Donnerstag, 21. August 2008

Amtsschimmel wiehert weiter

Der Einsatz von Edmund Stoiber (CSU) als Experte für Entbürokratisierung in der EU hat bislang kaum zählbares gebracht. Die Liste unsinniger Verordnungen wird nicht kürzer.

Die Büromitarbeiter des EU-Kommissionsvorsitzenden José Manuel Barroso geben nur sehr ungern Auskünfte zur Arbeit des 66–jährigen Stoiber, der im vergangenen November mit viel Vorschusslorbeeren nach Brüssel beordert wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte den Bayern als Vorsitzenden der 15-köpfigen »High-Level-Group« nach Brüssel gelobt. Nun fällt die Personalie auf die Regierungschefin zurück, denn er gilt inzwischen als Fehlgriff.

Stoibers »Expertengruppe« sollte eigentlich bis zum Sommer 2010 arbeiten, die vielen unnötigen Gesetze durchforsten und der Kommission Vorschläge unterbreiten, wie sie schnellstens beerdigt werden könnten. Inzwischen deutet einiges darauf hin, dass der Bayer sein Engagement sehr viel schneller beenden wird als gedacht.

Barroso hatte zu seinem Dienstantritt 2004 dem Amtsschimmel den Kampf angesagt. Federführend war dabei der deutsche Kommissar Günter Verheugen (SPD). Er wollte 222 Rechtsvorschriften und rund 1400 Rechtsakte entstauben oder einfach in den Papierkorb befördern. So könnte man die Wirtschaft bis 2012 um etwa 150 Milliarden Euro entlasten. Doch Verheugen rannte sich fest, gerade einmal 28 Regelwerke wurden vereinfacht. Nur 67 von 500 Änderungsanträgen, durch die verschiedene Bestimmungen eines Rechtsaktes in einen einzigen verschmolzen werden, kamen durch die letzte Entscheidungsebene; nur zwei EU-Gesetze wurde vom Europaparlament abgeschafft.

Stoiber sollte es deshalb als »Externer« richten. Doch die Stimmung in der »High-Level-Group« ist denkbar schlecht, was vor allem mit seinem Stil zusammenhängt. Stoiber pflege einen harschen Ton, könne die widerstreitenden Interessen nicht einen und meide den Kontakt zu jenen, die nicht Deutsch sprächen. Zudem verschwinde er nach den Sitzungen in Brüssel so schnell, wie er eingeflogen war. Die Kontakte, die er bislang aufgebaut habe, seien eher dürftiger Natur, berichten Insider. In der EU-Kommission und selbst in der konservativen Fraktion des EU-Parlaments herrscht inzwischen zunehmender Unmut über Stoibers Rolle. So gestand der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab, dass er zwar nicht viel erwartet habe, »aber dass so wenig herauskommt, hat mich dann doch überrascht«.

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Donnerstag, 14. August 2008

Europas »Blue Card« soll auf den Prüfstand

Die europäische Politik will mit der Blue Card den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnen. Ursprünglich war das Pendant der US-amerikanischen Green Card für hochqualifizierte Arbeitskräfte vorgesehen, inzwischen fordern vor allem osteuropäische Politiker allerdings eine flexiblere Handhabung. Das Bundeswirtschaftsministerium lehnt die Card ab.

Als der Berlusconi-Vertraute und damalige zuständige EU-Innenkommissar Franco Frattini vor einem Jahr seine Idee von einer Blue Card vorstellte, wollte er vor allem die Einwanderung von »falschen Leuten« in die EU verhindern. Der größte Teil der Migranten, die nach Europa kommen, sei beruflich nicht qualifiziert, schimpfte Frattini, und dabei handele es sich immerhin um 85 Prozent. Frattini benannte die USA als Beispiel, wo man das Verhältnis von »Guten und Schlechten« durch die Green Card nahezu umdrehen konnte.

Die Statistiken, welche die Befürworter des Card-Modells gern bemühen, geben darüber Auskunft, dass bereits im Jahr 2050 auf einen Rentner nur noch zwei Arbeitskräfte kommen werden. Dies wiederum stelle die Nachhaltigkeit der Rentensysteme in Frage, heißt es. Da die Beschäftigungsquote steigt, wird es schwieriger, der wachsenden Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften in Europa nachzukommen, da das Angebot an Spezialisten insgesamt sinkt.

In der Debatte um die Blue Card wird inzwischen aber die Tendenz sichtbar, dass es bei der »gezielten« Einwanderung nicht etwa nur noch um hochqualifiziertes Personal geht, sondern auch um Billigarbeiter. Vor allem osteuropäische Staaten melden gegenüber Brüssel ihren Bedarf an Arbeitskräften nicht etwa für spezialisierte, sondern für einfache Tätigkeiten an. Ein ähnliches Problem signalisierte Spanien: Auch dort werden statt Ingenieuren landwirtschaftliche Hilfskräfte gesucht.

Noch in diesem Jahr soll die Entscheidung über eine Einführung der Blue Card fallen. Zunächst wird der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europaparlaments am 15. September eine Entscheidung fällen. Die Europaparlamentarier werden voraussichtlich Anfang Oktober zur Abstimmung gebeten und der amtierende französische EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy wird Mitte Oktober seinen Projektvorschlag für ein »europäisches Einwanderungsabkommen« vorlegen. Eigentlich wollte Sarkozy dann die Blue Card als ein Element des »gemeinsamen europäischen Ansatzes zur Einwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte« verkaufen.

Im Moment deutet jedoch vieles darauf hin, dass sich auch die Auseinandersetzungen um die Blue Card zu einem handfesten europäischen Streitthema auswachsen könnten. Die deutsche Wirtschaft beeilte sich seinerzeit, die Einführung der Card ausdrücklich zu begrüßen. Zwar könne sie den Mangel an Fachkräften nicht beheben, sagte der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, Manfred Wittenstein, doch wenigstens lindern helfen. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erteilte dagegen den Plänen eine klare Absage. Deutschland könne nicht »massenhaft ausländische Arbeitnehmer holen, nur weil wir sie im Moment gerade einmal brauchen«, sagte er. »Das wäre so, als könnte man einen Wasserhahn mal eben auf und wieder zusperren.« In Deutschland gebe es noch »ein sehr großes Reservoir an nicht ausgeschöpfter Arbeitskraft«, begründete Glos die Ablehnung.

Dass sich das demografische Loch in Europa nicht mit einer Blue Card stopfen lässt, verdeutlichen auch folgende Zahlen: Nach einer Veröffentlichung der EU-Kommission wären bis zum Jahr 2050 rund 56 Millionen ausländische Arbeitskräfte notwendig, um den Rückgang der »einheimischen« Bevölkerung der EU zu kompensieren.

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Donnerstag, 7. August 2008

Die Zollschranken fallen

Israel und die Europäische Kommission haben einen weitreichenden Abbau von Zöllen und Beschränkungen in ihren Handelsbeziehungen vereinbart. Gespräche kommen auch zwischen Brüssel, den USA und Brasilien in Gang.

In dieser Woche haben die EU und Israel ein vorläufiges Abkommen zur Liberalisierung des Handels mit Agrarprodukten und Fischereierzeugnissen geschlossen. Es sieht eine weitreichende Reduzierung bilateraler Zölle vor. Auch gab es bislang eine Liste mit jenen Produktgruppen, die ohne weitere Beschränkungen gehandelt werden durften. Mit dem neuen Abkommens gilt nun das umgekehrte Prinzip: Produkte, die nicht auf einer Negativliste aufgeführt stehen, kommen automatisch in den Genuss der zwischen der EU und Israel geltenden Freihandelsbestimmungen.

Künftig sollen nach der Vereinbarung der EU und Israels etwa 95 Prozent aller verarbeiteten Agrarprodukte der vollen Liberalisierung des Handels unterliegen. Bei den übrigen fünf Prozent handelt es sich um Produktgruppen wie Gebäck, Wermutwein oder Traubenschnäpse, für welche die Beschränkungen deutlich reduziert werden. Die EU-Kommission hofft, dass das Abkommen vor allem für Exporteure aus den EU-Ländern neue Möglichkeiten bieten wird, den israelischen Markt wettbewerbsfähig zu bedienen. Andererseits dürften in Zukunft auch die begehrten israelischen Weine und Schnäpse in hiesigen Marktregalen zu finden sein.

Angeblich haben auch die USA nach dem Scheitern der Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) in Genf Interesse an bilateralen Gesprächen mit der EU zur Liberalisierung des Warenverkehrs signalisiert. Darüber informierte der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok nach seiner Rückkehr aus Washington, wo er sich unter anderem mit Weltbankpräsident Bob Zoellick, den wirtschaftspolitischen Beratern von Präsident George W. Bush und mit dem demokratischen Präsidentschaftsbewerber Barack Obama getroffen hatte. Die Beseitigung der Hemmnisse im transatlantischen Handel hätte in den USA und der EU rund 3,5 Prozent Wachstum zur Folge, weltweit schätzungsweise sogar bis zu 1,5 Prozent, rechnete Brok aus.

Die Liberalisierung war bisher am Streit um US-amerikanische »Chlor-Hühner« gescheitert. Die Europäische Kommission hatte dem Ständigen Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit Vorschläge präsentiert, mit denen vier antimikrobielle Stoffe für das Entfernen von gefährlichen Verunreinigungen von Geflügelschlachtkörpern erlaubt und das in Europa geltende Importverbot der mit Chlor behandelten Hühner aufgehoben worden wären. Allerdings stemmten sich sowohl der Europäische Rat als auch das Europäische Parlament erfolgreich gegen diese Pläne.

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