Freitag, 25. Mai 2007

Mit »DAPHNE« gegen Gewalt


Das eigene Zuhause ist der gefährlichste Ort für viele Frauen, sagt die EU-Abgeordnete Lissy Gröner. In dieser Woche hat das Europaparlament dem Ausbau eines Programms gegen Gewalt an Frauen, Kindern und Jugendlichen zugestimmt.

Das Europäische Parlament hat zu Beginn dieser Woche »DAPHNE« als eigenständiges Anti-Gewaltprogramm bestätigt. Für den Zeitraum zwischen 2007 und 2013 stehen nun knapp 117 Millionen Euro für vorbeugende Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen, Kindern und Jugendlichen zur Verfügung. Die EU-Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, DAPHNE mit dem Anti-Drogenprogramm zusammenzulegen. Dieses Vorhaben war am Frauenausschuss des Europaparlaments gescheitert.

»Gewalt gegen Frauen kann viele Formen annehmen«, heißt es in dem Beschluss, dem das Europä-ische Parlament abschließend zugestimmt hat. Eckpunkte des Programms sind ein besserer Gesundheitsschutz speziell für Kinder, Jugendliche und Frauen, die Gleichstellung der Geschlechter, die Bekämpfung von häuslicher und von geschlechtsspezifischer Gewalt in Konfliktsituationen, der Schutz der Rechte des Kindes, das Vorgehen gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung sowie Aktivitäten zur Zurückdrängung der Genitalverstümmelung.
DAPHNE legt zudem einen Schwerpunkt auf lokal und regional angesiedelte Präventivmaßnahmen zugunsten von Gewaltopfern. An dem Programm können private sowie öffentliche Organisationen und Einrichtungen teilnehmen, die Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen bekämpfen oder Opfer unterstützen. Auch europaweite Projekte mit dem Ziel, für Gewalt zu sensibilisieren oder kostenlose Kinder-Notrufdienste zu fördern, sind Bestandteil des Programms.

Berichterstatterin Lissy Gröner (SPD) erinnerte daran, »dass gerade das eigene Zuhause der gefährlichste Ort für viele Frauen ist«. Misshandlungen durch Ehemänner oder Partner, Väter oder Brüder gehörten für Frauen aus allen Mitgliedstaaten zum Alltag, jede dritte bis vierte Frau habe bereits Formen von körperlicher oder sexueller Gewalt erfahren. Grenzüberschreitende Phänomene, wie Frauenhandel mit immer jünger werdenden Frauen, Genitalverstümmelungen in der Migrationsbevölkerung, Gewaltverbrechen im Namen der Ehre, Handel mit Kinderpornographie im Internet, homophobe Gewalt seien deshalb die Aktionsfelder für DAPHNE III, erklärte Gröner, wobei diese Liste »keineswegs vollständig« sei.


DAPHNE geht bereits in die dritte Runde, nachdem im Jahr 2000 das erste europäische Anti-Gewaltprogramm gestartet war. Zwischen 2000 und 2003 stellte die Europäische Union 20 Millionen Euro für das Programm zur Verfügung, im Zeitraum zwischen 2004 und 2007 waren es bereits 50 Millionen Euro. Auch die wichtigsten Änderungsvorschläge, welche die Europaparlamentarier in der ersten Lesung im September 2006 eingebracht hatten, wurden in der abschließenden Fassung berücksichtigt.

Montag, 21. Mai 2007

Bolkestein wird wieder verschärft


Schon früher gab es Versuche, die Kompromiss-Variante der EU-Dienstleistungsrichtlinie wieder zu verschärfen. Dieser Tage stimmte der Binnenmarkt-Ausschuss des Europaparlamentes dafür, Gesundheitsdienste nicht mehr als Daseinsvorsorge zu werten und wieder in die Bolkestein-Richtlinie zu integrieren. Damit würden sie dem ruinösen Wirken des Marktes unterworfen.

Der Änderungsantrag 172, der vom liberalen EU-Abgeordneten Toine Manders mit knapper Mehrheit (22 zu 18 Stimmen) im Ausschuss durchgeboxt wurde, fordert die EU-Kommission auf, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Gesundheitsdienste in die Richtlinie 2006/123/EG wiedereingegliedert werden könnten und wie sich die Rechtsprechung des EU-Gerichtshofs (EuGH) in Bezug auf Patientenrechte kodifizieren lasse. Der EuGH hatte wiederholt geurteilt, dass Gesundheitsdienstleistungen grenzüberschreitend erbracht werden müssen, weil die »Dienstleistungsfreiheit« ein Teil des EU-Binnenmarktes sei und damit für alle 27 EU-Staaten gelte.

Im Rahmen der Bolkestein-Debatte wurden die Gesundheitsleistungen seinerzeit bewusst ausgenommen, weil sie nach Ansicht der Mehrheit der EU-Parlamentarier einen Bestandteil der öffentlichen Daseinsfürsorge darstellen und deshalb nicht wie andere Branchen behandelt werden dürfen. Der linke Abgeordnete Soren Bo Sondergaard befürchtet nun, dass der Ausschluss, der nach starken Bemühungen von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gegen die erste Fassung des »Bolkestein«-Entwurfs erreicht wurde, gefährdet sei. Der Bericht spiele der Kommission in die Hände, die bereits angekündigt hat, für diesen Sektor bis Ende 2007 neue Vorschläge vorlegen zu wollen.

Sondergaard nannte den Bericht und die Abstimmung eine »absolute Katastrophe«. Andere Abgeordnete schlossen sich seiner Einschätzung an. Die konservative Europaabgeordnete Marianne Thyssen, stellvertretende Vorsitzende der konservativen Fraktion, erklärte etwa, dass sie die Unterstützung eines Textes ablehne, der einen solch »unklugen« Paragraphen enthalte und der einer früheren grundsätzlichen Entscheidung des Parlaments deutlich widerspreche.

Die grüne Abgeordnete Heide Rühle befürchtet ebenfalls, dass die Bereitstellung dieser wichtigen öffentlichen Dienstleistung untergraben werden könnte. Sie hofft, dass in der Plenarsitzung »jegliche Vorschläge abgelehnt werden, die darauf abzielten, Gesundheitsdienste als rein kommerzielle Dienstleistungen zu behandeln. Der Fraktionschef der sozialdemokratischen SPE erinnerte die EVP-Abgeordneten an die Absprachen, die den Richtlinien-Kompromiss ermöglicht hatten.


Sondergaard indes hofft, dass Gewerkschaften und Sozialbewegungen »in hohem Grade alarmiert werden«. Das Papier soll am 24. Mai im Straßburger Plenum aufgerufen werden.

Freitag, 18. Mai 2007

Chertoffs großes Kino


Die USA wollen unter Verweis auf »Terrorgefahren« auch weiterhin zahlreiche Daten europäischer Flugpassagiere speichern. Das war das Ergebnis eines Treffens von USA-Heimatschutzminister Michael Chertoff mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und EU-Justizkommissar Franco Frattini in Brüssel.

Der USA-Minister warb am Montag während einer Anhörung im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) für die Fortsetzung der Interimsvereinbarung zur Weitergabe der Daten zwischen den USA und der EU, die bis Ende Juli gilt. In den zurückliegenden Verhandlungsrunden hatten die Amerikaner eine Speicherdauer von 99 Jahren gefordert, in Brüssel vermied Chertoff allerdings eine zeitliche Angabe. »Terroristen schmieden oft Pläne, die erst nach einigen Jahren in die Tat umgesetzt werden«, meinte Chertoff lediglich. »Wir müssen in der Lage sein, die Fäden auch noch nach Jahren zusammenzuführen.«

Der EU-Kommissar für Inneres, Franco Frattini, ein Vertrauter des ehemaligen italienischen Mnisterpräsidenten Silvio Berlusconi, zeigte sich vor der Presse optimistisch, dass eine Lösung mit den USA gefunden wird. Trotz einiger Meinungsunterschiede gebe es bereits Übereinstimmung in Fragen des Datenschutzes, sagte er. »Außerdem stimmten die USA grundsätzlich zu, dass die Europäer eine einheitliche Behandlung für alle Bürger aus den verschiedenen Staaten brauchen.«

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Europäischen Parlament, Wolfgang Kreissl-Dörfler, bezeichnete den Auftritt Michael Chertoffs in Brüssel als »großes Kino«. Man müsse genau wissen, welchen Beitrag die Fluggastdaten tatsächlich zur Prävention von Anschlägen leisten und wann sie wieder gelöscht werden; ohne »harte Fakten« könne man die Notwendigkeit solcher Maßnahmen nicht vernünftig einschätzen. Bloße Vermutungen, wonach die Sicherheit erhöht werde, rechtfertigen die dauerhafte Beschränkung von Bürgerrechten nicht, sagte Kreissl-Dörfler.

Nach Ansicht des Grünen-Abgeordneten Cem Özdemir hat sich der Vertreter der deutschen Ratspräsidentschaft, Innenminister Wolfgang Schäuble, »mit wolkigen Formulierungen« begnügt, die keinen Schluss darauf zuließen, was die EU nun wirklich vorhabe. Die Ausführungen Frattinis, der die Geheimverhandlungen mit den USA über ein neues Abkommen führt, hätten überhaupt nicht klar gemacht, wohin die Reise gehe.


Derzeit finden auch Verhandlungen über die gegenseitige Visaerteilung und deren Voraussetzungen zwischen EU und USA statt. Ziel ist eine gleichberechtigte und umfassend geregelte Aufhebung der Visumspflicht für Europäer und USA-Bürger im Rahmen sogenannter Kurzaufenthalte von bis zu drei Monaten.

Montag, 14. Mai 2007

ÖPNV auf neuen Wegen


Nach einem siebenjährigen Gesetzgebungsverfahren haben sich das Europäische Parlament (EP) und der Rat jetzt in Brüssel auf die Revision der EU-Verordnung über Öffentlichen Personennah- und Regionalverkehr (ÖPNV) geeinigt. Die Neuregelung wurde am Donnerstag durch das Europaparlament in Brüssel bereits nach der zweiten Lesung verabschiedet.

Mehr als fünf Jahre hat das EP auf den gemeinsamen Standpunkt des Ministerrates warten müssen, nun assistierte Berichterstatter Erik Meijer von der linken Fraktion GUE/NGL sogar »ein hohes Maß an Übereinstimmung« zwischen den Auffassungen des Parlaments in erster Lesung sowie der Kommission und des Ministerrats. Demnach können die Kommunen künftig entscheiden, ob sie ÖPNV-Dienste selbst erbringen oder für den Wettbewerb öffnen wollen. Auch eine Direktvergabe, etwa an kleine und mittlere Unternehmen, soll möglich sein. Die Verordnung soll zwei Jahre nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft treten.

Der Verordnung zufolge können Städte und Regionen beschließen, selbst öffentliche Personenverkehrsdienste zu erbringen oder öffentliche Dienstleistungsaufträge direkt an eine rechtlich getrennte Einheit zu vergeben, über die sie die Kontrolle ausüben. Werden die Dienste Dritter in Anspruch genommen, muss ein wettbewerbsrechtliches Vergabeverfahren erfolgen. Dagegen können Aufträge, die entweder einen geschätzten Jahresdurchschnittswert von weniger als einer Million Euro oder eine jährliche öffentliche Verkehrsleistung von weniger als 300 000 Kilometer aufweisen, direkt vergeben werden. Entsprechend einem Änderungsantrag darf dieser Schwellenwert für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht mehr als 23 Fahrzeuge besitzen, bis auf 600 000 Kilometer oder einen geschätzten Jahresdurchschnittswert bis zu zwei Millionen Euro erhöht werden.

Die Laufzeit von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen soll nach dem Kompromisspapier auf höchstens zehn Jahre für Busverkehrsdienste und auf höchstens 15 Jahren für Personenverkehrsdienste mit der Eisenbahn oder anderen schienengestützten Verkehrsträgern begrenzt sein. Geltende Verträge können für ihre vorgesehene Laufzeit gültig bleiben, jedoch nicht länger als 30 Jahre. Die Übergangsfrist für die Anwendungen der neuen Bestimmungen wurde vom Parlament auf zehn Jahre festgesetzt.

Ausdrücklich gelobt wurde Berichterstatter Erik Meijer für den ausgehandelten Kompromiss von seinem Fraktionskollegen Helmuth Markov. Statt einem Verdrängungswettbewerb zu Gunsten privater Großunternehmen oder Lohnsenkungen und Arbeitsplatz unsicherheit Tür und Tor zu öffnen, gebe die EU hier einen gemeinsamen Rahmen vor, der einerseits dem Funktionieren dieser Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Union dient, anderseits es den kompetenten Entscheidungsträgern vor Ort überlässt, in welcher Form die Umsetzung erfolgt, sagte Markov. Entgegen einem Antrag der Linksfraktion sei den Mitgliedstaaten aber leider nicht vorgeschrieben worden, Arbeitnehmer gegen Lohnkürzungen und Entlassungen zu schützen, schränkte er ein.


Michael Cramer, Mitglied der Grünen im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments, kritisierte den Kompromiss als eine »tiefe Verbeugung der EU-Institutionen vor den nationalen Besonderheiten, die darauf hinausläuft, dass die verkrusteten Strukturen nicht wesentlich verändert werden«. Deutschland und Frankreich hätten etwa durchgesetzt, dass der schwere Eisenbahnverkehr von Regional- und S-Bahnen von dieser Verordnung ausgenommen wird. Die öffentlichen Verkehrsunternehmen von Bus, U- und Straßenbahnen hätten erreicht, dass einerseits die großen kommunalen Verkehrsbetriebe in den Großstädten per Direktvergabe weiter bedient werden können und andererseits die Marge für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) so hoch gesetzt wurde, dass z.B. in Deutschland fast 80 Prozent der Verkehrsdienste von dieser Verordnung überhaupt nicht erfasst werden.

Freitag, 11. Mai 2007

Boomende Geschäfte


Erstmals hat Brüssel eine Strategie vorgeschlagen, die eine Verbindung von Kultur und Ökonomie schafft.

Die Kritik des deutschen Kulturstaatsministers Bernd Neumann zu Jahresbeginn war deutlich: Das kulturell-kreative Potenzial Europas sei leider bei der Formulierung der Lissabon-Strategie »nur wenig oder gar nicht berücksichtigt worden«, klagte er im Brüsseler Kulturausschuss. Und forderte, mit einem »lang gepflegten Vorurteil Schluss zu machen« – dass Kultur immer nur Geld kostet.

Der Minister konnte sich auf eine von der EU-Kommission im November 2006 vorgestellte Studie berufen. 5,8 Millionen Beschäftigte erwirtschafteten 2003 rund 654 Milliarden Euro in den verschiedensten Kulturbereichen. Sie leisten einen Beitrag zur Wirtschaft in Europa, der höher ist als jener der Ernährungsbranche (1,9 Prozent).

Die EU-Kommission hat nun am Donnerstag eine Mitteilung zur Rolle der Kultur in einer globalisierten Welt vorgestellt, die ausdrücklich auf den Zusammenhang zwischen Kultur und Wirtschaft hinweist. Eine Kultur-Agenda soll nach den Worten der Kommissare Jan Figel und Louis Michel außerdem dazu beitragen, die kulturelle Vielfalt innerhalb Europas zu fördern und sich durch einen intensiven interkulturellen Dialog vor allem auch den Entwicklungsländern zu öffnen. Als Anschubfinanzierung will die EU zur Intensivierung solcher Projekte mit den AKP-Staaten rund 30 Millionen Euro von 2007 bis 2013 bereitstellen. Außerdem verwies Figel darauf, dass die Mobilität der Kunst auch eine Mobilität der Künstler erfordere.


Wie weit jedoch Anspruch und Wirklichkeit schon in Europa auseinanderfallen, zeigt ein Bericht der französischen Orchester-Dirigentin und Europaabgeordneten Claire Gibault. Das Papier zum sozialen Status von Künstlern beschäftigt sich kritisch u.a. mit deren Niederlassungsfreiheit und der Arbeitnehmerfreizügigkeit. So war die liberale Politikerin in Europa immer wieder auf Visa-Probleme gestoßen. Auch seien zwar überall Sozialversicherung, Rentenbeiträge und manchmal auch Arbeitslosenversicherung einbezahlt worden, doch die »daraus resultierenden Rechte wurden oft nicht ins Heimatland übertragen«.

Dienstag, 8. Mai 2007

EU stoppt Galileo-Projekt


Das aus acht europäischen Unternehmen bestehende private Industriekonsortium wird keine Konzession für den Aufbau und den Betrieb des mit reichlich Vorschusslorbeeren bedachten Satellitennavigationssystems Galileo erhalten. Nunmehr soll die Europäische Weltraumagentur ESA für die Positionierung der geplanten 30 Satelliten verantwortlich zeichnen.

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hatte am Montag in seiner Rolle als Vorsitzender des EU-Verkehrsministerrates die nahende Bruchlandung des milliardenschweren Vorzeigeprojekts in Brüssel gestoppt. Und er nannte gleich mehrere Gründe für seine Initiative. Ein Auslöser ist die Tatsache, dass sich die acht Weltraumfirmen, die dem Konsortium angehörten, bislang nicht über die Führungsrolle einigen konnten.

Dabei war Galileo einst mit einem gewaltigen medialen Getöse gestartet, denn es sollte die Abhängigkeit der EU-Staaten zum hauptsächlich militärisch genutzten US-amerikanischen Satellitennavigationssystem GPS beenden. Übrig blieben Luftblasen. Der Luftfahrtkonzern EADS, die italienische Finmeccanica, die französischen Unternehmen Alcatel und Thales, die britische Inmarsat, Aena und Hispasat aus Spanien sowie die deutsche Teleop – mit Beteiligung der Deutschen Telekom – gründeten weder die geforderte Betreibergesellschaft, noch erzielten sie Einigung über eine Aufgabenverteilung. Außerdem unterzeichneten sie bis zum heutigen Tag nicht den von der EU vorgelegten Konzessionsvertrag. Stattdessen ignorierten sie bislang das von Verkehrskommissar Jacques Barrot verhängte Ultimatum, das am 10. Mai auslaufen wird.

Galileo war von Beginn an als ein ziviles Projekt konzipiert. Mit dem Stopp beginnen nun allerdings erneut die Diskussionen darüber, ob nicht auch eine militärische oder polizeiliche Nutzung des Navigationssystems sinnvoll wäre. Frankreich hatte eine solche Variante ohnehin immer bevorzugt, Deutschland sich dagegen gesträubt. Inzwischen hat sich allerdings auch der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, Hans-Peter Friedrich, in einem Zeitungsinterview für eine militärische Nutzung ausgesprochen, »weil dies ein Schritt zu einer gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wäre«.

Dagegen lehnt der Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS, Helmuth Markov, nach wie vor eine militärische Nutzung ab, unter anderem deshalb, weil dadurch die »viel gepriesene höhere Zuverlässigkeit von Galileo gegenüber GPS hinfällig« würde. Es bestehe die Gefahr, dass im militärischen Ernstfall »alle zivilen Anwendungen von Galileo mit einem Schlag unbrauchbar gemacht würden«, weil die Frequenzen blockiert wären, argumentierte Markov.
Die finanziellen Lasten des Galileo-Projekts in Höhe von rund vier Milliarden Euro werden nunmehr den Steuerzahlern aufgebürdet – ursprünglich war eine rein private Finanzierung durch die beteiligten Unternehmen vorgesehen.

Ob und inwieweit private Konzessionäre nun künftig in das Prestigeprojekt Galileo eingebunden werden, wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.


Endgültig beschlossen werden soll das weitere Vorgehen im Fall Galileo im Juni im Verkehrsministerrat, kündigte Tiefensee an. Er schloss allerdings aus, dass das Projekt ganz aufgegeben werden könnte.

Freitag, 4. Mai 2007

Aufklärung am Lkw


In der vergangenen Woche brach in Straßburg ein Truck der Europäischen Union zu einer mehr als 18 000 Kilometer weiten Informationsreise durch 19 EU-Staaten auf. Die Tour ist Teil der Kampagne zum europäischen Jahr »Für Vielfalt. Gegen Diskriminierung«.

Der Truck soll über die europäische und nationale Gesetzgebung zur Bekämpfung von Diskriminierung am Arbeitsplatz informieren und Auskunft zu den Rechten und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern geben. Nationale Partner der Kampagne, Nichtregierungsorganisationen, Ministerien, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände können Besucher zum Thema Diskriminierung beraten. Zum Programm zählen Podiumsdiskussionen mit Politikern und anderen Prominenten, Live-Musik, Filme und Workshops.

Höhepunkte der diesjährigen Tour sind ein mobiler »Ability Parcours« – ein Geschicklichkeitstest –, eine Wanderausstellung mit den besten Entwürfen, die für den Posterwettbewerb »Breaking Stereotypes« (Stereotype brechen) eingereicht wurden, sowie sogenannte Video Vox Pops, die den Besuchern die Möglichkeit geben, vor laufender Kamera ihre Meinung zum Thema Diskriminierung zu äußern.

Zwar steht mit Saarbrücken am 29. Juli nur ein einziger Termin in Deutschland auf dem Tourenplan, doch ist das Thema auch in der Bundesrepublik brisant. Initiativen und Verbände erinnern beispielsweise daran, dass die Antirassismus-Richtlinie der EU nicht in vollem Umfang umgesetzt wurde, weshalb die EU-Kommission vor zwei Jahren ein Verfahren dgegen Deutschland eröffnete. Die Richtlinie war im Jahr 2000 vom EU-Rat einstimmig auf den Weg gebracht worden, die Frist für die Umsetzung endete im Juli 2003.

Erst drei Jahre nach dem Ende dieser Übernahmefrist wurde am 18. August 2006 im Bundestag das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nach langen Auseinandersetzungen verabschiedet. Doch auch mit dem Ergebnis leben Interessenverbände und Oppositionsparteien mehr schlecht als recht. Von »schwarz-rotem Murks im Detail« sprach Bündnis 90/Die Grünen. Auch wenn das Gesetz »eine Reihe von Mängeln aufweist«, habe man dem Kompromiss zugestimmt, weil weitere Verzögerungen »unverantwortlich« gewesen wären.


Hinsichtlich der Antirassismusrichtlinie und der Rahmenrichtlinie zu Beschäftigung und Beruf hat der Europäische Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Bundesrepublik ihre vertraglichen Verpflichtungen verletzt hat.