Freitag, 29. Februar 2008

Käse, Bier und Streit

Der berühmte geriebene Hartkäse aus deutscher Produktion wird wohl irgendwann nicht mehr als Parmesan in den Märkten angeboten werden dürfen. Das ist die Konsequenz einer Entscheidung, die der Europäische Gerichtshof am Dienstag verkündete.

Demnach darf nur Käse, der die geschützte Ursprungsbezeichnung »Parmigiano Reggiano« trägt, auch als Parmesan vertrieben und verkauft werden. Damit trägt das Original, das aus der Region um Parma stammt und seit 1996 europaweit geschützt ist, nun einen Teil-erfolg im Käsestreit davon.

Die Klage war vor etwa vier Jahren von der EU-Kommission gegen Deutschland in Gang gesetzt worden. In der Begründung zum Urteil machten die obersten Richter nun deutlich, dass »in Anbetracht der phonetischen und optischen Ähnlichkeit der fraglichen Bezeichnungen und des ähnlichen Aussehens der Erzeugnisse die Verwendung der Bezeichnung ›Parmesan‹ als eine Anspielung auf die Ursprungsbezeichnung ›Parmigiano Reggiano‹ anzusehen« sei, die vom EU-Gemeinschaftsrecht geschützt ist. Deutschland sei zudem den Beweis schuldig geblieben, dass sich die Bezeichnung »Parmesan« inzwischen zu einer Gattungsbezeichnung entwickelt habe.

Dagegen erfüllte sich die Hoffnung der Originalhersteller nicht, dass die Luxemburger Richter den deutschen Staat anweisen würden, gegen den Missbrauch der Bezeichnung im eigenen Land vorzugehen. Der italienische Herstellerverband »Consorzio del Formaggio Parmigiano Reggiano« hatte bereits entsprechende Klagen in Deutschland eingebracht.

In etwa einem Jahr wird der Gerichtshof in Luxemburg zu einem ähnlichen Fall befinden müssen. Dann geht es darum, ob eine niederländische Privatbrauerei weiterhin ein Bier mit der Bezeichnung »Bavaria Holland« in den Handel bringen darf. Die Angelegenheit ist rechtlich allerdings noch weitaus komplizierter als der Käsestreit: Die Niederländer brauen und verkaufen ihr Bier nämlich schon seit 1925. Der Fall ist in dieser Woche an das europäische Gericht weitergeleitet worden und beschäftigt deutsche wie niederländische Juristen bereits seit Jahren. Der EuGH soll nun prüfen, ob es sich bei der Etikettierung des bayerischen Gesöffs nun um eine europaweit »geschützte geografische Angabe« handelt oder nicht. Die von den deutschen Juristen im Käsestreit bemühte Argumentation bezüglich einer Gattungsbezeichnung könnte sich dann als Bumerang erweisen.


Berlin droht EU-Verfahren

Deutschland und Spanien kommen nach Auffassung des Europaparlaments ihren Berichtspflichten gegenüber der EU-Kommission nur ungenügend nach. Ändert sich an dem Zustand nichts, dann sollen die Subventionen, die Brüssel für die Agrarbereiche der beiden Länder auszahlt, nach dem Willen der Abgeordneten um bis zu zehn Prozent gekürzt werden.

Das Europäische Parlament hat am Dienstag in Straßburg einen Bericht über die »Transparenz in Finanzangelegenheiten« angenommen. Darin fordert es u.a., sämtliche Informationen über Empfänger von EU-Geldern offenzulegen. Auch plädieren die Abgeordneten für »berufsethische Regeln« für die Mitglieder der EU-Organe – abhängig von deren jeweiliger spezifischer Natur. Zudem soll die Einführung einer »Schwarzen Liste« nachweislicher Betrugsfälle geprüft werden.

Nach Angaben der EU-Kommission weigerten sich die deutsche und die spanische Regierung, detaillierte Informationen über Unregelmäßigkeiten bei der Auszahlung von EU-Fördermitteln in elektronischer Form zu übermitteln. Beide Länder zeichneten im vergangenen Jahr allein für Unregelmäßigkeiten im Umfang von 146 Millionen Euro verantwortlich, heißt es in einer Resolution des Europaparlaments. Eine Kommissionssprecherin bestätigte, dass es sich dabei nicht etwa um einen einmaligen Vorgang handele. Informationen aus Berlin träfen oft mit erheblicher Verspätung ein, sagte sie. Wenn überhaupt, dann kämen Informationen erst mit jahrelanger Verspätung nach Brüssel, die Namen der Empfänger gäben die deutschen Stellen aber auch dann nicht preis. Damit würde die Überprüfung einer rechtmäßigen Mittelverwendung fast unmöglich gemacht, hieß es.

Wegen eines ähnlichen Vorgangs beabsichtigt die Kommission nun, gegen die Bundesregierung ein Vertragsverletzungsverfahren zu eröffnen. Die EU-Kommission fordert fehlende Daten zur Verwendung von Mitteln aus dem EU-Strukturfonds, die bis 15. Februar hätten vorliegen müssen. Ein Mahnschreiben sei bereits nach Berlin gesandt worden, erklärte Kommissionssprecherin Eva Kaluzynska. Wenn nicht innerhalb eines Monats die fehlenden Unterlagen eingereicht würden, dann drohe Deutschland ein entsprechendes Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

In der Resolution hat sich das Europaparlament in Straßburg dafür ausgesprochen, die Webseiten der Europäischen Kommission mit Informationen über die Empfänger von EU-Geldern aller Art so aufzubauen, dass Nachforschungen auf der Grundlage spezifischer Kriterien möglich werden. Die EU-Kommission wurde zur Prüfung aufgefordert, ob nicht »eine umfassende Suchmaschine geschaffen werden« kann, mit der die Daten zu einzelnen Begünstigten »im ganzen Spektrum der Tätigkeiten der EU« abgerufen werden könnten.

Die Parlamentarier sprachen sich zudem für die Einführung von Ethik-Regeln für EU-Funktionäre und Abgeordnete aus. Demnach sollten sie künftig unter anderen Angaben zu ihren eigenen finanziellen Interessen und denen ihres Ehepartners anfertigen. Der Grund für diese Maßnahme war offenbar hausgemacht: Ausgerechnet der Ehemann von EU-Agrarministerin Mariann Fischer-Boel erhielt als Landwirt satte EU-Subventionen in Höhe von rund 137 000 Euro.

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Sonntag, 24. Februar 2008

Reiches Europa: 19 Millionen arme Kinder

Fast jedes fünfte Kind in Europa ist akut von Armut bedroht, erklärte die EU-Kommission bei der Vorlage ihres jüngsten Sozialschutz-Berichts am Montag in Brüssel. Rasche Besserung ist Experten zufolge nicht in Sicht.

Nach Meldungen über positive Arbeitsmarktdaten holte der zuständige EU-Arbeits- und Sozialkommissar Vladimir Spidla am Montag alle Träumer brüsk in die EU-Realität zurück: Jedes fünfte Kind wächst in der EU in Armut auf, heißt es in dem vorgestellten Entwurf des »Berichts über Sozialschutz und soziale Eingliederung 2008«. Themen des bereits vierten Bericht sind neben Kinderarmut auch der ungleiche Gesundheitszustand, Zugang zu Gesundheitsversorgung, eine Verlängerung des Arbeitslebens und private Rentensysteme. Das Papier soll auf der Frühjahrstagung des Rates den Regierungschefs vorgelegt werden.

Unter den 78 Millionen armutsgefährdeten Europäern sind danach auch 19 Millionen Kinder, wobei die Studie jene Kinder arm nennt , deren Eltern arbeitslos sind und keine ausreichende Einkommenshilfe erhalten oder wenn sie zu den »arbeitenden Armen« gehören, bei denen der Lohn nicht ausreicht, um sich und die Kinder vor Armut zu schützen. Nach Ansicht der Kommission stellen deshalb »ausgewogene, umfassende Strategien zur aktiven Eingliederung ins Arbeitsleben ein zwar mittelbares, aber dennoch wichtiges Mittel zur Förderung des Wohlergehens von Kindern und Jugendlichen« dar.

Laut Statistik ist in Deutschland etwa jedes achte Kind von Armut betroffen ist. Jedoch kann auch die Tatsache, dass dieser Anteil von rund zwölf Prozent nach Dänemark und Zypern der niedrigste Wert in der EU ist, nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Anstrengungen der deutschen Bundesregierung diesbezüglich nicht ausreichen. Immerhin leben hier Schätzungen zufolge mehr als 2,5 Millionen Kinder auf oder unter dem Sozialhilfeniveau von 207 Euro pro Monat. Schlusslichter in der EU sind Polen und Italien: Dort ist etwa jedes vierte Kind von Armut betroffen.

Etwa 23 Prozent der betroffenen Kinder gehören einem Alleinerzieher-Haushalt an, rund 27 Prozent wachsen in besonders großen Familienverbänden auf. Darüber hinaus gehört jedes zehnte Kind in eine Familie, wo beide Elternteile arbeitslos sind. Vor allem Kinder junger Eltern tragen der Studie zufolge mit 27 Prozent ein deutlich höheres Risiko, in Armut aufzuwachsen. In Schweden, Großbritannien, Irland und Polen liege dieser Anteil gar zwischen 31 und 35 Prozent. Bei Eltern zwischen 30 und 39 Jahren verringere sich die Quote auf 19 und bei Eltern über 40 Jahren auf rund 16 Prozent.

Kritisch benannt wird in dem Papier die Beschäftigungsrate in Deutschland von Müttern im Vergleich mit der von Frauen ohne Kinder. Sie liege mit 60 Prozent »relativ niedrig«, heißt es. Dagegen betrage die Rate der Frauen ohne Kinder immerhin 77 Prozent.


EU-Kommissar Spidla forderte die EU-Staaten auf, alles zur Senkung der Kinderarmut in Europa zu tun, damit der »Teufelskreis der Armutsvererbung durchbrochen« werden kann. Derzeit sei in den meisten Mitgliedländern das Risiko für Kinder, in Armut leben zu müssen, deutlich höher als für den Rest der Bevölkerung. Es sei deshalb ein großes gesellschaftliches Problem für Europa.


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Freitag, 15. Februar 2008

Schlechte Noten in der Gleichberechtigung

Die EU-Kommission hat die deutschen Vorschriften zur Gleichberechtigung am Arbeitsplatz scharf kritisiert. Neben Deutschland erhielten noch weitere 13 Mitgliedstaaten ein Schreiben mit der Aufforderung, verschiedene Mängel abzustellen.

Zwei Monate hat die Bundesregierung jetzt Zeit, um der Brüsseler Behörde in Sachen Gleichberechtigung zu antworten, ansonsten droht ihr in dem Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge eine hohe Geldstrafe. Kritisch benannte Vladimír Spidla, der zuständige EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Chancengleichheit, u.a. die in Deutschland geltende Beschwerdefrist von zwei Monaten, die deutlich zu kurz sei. Zudem decke das nationale Recht gegen Diskriminierungen keine Entlassungen ab. Behinderte sind in Deutschland nach Auffassung der Kommission nur unzureichend geschützt, und auch die Regelungen für ältere Arbeitnehmer entsprächen nicht den Vorgaben der EU-Richtlinie. Brüssel kritisierte zudem die beschränkten Möglichkeiten von Verbänden zur Verteidigung von Betroffenen in Verfahren.

Die EU-Mitgliedstaaten hatten der Kommission bereits im Jahr 1997 auf dem Amsterdamer Gipfel den Auftrag erteilt, Maßnahmen zur Bekämpfung der Diskriminierung einzuleiten und deren nationale Umsetzung zu kontrollieren. Zwar haben alle inzwischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie erlassen, doch entsprechen die nationalen Gesetze nicht immer den Anforderungen der EU-Vorgabe. So werde nach Angaben von Spidla schon der Begriff der Diskriminierung unterschiedlich definiert, und die Hilfe für Opfer sei oftmals widersprüchlich formuliert. Die Beweislast läge in einigen Ländern noch immer bei den Opfern.

Wie aus dem kürzlich veröffentlichten Gleichstellungsbericht 2008 hervorging, bestehen innerhalb Europas nach wie vor eklatante Unterschiede in der Bezahlung von Frauen und Männern. Im Durchschnitt lag der Bruttostundenlohn von weiblichen Beschäftigten im Jahr 2006 um 15 Prozent niedriger als der von männlichen Kollegen. In Deutschland verdienen dem Bericht zufolge Frauen sogar 22 Prozent weniger. In Malta und Belgien hingegen erhalten weibliche Angestellte nur etwa drei beziehungsweise sieben Prozent weniger Gehalt. Gleichzeitig sind lediglich knapp ein Drittel aller Managerstellen von Frauen besetzt. In Deutschland liegt dieser Anteil sogar nur bei 27,4 Prozent. Am erfolgreichsten sind Frauen im Management in Lettland und Litauen, wo sie 40 Prozent der Chefpositionen innehatten.

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Donnerstag, 14. Februar 2008

Europa macht die Schotten dicht

Nur wenige Wochen nach der Schengen-Erweiterung hat EU-Justizkommissar Franco Frattini am Mittwoch neue Technologien für den Schutz der EU-Außengrenzen angekündigt und sein »Grenzschutz-Paket« vorgestellt. Flüchtlingsrat und LINKE kritisierten die geplante Verschärfung der Abschottungspolitik.

Es soll nur 15 bis 20 Sekunden dauern: Ein Computer liest den elektronisch aufgerüsteten Reisepass, vergleicht dessen Daten mit Gesichtsform und Fingerabdrücken des Reisenden – und schwupp! öffnet sich das Tor zur Europäischen Union. Schnell, einfach und ziemlich sicher sehe die »Automatisierte Grenzkontrolle« der Zukunft aus, verspricht die EU-Kommission.

EU-Justizkommissar Franco Frattini bezeichnete das gestern in Brüssel vorgestellte »Grenzschutz-Paket« als »Antwort auf den Auftrag des Europäischen Rates«, mit dem »das Reisen für ehrliche Leute einfacher« gestaltet werden soll. Er bezeichnete die Vorschläge als einen »völlig neuen Weg zur Kontrolle unserer Grenzen«. Das System solle bis spätestens 2013 stehen, sagte Frattini.

Das Kernstück ist das »Entry-Exit-System«, das für alle Einreisenden aus Drittstaaten gilt. Mit einer EU-weiten Datendatei sollen künftig die Millionen von Menschen registriert werden, die mit einem Touristen-Visum in die Europäische Union einreisen. Sie müssen einen Personalbogen ausfüllen und der Grenzschutz fordert biometrische Daten ab, die dann in der Datenbank gespeichert werden.

Unter dem Deckmantel der angeblichen Verhinderung von Asyl-Missbrauch sollen nunmehr die EU-Mitgliedsstaaten die Namen der Asylsuchenden nach Brüssel melden, um dort jene Personen ausfindig machen zu können, die in mehreren Ländern Anträge stellten. Zudem sollen Bürger, die aus einem Drittstaat einreisten, unmittelbar nach Ablauf ihres Visums zur europaweiten Fahndung ausgeschrieben werden können. Frattini bezeichnete diese Menschen als »Hauptfaktor der illegalen Einwanderung«. Nach Schätzungen der EU-Kommission gelangten mit einem Touristen-Visum etwa die Hälfte der auf acht Millionen geschätzten »Illegalen« nach Europa.

Der Europäische Flüchtlingsrat ECRE kritisierte die Pläne der EU-Kommission scharf. Die EU schotte sich nach außen weiter ab, ohne Personen in Not den Zugang zum Asylverfahren zu erleichtern, erklärte Generalsekretär Bjarte Vandvik. Nach wie vor gebe es sehr wenige Wege, die EU auf legale Weise zu betreten. Das sieht die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Ulla Jelpke, ähnlich: »Gastfreundschaft ist für Frattini offenbar ein Fremdwort. DIE LINKE lehnt eine Festung Europa, die ihre Gäste wie Kriminelle behandelt, entschieden ab und tritt für Freizügigkeit in einem demokratischen Europa ein.«

Statt in Richtung Freizügigkeit wandelt die EU auf den Spuren der USA: In den USA müssen Einreisende bereits jetzt elektronische Abdrücke beider Zeigefinger sowie ein digitales Foto abgeben. Ähnliches könnte es künftig auch in der EU für alle Einreisenden aus Drittstaaten geben.

Schon jetzt halten Frattinis Pläne allerdings auch für EU-Bürger Unannehmlichkeiten bereit, etwa wenn sie Flugfernreisen planten: Sie müssen künftig Auskunft über ihr Reiseziel und über ihre Essgewohnheiten geben sowie ihre E-Mail-Adresse oder Angaben zur Kreditkartennummer hinterlassen. Nach Auskunft des EU-Kommissars werden auch diese Daten ab 2009 zentral gespeichert.


Nach Angaben des EU-Kommissars belaufen sich die Kosten zur Errichtung des Datensystems auf rund 20 Millionen Euro. Die Mitgliedsstaaten müssten schätzungsweise etwa 35 Millionen Euro zur Einrichtung der automatisierten Kontrollpunkte einplanen. Die Pflege des Datensystems kostet den europäischen Steuerzahler rund sechs Millionen Euro.

Freitag, 8. Februar 2008

Gescheiterte Einschüchterung

Wer sich mit »Olaf« anlegt, muss sich auf Unannehmlichkeiten einstellen. Ein ehemaliger Brüsseler Korrespondent hat mit der Behörde seine eigenen Erfahrungen gemacht und erhielt nun vom Gerichtshof für Menschenrechte Rückendeckung. Am Donnerstag vergangener Woche teilte der Journalist mit, dass Belgien die Forderungen des Gerichts erfüllen werde.

Die Geschichte der EU und ihrer Behörden ist zugleich eine einzigartige Geschichte von Machtmissbrauch und Korruption. Der »berühmteste« Skandal, die »Eurostat-Affäre«, zog sich nicht nur über sieben Jahre hin, sondern führte im März 1999 sogar zum Rücktritt der gesamten EU-Kommission unter Jacques Santer. Die EU-Statistikbehörde Eurostat soll seinerzeit Millionenaufträge einigen wenigen Firmen zugeschanzt haben, die einen beträchtlichen Teil ihrer Gewinne auf Schwarzkonten umgeleitet hatten.

Der Sturz der Santer-Kommission führte zwar zur Auflösung der damaligen Korruptionsbehörde Uclaf, doch auch die Nachfolgeorganisation namens Olaf muss sich den Vorwurf gefallen lassen, oftmals nur als Anhängsel der EU-Kommission zu fungieren. Nach Auffassung einiger EU-Abgeordneten könne eine derart eingebundene und abhängige Organisation niemals wirksam gegen Betrug und Korruption im Inneren des europäischen Gebildes vorgehen. Die Kritiker äußerten die Vermutung, dass Olaf eher die Kommission vor Angriffen von außen schützen würde als konsequent gegen interne Schlampereien vorzugehen.


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Tatsächlich lieferte die Behörde in der Folge mehr als einen Anhaltspunkt für derlei Befürchtungen. Der Journalist Hans-Martin Tillack vom »Stern« etwa hatte im Jahr 2002 weiter zu dem Skandal beim Europäischen Amt für Statistik recherchiert und darüber in mehreren Beiträgen berichtet. Tillacks Recherchen bezogen sich eben auf jene fiktiven Verträge und versteckten Konten der Behörde, die auch noch den Santer-Nachfolger Romano Prodi ins Schlingern brachten. Im Zuge der Ermittlungen von Olaf gegen Eurostat wurde Hans-Martin Tillack der Bestechung verdächtigt, weil sich seine Beiträge auf einige durchgesickerte Dokumente von Eurostat beriefen. Olaf setzte das Gerücht in Umlauf, ein Journalist habe für diese Informationen Geld bezahlt. Einen Beweis für diese Behauptung blieben die Fahnder allerdings bis zum heutigen Tage schuldig.

Tillack staunte nicht schlecht, als die belgische Polizei im März 2004 im Auftrag von Olaf in der Tür stand und sowohl sein Brüsseler Büro als auch die Wohnung durchkramte. Aktenweise transportierten die Beamten »Beweismaterial« ab und beschlagnahmten den Computer. In einem nachfolgenden Verhör wurde Tillack der Rechtsbeistand verweigert. Mit einem Schlag stand in der europäischen Hauptstadt die Frage nach dem Wert der Pressefreiheit und nach Quellenschutz auf dem Prüfstand.

Die Hoffnung der Behörde Olaf, die Sache werde irgendwann in Vergessenheit geraten, erfüllte sich nicht. Tillacks Auftraggeber ging in die Offensive und reichte zunächst eine Klage gegen Belgien ein, die umgehend abgeschmettert wurde. Schließlich rief der Verlag vor knapp zwei Jahren den Internationalen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg an, um dort klären zu lassen, ob mit der Beschlagnahme von Aktenmaterial gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtscharta verstoßen wurde und wie es sich in diesem Zusammenhang mit dem Schutz von journalistischen Quellen verhalte.


In der vergangenen Woche bestätigte die belgische Polizei nun, dass das Eigentum Tillacks umgehend zurückgegeben werde. Zuvor hatte der Straßburger Gerichtshof geurteilt, dass eine Anklage gegen den Reporter nichtig sei. Die Begründung: Die von Olaf inszenierte und von der belgischen Polizei durchgeführte Aktion habe das Recht Tillacks auf Redefreiheit verletzt. Die deutsche Delegation der linken GUE/NGL-Fraktion im Europäischen Parlament bezeichnete das Urteil nun als »Sieg für die Pressefreiheit und als Mahnung an die Mitgliedsstaaten der EU, die politischen Grundrechte ihrer Bürger zu respektieren und zu schützen«. Unliebsame Journalisten einzuschüchtern oder gar wegzusperren, seien Methoden, die in diesem Europa keinen Platz haben, äußerte die Sprecherin der Linken im EU-Parlament, Gabi Zimmer. Sie bezeichnete den Prozess als »eine Farce, die ganz offensichtlich darauf abzielte, einen Journalisten mundtot zu machen, der die Pfründe einiger Top-Beamter in Brüssel gefährdete«.

Freitag, 1. Februar 2008

Solana will Antworten aus Teheran

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hat die Haltung der Europäischen Union unterstrichen, die diplomatischen Bemühungen um »konstruktive Beziehung mit Iran« fortzuführen.

Am Mittwoch hatte der künftige »Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik« seinen Auftritt vor dem Europäischen Parlament in Brüssel. Solana erklärte, dass es zwar durchaus Anzeichen für eine Zusammenarbeit mit Teheran gab, aber Iran den Vorwurf einer atomaren Waffenentwicklung bislang nicht entkräften konnte. Iran müsse »bestimmte Fragen beantworten«, sagte Solana, sorge jedoch bislang nicht für die notwendige Transparenz.

Vor einer Woche hatte sich der iranische Chefunterhändler Said Dschalili den Fragen der EU-Parlamentarier gestellt und seinerseits für einen Dialog als Grundlage der Zusammenarbeit geworben. Dschalili hatte erneut auf »das Recht, Uran anzureichern« verwiesen, weil sein Land in den »nächsten 20 Jahren 20 000 Megawatt Energie« benötigen werde. Iran habe seine »Verpflichtungen als Mitgliedstaat der Internationalen Atomenergieagentur und aus dem Atomwaffensperrvertrag erfüllt«. Teheran sei sogar darüber hinausgegangen, indem man die Urananreicherung über zwei Jahre lang ausgesetzt habe.

Dschalili bekräftigte, dass Iran prinzipiell gegen Nuklearwaffen sei. In der militärischen Doktrin seines Landes spielten sie »keinerlei Rolle«. Massenvernichtungswaffen würden aus seiner Sicht »weder Sicherheit noch Macht« bringen. Iran wolle den Chef der Internationalen Atomenergieagentur, Mohammed El Baradei, dabei unterstützen, bis März einen Bericht über die jüngsten Inspektionen der Behörde in Iran abzufassen. Dschalili verwies auf dessen Einschätzung, dass es für ein illegales militärisches Atomprogramm Irans »keinerlei Belege« gebe.

Der Abgeordnete der linken GUE/NGL-Fraktion Tobias Pflüger zeigte sich allerdings schockiert von der Ankündigung Dschalilis, Iran wolle 20 neue Atomkraftwerke bauen. Es gebe weltweit eine Renaissance der Atomenergie, stellte Pflüger fest. Er sprach sich deutlich gegen eine neue Resolution aus, auf die sich die Außenminister der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin geeinigt hatten. In dem Papier werden Iran verschärfte Sanktionen angedroht, falls es mit der Urananreicherung fortfahre. Pflüger bezeichnete solche Sanktionsdrohungen als »kontraproduktiv, insbesondere auch für die demokratische Opposition«.

Scharfe Kritik übten auf der Sitzung am Mittwoch mehrere Abgeordnete an den Erklärungen der EU-Kommission sowie der slowenischen Ratspräsidentschaft zur geplanten Stationierung des US-amerikanischen Raketenabwehrsystems in Tschechien und Polen. Sowohl Rat als auch Kommission sehen sich in dieser Frage offenbar nicht in der Verantwortung. Über den Sachverhalt sei im Ministerrat nicht diskutiert worden und es sei auch keine Debatte darüber geplant, meinte der slowenische Vertreter Janez Lenarcic. Auch EU-Außenkommissarin Benito Ferrero-Waldner unterstrich, dass sich die Kommission dafür nicht zuständig fühle. Derlei falle in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, wiegelte sie ab. Allerdings hoffe die Kommission, »dass eine ausgewogene Lösung gefunden wird«.

Unterdessen plant Russland als Antwort auf die geplante Stationierung in Osteuropa eine groß angelegte Umgruppierung seiner Truppen in der Exklave Kaliningrad. Das Verteidigungsministerium informierte gegenüber einer Nachrichtenagentur darüber, dass mit der Verlegung von Truppen künftig »russische Interessen besser geschützt« werden sollen.