3,5 Tonnen, die auf Druck des Ministerrates ausgenommen wurden, obwohl in dieser Gewichtsklasse Transporte und Unfälle zunähmen. Zudem gebe es lediglich zwei Verweise auf die Arbeitszeitrichtlinie, jedoch keine Kontrolle während der Lenk- und Ruhezeiten. Dem Übel der Überlastung und Übermüdung der Lenker könne so nicht begegnet werden.

Ähnlich sieht das der sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Willi Piecyk. »Wer es ernst meint mit der Sicherheit auf Europas Straßen, kann mit dem Kompromiss nicht zufrieden sein«, sagte der verkehrspolitische Sprecher der sozialdemokratischen Frakktion und sprach von einem »halbherzigen Fortschritt bei der Verkehrssicherheit«. »Ohne die Sturheit der Verkehrsminister wäre ein viel besseres Ergebnis herausgekommen.«

Die Verweigerung des Ministerrates, jegliche Verknüpfung der Lenkzeiten mit der Arbeitszeitrichtlinie im Straßenverkehr zu akzeptieren, ist kein Ruhmesblatt.« Es sei aber kein Wunder, meint Piecyk. Zehn Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, seien nicht einmal ihren Verpflichtungen zur fristgerechten Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie von 2005 nachgekommen. Völlig zu Recht laufe gegen sie ein Vertragsverletzungsverfahren. Piecyk erinnerte an »andere Arbeiten« des Fahrers wie das Be- und Entladen der Fahrzeuge. Sie nähmen einen erheblichen Teil der Arbeitszeit ein, seien ermüdend und hätten direkte Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit.

Freizeit – fernab von der Familie

Kritik an der künftigen Verordnung kam auch von Unternehmerseite. Mit der Entscheidung sei dem Mittelstand im Tourismus eine wesentliche Grundlage seiner Existenz entzogen, ließ Wolfgang Steinbrück, Präsident des Verbandes Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) aus dem thüringischen Gotha, verlauten. »Flexibles, preiswertes und sicheres Reisen wird zukünftig nur noch schwer durchzuführen sein«, behauptete er. Der Spitzenverband der deutschen Busbranche hatte im Vorfeld mehrfach orakelt, die Änderung der EG-Sozialvorschriften werde fatale Auswirkungen auf das Gewerbe haben.

Auch die Begründung für die Novellierung mit einer Erhöhung der Verkehrssicherheit und einem verbesserten Freizeitverhalten für die Arbeitnehmer will Steinbrück nicht gelten lassen. Was sollte es für Vorteile haben, einem Fahrer bei einer klassischen Rundreise mehr Freizeit zu gewähren?, fragt sich Steinbrück. Die Lenkzeiten betrügen oft weniger als drei Stunden am Tag, so dass ausreichend Ruhezeit gegeben sei. »Mit der neuen Regelung wird der Fahrer weniger Zeit für seine Familie haben, da er die freien Stunden unterwegs – weit weg von zu Hause - nehmen muss.«

Egal, ob sich Steinbrücks Kollegen mit den neuen Vorschriften anfreunden werden, oder nicht: Branchen mit hoher Risikoeinstufung – dazu zählen Busunternehmen – sollen strenger und häufiger auf europäischen Straßen kontrolliert werden. Die Mitgliedstaaten müssen ab Januar 2008 an zwei Prozent und ab Januar 2010 an drei Prozent der »Fahrertage« Kontrollen durchführen. Auch der neue Strafkatalog könnte helfen, die Zahl der Omnibusunfälle wegen permanenter Übermüdung der Fahrer zu senken.

Freitag, 3. Februar 2006

Solanas Sorgen - EU-Außenbeauftrage zu Iran und der Hamas

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana (Foto: AFP) hat am Mittwoch vor dem EU-Parlament in Brüssel die Haltung des Westens gegenüber Iran bekräftigt. Solana forderte vor dem Parlament in Brüssel den Iran auf, »in die frühere Situation und an den Verhandlungstisch zurückzukehren«.

Als einen »weiteren Eskalationsschritt hin zu einem Krieg gegen Iran« bezeichnete indes der Europaabgeordnete der Linksfraktion, Tobias Pflüger, die für heute geplante Abstimmung im Gouverneursrat der IAEA zur Überweisung des Atomstreits an den UN-Sicherheitsrat. Iran habe sich bislang – anders als behauptet – im Gegensatz zu Großbritannien und Frankreich an den Atomwaffensperrvertrag gehalten. Selbst Deutschland verzichte nicht auf seine »nukleare Teilhabe« und betreibe den Forschungsreaktor in Garching mit waffenfähigem Uran. All dies verstärke den Eindruck, dass im Atomstreit mit dem Iran mit zweierlei Maß gemessen wird, um ein mögliches militärisches Vorgehen zu legitimieren, sagte Pflüger.

Solana forderte unterdessen in seiner Rede vor den Parlamentariern erneut eine »abgestimmte und transparente Außen- und Sicherheitspolitik«, mit der die EU ihrer »internationalen Verantwortung« gerecht werden könnte. Eine Reihe konservativer Abgeordneter kritisierten deshalb auch die ihrer Auffassung nach ungenügende finanzielle Ausstattung für die EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Die Haltung der Staats- und Regierungschefs zur Außen- und Sicherheitspolitik spiegele nicht »die Ambitionen der EU als globaler Partner« wider, hieß es. Die vorgeschlagenen Reduzierungen der Ausgaben für außenpolitische Konzepte und Maßnahmen in der Finanzplanung für 2007-2013 seien »das falsche Signal«.

Besonders ausgiebig befasste sich das Europäische Parlament mit der aktuellen Situation in Palästina. Solana bezeichnete es als einen großen Fehler, dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas die finanzielle Hilfe bis zur Regierungsbildung verweigern zu wollen. Allerdings gab Solana dem Wahlsieger Hamas einige Forderungen mit auf den Weg. Gewalt sei mit Demokratie nicht vereinbar, sagte er beschwörend.

Die Werbung von Solana für eine Hilfe für Abbas machte indes auf die Parlamentarier wenig Eindruck. In Reaktion auf das Ergebnis der Wahlen in Palästina erklärte das Europäische Parlament in einer am Mittwoch angenommenen Entschließung, dass seine Bereitschaft, »weiterhin der größte Geber von Hilfe für die Palästinensische Autonomiebehörde« zu sein, »von einer klaren Verurteilung der Gewalt seitens der neuen Regierung und einer Anerkennung Israels« abhängen werde.