Freitag, 20. Juli 2007

Störfeuer gegen CIA-Ermittler

Der zweite Bericht des Sonderermittlers des Europarats, Dick Marty, sorgte nun auch im Europäischen Parlament für Unruhe. Marty wirft zwei EU-Abgeordneten vor, von Foltergefängnissen in Polen und Rumänien gewusst zu haben.

Gespannt wurde der Auftritt von Marty vor den Europaparlamentariern am vergangenen Dienstag in Brüssel erwartet. Denn dessen Anschuldigungen betrafen auch zwei Mitglieder des Gremiums der Volksvertreter: Marek Siwiec, einem Mitarbeiter der früheren polnischen Regierung und immerhin Vizepräsident des EU-Parlaments, und dem ehemaligen rumänischen Verteidigungsminister Ioan Mircea Pascu wirft Marty vor, von den Geheimgefängnissen gewusst zu haben. Siwiec soll als früherer Leiter des Büros für Nationale Sicherheit für CIA-Gefangenenaustauschprogramme in Polen in den Jahren 2002 bis 2005 mitverantwortlich gewesen sein und auch Pascu, heute Vizechef des Außenpolitischen Ausschusses, habe Kenntnis von den illegalen Folterstätten gehabt.


Siwiec drohte dem CIA-Europaratsberichterstatter Marty inzwischen mit einer Klage vor einem polnischen Gericht, falls sein Name nicht binnen sieben Tagen aus dem Bericht, den Marty Anfang Juni veröffentlichte, gestrichen wird. Außerdem wies er in einer anwaltlichen Erklärung die Vorwürfe zurück: Er habe zu keiner Zeit »an irgendwelchen Verhandlungen oder Diskussionen über das CIA-Gefangenenprogramm teilgenommen«, hieß es. Allerdings schloss Siwiec eine mögliche Existenz von Geheimgefängnissen in Polen nicht aus. Der rumänische Abgeordnete Pascu hielt sich bislang mit einer Klagedrohung zurück, erklärte aber, dass Marty für solche Behauptungen keinerlei Beweise vorlegen könne.

Vor allem von polnischen und rumänischen Abgeordneten wurden die Recherchemethoden des Sonderermittlers kritisiert. Marty allerdings verteidigte sich mit dem Argument, er habe nur Informationen in die Öffentlichkeit gebracht, die von mehreren Quellen stammten, die er als »hochrangige Persönlichkeiten« bezeichnete. Ihnen habe er Vertraulichkeit zugesichert, deshalb wären ihre Namen nicht in dem Bericht erwähnt. Die Angaben habe er anschließend mit den Flugbewegungen verglichen.

Die CIA habe im Zuge ihres Kampfes gegen den internationalen Terrorismus »hunderte von Verdächtigen« außerhalb jedes Rechtssystems gekidnappt und in Länder verschleppt, wo sie gefoltert wurden, sagte Marty am Dienstag vor dem Ausschuss für Bürgerrechte des Europaparlaments. In Europa habe sie dies nur mit Zustimmung oder gar Mitwirkung europäischer Geheimdienste tun können. Grundlage dafür sei ein Abkommen auf NATO-Ebene, das sich auf Artikel 5 der NATO-Charta stütze – also auf den »kollektiven Verteidigungsfall«. Teile dieses Abkommens, die operative Details der Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten regeln, seien aber nie veröffentlicht worden.

Nach Angaben des sozialdemokratischen Europaabgeordneten Claudio Fava, der für den Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses verantwortlich zeichnete, der Anfang des Jahres bestätigt wurde, habe es in Italien und Polen illegale CIA-Gefängnisse gegeben. »Wir haben 14 europäische Regierungen ermittelt, die den USA halfen, Untersuchungsmaßnahmen durchzuführen und die Geheimgefängnisse zu errichten, deren Existenz der Genfer Konvention widerspricht«, sagte Fava.

Die rumänische Regierung hat unterdessen aus Protest gegen die angeblich »tendenziösen Ermittlungen« von Marty ihren Platz in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates geräumt. Solange Marty nicht persönlich nach Rumänien reise, um seine Vorwürfe zu überprüfen, werde die Delegation »nicht mehr an den Aktivitäten der Versammlung teilnehmen«, hieß es zur Begründung. Die Regierung bezeichnete den Vorwurf, sie habe ein solches Haftzentrum geduldet, als schlichtweg falsch, zudem sei es durch keinerlei Beweise belegt. Claudio Fava hatte allerdings daran erinnert, dass Rumänien auf Anfragen der Untersuchungskommission des EU-Parlaments überhaupt nicht geantwortet habe.

Absage an »direkte Demokratie«

Der portugiesische Ministerpräsident und amtierende Ratsvorsitzende der Europäischen Union, José Sócrates, forderte die EU-Staaten auf, die beim Juni-Gipfel erzielte Einigung über einen Reformvertrag nicht zu ändern.

Die Tagungswoche im Europaparlament in Straßburg stand ganz im Zeichen der Anfang Juli angelaufenen portugiesischen Ratspräsidentschaft und der in Kürze beginnenden Regierungskonferenz zu einem EU-Grundlagenvertrag. Das Mandat dieser Konferenz sei klar, betonte Portugals Premier Sócrates am Mittwoch vor den Abgeordneten. »Wir müssen das in einen Vertrag ummünzen«, sagte er bei der Präsentation des Programms der Lissabonner EU-Präsidentschaft.

Der erste Entwurf für den Reformvertrag werde zunächst dem Rat der Außenminister präsentiert, kündigte Sócrates an. Dieser werde am 7. und 8. September beurteilen, wie weit die Arbeiten vorangekommen sind. Ziel der Präsidentschaft sei es, die »Vereinbarung über den Vertrag für den Gipfel in Lissabon am 17. und 18. Oktober zu schmieden«.
Sócrates sprach sich in Straßburg außerdem deutlich gegen Referenden zum EU-Grundlagenvertrag in den einzelnen Mitgliedstaaten aus. Die Ratifizierung sei zwar ein nationalstaatliches Problem, doch er sei dagegen, »direkte Demokratie gegen die repräsentative Demokratie anzuwenden«, sagte er. Schließlich würden die Abgeordneten »im Namen des Volkes« sprechen.

Als Prioritäten der portugiesischen Präsidentschaft bezeichnete Sócrates neben der Reform der Verträge die Stärkung Europas in der Welt sowie die »Modernisierung der Wirtschaften und Gesellschaften«. Europa müsse mehr in seine Modernisierung investieren, wobei man das »Gleichgewicht aus Wirtschaft, Sozialem und Umwelt« beibehalten werden müsse. Es sei auch wichtig, dass Europa seine Führungsrolle im Kampf gegen den Klimawandel behalte. Absicht sei es zudem, die polizeiliche und juristische Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus und die organisierte Kriminalität zu stärken. Darüber hinaus sprach sich Sócrates für eine europäische Einwanderungspolitik aus, die den Kampf gegen illegale Immigration mit der Integration legaler Einwanderer verbinden müsse.

Die portugiesische Europaabgeordnete und Vizechefin der linken GUE/NGL-Fraktion, Ilda Figueiredo, bedauerte, dass mit der Debatte wieder eine Gelegenheit verloren gegangen sei, »die ernsten wirtschaftlichen Probleme auf den Tisch zu bringen«. Armut betreffe noch immer Millionen Europäer. Darum dürfe es keine »ungebremste Liberalisierung« geben. »Die heilige Kuh Wettbewerb ist alles, was zählt, und das ist im Interesse der Großfinanz«, kritisierte Figueiredo. Sie bezweifelte, dass die vom Brüsseler Reformgipfel angemahnte »Flexicurity« der richtige Weg sei, um diese Situation zu ändern. Stattdessen müsse die Demokratie vertieft und eine gerechtere Verteilung der Einkommen erreicht werden.

GUE/NGL-Fraktionschef Francis Wurtz sprach in der Debatte zur Regierungskonferenz von einer »suspekten Gestaltung des Zeitplanes« und einer »panischen Angst vor eventuellen Referenden«. Auch im künftigen Vertrag würden die liberalen Wirtschafts-strukturen, Bankenwettbewerb, Freihandel und freier Kapitalverkehr nicht angetastet. Außerdem behalte die Charta der Grundrechte ihre »schweren Lücken« bei. Auch die Bestimmungen zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik würden einfach weitergeführt.

Brüssel entdeckt Klimawandel

»Der Klimawandel in Europa hat begonnen und wir können ihn nicht aufhalten«, sagte am Freitag EU-Umweltkommissar Stavros Dimas. Doch anstatt einen Maßnahmeplan vorzulegen, eröffnet Brüssel nun einen »europaweiten Konsultationsprozess«.

»Jeder europäische Bürger wird in der einen oder anderen Weise betroffen sein«, heißt es im Grünbuch zur Kimapolitik, das EU-Kommissar Dimas am Freitag in Brüssel vorstellte. »Ein gewisser Grad des Klimawandels wird unvermeidlich sein, selbst wenn internationale Anstrengungen zu einer Minderung in den nächsten Jahrzehnten erfolgreich sein sollten«, ist in dem Dokument zu lesen.

Überschwemmungen und Hitzewellen, wie sie Europa gerade erlebe, seien die Folgen des Klimawandels, sagte Dimas und erinnerte an die aktuelle Situation in Großbritannien und Griechenland. Die Folgen des Wandels wären in allen Bereichen spürbar, etwa in der gemeinsamen Agrar- und Gesundheitspolitik: »Wenn die Pflanzen, die wir in Südeuropa haben, in der Zukunft nicht mehr wachsen und die Landwirte von ihrer Arbeit nicht mehr leben können, dann müssen sie etwas anderes finden«, sagte er. Es müsse auch mit neuen Krankheiten gerechnet werden. »In Belgien gab es im vergangenen Jahr die so genannte Blauzungenkrankheit bei Schafen, die eigentlich in Afrika zu finden ist«, erläuterte Dimas. Und in Deutschland beginne die Zeckenplage nun immer früher im Jahr.

Allerdings wird mit der Vorlage des Grünbuches deutlich, dass die EU zwar die Bedrohung erkannt hat, doch bei der Suche nach Lösungsansätzen herrscht eine gewisse Ohnmacht. Dimas verwies mehrfach darauf, dass nach der jetzt beginnenden Konsultationsphase ein Weißbuch erscheinen wird, in dem geeignete Maßnahmen vorgeschlagen werden. Auch zu den möglichen Kosten des Anpassungsprozesses an den Klimawandel konnte Dimas keine Auskunft geben: »Da kann ich Ihnen keine Zahlen nennen.«

Die Kommission gehe inzwischen davon aus, dass die häufigen Überschwemmungen hauptsächlich eine Folge der Gletscherschmelze, etwa in den Alpen, seien. Deutschland ist laut dem Grünbuch in der Zukunft besonders verwundbar: Die Hälfte der deutschen Küste liegt weniger als fünf Meter über dem Meeresspiegel. In den Niederlanden und Belgien sind es sogar 85 Prozent. Die Europäer müssten in den nächsten Jahren verstärkt mit Naturkatas-trophen wie Überschwemmungen, starken Stürmen und heißen Sommern rechnen, sagte Dimas voraus.

Die EU-Kommission sieht als aktuelle Hauptaufgabe die Dämpfung des Klimawandels und die Anpassung an dessen Folgen. Nur so könne vermieden werden, dass »der Klimawandel ausufert«. Deshalb müsse der Ausstoß der CO2-Emissionen bis zum Jahre 2050 halbiert werden.

Wie weit Anspruch und Wirklichkeit in der EU mitunter auseinander klaffen, wurde in dieser Woche deutlich, als das Europaparlaments über die Senkung der CO2-Emissionen von Kraftfahrzeugen durch verpflichtende Grenzwerte für die Autohersteller beriet. Ausgerechnet der Berichterstatter des Umweltausschusses, Chris Davies, trat für eine Verzögerung des Zeitplanes der Kommission ein: Statt im Jahre 2012 soll erst 2015 ein Durchschnittsgrenzwert für die Flotten der europäischen Hersteller gelten.

Donnerstag, 19. Juli 2007

Kommunale Verträge gekündigt

Die Europäische Kommission hat am Mittwoch den Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes gegen Deutschland wegen Verstoßes gegen die EU-Vergaberichtlinien vor dem Europäischen Gerichtshof zurückgezogen. In dem Verfahren (Aktenzeichen: C-503/04) ging es um die Vergabe eines Abwasservertrages der Gemeinde Bockhorn sowie um die Vergabe eines Müllentsorgungsvertrages durch die Stadt Braunschweig, die nicht öffentlich ausgeschrieben worden waren. Beide Verträge wurden inzwischen aufgekündigt.




Die Stadt Braunschweig hatte 1995 den Vertrag mit den Braunschweigischen Kohle-Bergwerken (BKB) abgeschlossen. Damals sei versäumt worden, den Auftrag europaweit auszuschreiben. BKB-Sprecher Andreas Aumüller bestätigte gegenüber ND, dass der Vertrag Ende 2006 im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst worden sei. Noch wenige Monate zuvor hatte das Tochterunternehmen des Energiekonzerns E.on mit Konsequenzen gedroht, sollte der Vertrag gekündigt werden. Der BKB würde ein Schaden von rund 200 Millionen Euro entstehen.

Der Gemeinde Bockhorn wurde zur Last gelegt, im Jahr 1998 einen Auftrag ohne Ausschreibung über die Abwasserentsorgung an die damalige EVU Weser-Ems AG vergeben zu haben. In der EU-Vergaberichtlinie ist die öffentliche Ausschreibung bei einem Volumen von über 140 000 Euro jedoch zwingend vorgeschrieben.

Die EU-Kommission hatte im Jahr 2003 ein Verfahren gegen die Bundesregierung eingeleitet, weil diese die Städte nach außen zu vertreten hat. Der EuGH gab der Kommission Recht und entschied, dass der Bund dafür zu sorgen hat, die Verträge aufzulösen. Die Regierung räumte zwar ein, dass die beiden Verträge unrechtmäßig zustande gekommen seien. Sie sah aber rechtliche und finanzielle Probleme bei der Lösung der Kontrakte, die mit einer Laufzeit von 30 Jahren ausgestattet waren. Danach ging das juristische Gezerre zwischen Brüssel und Berlin munter weiter. Wären die beiden Verträge nicht doch noch aufgelöst worden, hätte der Rechtsstreit sicher mit einer Verurteilung des Bundes zur Zahlung des Zwangsgeldes geendet. Dieses hätte im Fall Bockhorn pro Tag 31 680 Euro und im Fall Braunschweig 126 720 Euro betragen, und zwar jeweils von der Verkündung des Urteils bis zur Auflösung der kommunalen Verträge.

Nach Angaben des Deutschen Städte- und Gemeindebundes haben die Fälle Braunschweig und Bockhorn ein großes Interesse in den Kommunen hervorgerufen. Die EU-Kommission habe weitere Städte und Gemeinden im Blick, die sie über den Bund zur Annullierung von Aufträgen bewegen möchte. Schätzungen zufolge könnten bis zu 15 000 Fälle ähnlich gelagert sein.

Mittwoch, 18. Juli 2007

Trockenlegung des Weinsees

Mit einer großen Demonstration machten am Montag Winzer in Brüssel anlässlich eines Treffens der EU-Agrarminister ihrem Ärger über die geplante Weinreform Luft. Inzwischen kündigten Frankreich und Deutschland an, gegen die Pläne der EU-Kommission stimmen zu wollen.

Mit einem umstrittenen Reformpaket will die EU-Kommission die Überproduktion von billigen Tafelweinen – vornehmlich aus Südeuropa – ausbremsen. Von den etwa 1,3 Milliarden Euro, die Brüssel in den Weinsektor steckt, wird gegenwärtig rund die Hälfte für die Destillierung der Überschüsse oder die Vergärung zu Essig aufgewendet. Zudem beunruhigt die EU-Kommission die Tatsache, dass die Europäer gegenüber der Konkurrenz aus Übersee immer häufiger das Nachsehen haben. Mit einer Steigerung der Qualität will man konkurrenzfähiger werden.

Im Einzelnen will Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel jene Winzer stärker entschädigen, die den Rebbau aufgeben. Ab 2013 sollen dann alle Flächen für den Weinbau freigegeben werden. Boel erhofft sich davon, dass besonders leistungsstarke Winzer ihre Produktion ausweiten könnten, hingegen die Hersteller von minderwertigen Produkten vom Markt verschwinden. Dafür sollen die bislang gezahlten Beihilfen zur Beseitigung von überschüssigem Wein gestrichen werden.

Weitreichende Folgen hätten die Pläne der Kommissarin auch aus einem anderen Grund für die deutschen Winzer: Künftig soll im Gärungsprozess kein Zucker mehr verwendet werden dürfen, was Winzer im Norden der EU zur Steigerung des Alkoholgehalts nutzen. Die Betroffenen werfen Fischer Boel vor, zu wenig Rücksicht auf die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen in Europa zu nehmen und darüber hinaus die Qualitätsmerkmale des Weins durch Lockerung der Etikettierungsvorschriften zu verwischen.

Der deutsche Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) wiederholte unterdessen, dass er auf keinen Fall Vorschlägen zustimmen werde, »die die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Weinbaus beeinträchtigen«. Sein französischer Kollege Michel Barnier sprach sogar von »substanziellen Meinungsunterschieden« einiger Mitgliedstaaten mit der Kommission. Er forderte Fischer Boel auf, »die Interessen des französischen und europäischen Weinsektors wahrzunehmen«. Kritik kommt auch von Winzerverbänden aus Italien und Spanien.

Der Deutsche Weinbauverband (DWV) fordert eine Orientierungsdebatte, um die Linien des Reformvorschlags zu erörtern, bevor sich die Experten mit den technischen Details befassen. Der Verband unterstützt die Initiative der Versammlung der Weinbauregionen Europas (AREV), bei einem Treffen mit mehreren Fachministern europäischer Mitgliedstaaten eine frühzeitige Überarbeitung einzufordern. Für den Fall, dass der EU-Ministerrat sich gegen diesen Vorschlag stemmt, kündigte der DWV »weitere Aktionen« an.

Zahlen & Fakten

Die EU ist der weltgrößte Produzent und Exporteur von Wein. Gut 1,5 Millionen Betriebe bewirtschaften 3,4 Millionen Hek- tar oder zwei Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Frankreich, Italien und Spanien sind die weltgrößten Erzeugerländer. Deutschland belegt Rang vier in der EU. Gleichzeitig konsumieren die Europäer 60 Prozent des globalen Angebots. Allerdings geht der Verbrauch zurück, während die Importe in die EU stark zunehmen und bald die Ausfuhren übersteigen könnten. Die Kosten für das derzeitige EU-Weinmarktsystem beliefen sich im vergangenen Jahr auf knapp 1,3 Milliarden Euro.

Freitag, 13. Juli 2007

Schiedsrichter für den Profifußball

Ginge es nach dem Willen des slowakischen EU-Kommissars Jan Figel, dann würde in den kommerziellen Sport bald mehr Gerechtigkeit einziehen. Figel stellte am Mittwoch das »Weißbuch Sport« vor, das die Vorstufe zu einem Gesetz darstellen soll. Allerdings obliegt der Sportbereich der Zuständigkeit der einzelnen Nationalstaaten.

EU-Kommissar Figel (Foto: AFP) hat sich insbesondere auf den Profifußball eingeschossen. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen bald die finanzschwächeren Klubs gegenüber den superreichen Vereinen bessergestellt werden. Eine Regelung, von der selbst deutsche Erstligisten profitieren könnten. Die alles andere als armen Münchener Bayern beklagen etwa die ungerechte Verteilung der Fernsehgelder. In Italien und Spanien kassieren die Klubs horrende Einnahmen aus den Fernsehrechten, die sie für Spielerkäufe und gewaltige Gehaltszahlungen einsetzen. In Deutschland werden die Gelder zentral vermarktet und unter den Vereinen aufgeteilt.

Figel hält es für wünschenswert, dass das deutsche Beispiel europaweit Schule macht. »Die Kommission hält es für wichtig, die Einnahmen zwischen den Vereinen fair aufzuteilen«, heißt es in dem Weißbuch. Diese Willensbekundung begrüßte inzwischen auch der neue UEFA-Präsident Michael Platini, der sich zugleich gegen eine pauschale Verurteilung des Sports wandte: »Ich werde mich mit der Fifa abstimmen und dann versuchen, einen Termin bei unserem Präsidenten Nicolas Sarkozy zu erhalten, um ihm noch einmal eindringlich klar zu machen, dass unser Sport nicht nur Kommerz ist«, beklagte sich Platini und schoss damit gegen einige Aussagen des EU-Kommissars.

Mit der Rolle des Profifußballs in Europa hatte sich bereits ein Bericht des belgischen Europaabgeordneten Ivo Belet vor einigen Wochen beschäftigt. Er hatte die Einrichtung einer unabhängigen Behörde gefordert, welche die finanziellen Aktivitäten von Profiklubs überwachen und damit zur Verhinderung von »Betrugsdelikten und undurchsichtigen Investitionen« im Fußballgeschäft beitragen solle. Denn immerhin werden jährlich bis zu vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU durch Sport erwirtschaftet, begründete er in seinem Bericht. Viele kriminelle Handlungen – wie Spielmanipulationen und Korruption – seien das Ergebnis der Spirale von Ausgaben, extremen Gehältern und der daraus folgenden Finanzkrise vieler Vereine.

Mittwoch, 11. Juli 2007

Post-Liberalisierung wird verschoben

Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments hat beim Streit um das Datum für die vollständige Öffnung der Postmärkte einen Kompromissvorschlag vorgelegt. Dieser sieht vor, dass das Ende des Briefmonopols am 1. Ja- nuar 2011 und damit zwei Jahre später als ursprünglich geplant umgesetzt werden soll. Den neuen EU-Mitgliedstaaten und solchen mit extremer Rand- oder Insellage kann zudem eine Verlängerung dieser Frist um zwei Jahre eingeräumt werden. Zudem sollen Dienstleister, die in einem Land tätig sind, in dem der Markt noch nicht geöffnet ist, keinen Zugang zu bereits vollständig geöffneten Märkten erhalten. Die EU-Kommission hatte geplant, das Briefmonopol bis spätestens Ende 2008 europaweit abzuschaffen.

Die Deutsche Post soll ihr Monopol zur Beförderung von Briefen bis 50 Gramm nach dem Willen der Bundesregierung indes schon 2008 aufgeben. Allerdings hatte sich die Bundesregierung zugleich für eine Beibehaltung des ursprünglichen Datums der EU-weiten Öffnung eingesetzt, damit die Post möglichst bald auch in Nachbarstaaten tätig werden und damit Verluste im Inland ausgleichen kann. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) räumte allerdings bereits ein, dass dieses Ziel nicht durchzusetzen sei.

Laut dem Vorschlag könnten »unverhältnismäßige Belastungen« von Universaldienstanbietern abgefedert werden. Zur Finanzierung der flächendeckenden Versorgung dürfen die Mitgliedstaaten einen Fonds einrichten, in den alle Postunternehmen einzahlen müssen. Alternativ dürfen die Mehrkosten eines Universaldienstes durch staatliche Zuschüsse gedeckt werden.

Der Kompromissvorschlag des Verkehrsausschusses dürfte bei der Abstimmung heute im Straßburger Parlament bestätigt werden. Das zumindest signalisierten in der Debatte am Dienstag die Vertreter der drei großen Fraktionen. Dagegen sprach sich der Vorsitzende der linken Fraktion GUE/NGL, Francis Wurtz, gegen »diesen schlechten Text« aus. Es habe Zehntausende Petitionen von Nutzern gegeben. »Neun historische Postanbieter haben noch einmal betont, dass die Finanzierung der Universaldienste bedroht ist«, erklärte Wurtz. Seine Fraktion lehne eine Postliberalisierung generell ab, »sei es 2009 oder später«.

Dagegen erklärte der Berichterstatter des Parlaments, Markus Ferber (CSU): »Eine breite Mehrheit steht hinter dieser Einigung. Das sollte neuen Schwung für die Meinungsbildung im Ministerrat bringen.« Die Abstimmung dort wird unmittelbar nach der Entscheidung des Parlaments erwartet. Die zuständigen EU-Minister hatten die Entscheidung über die Liberalisierung des 88 Milliarden Euro schweren Postsektors auf ihrer letzten Sitzung im Juni vertagt.

Freitag, 6. Juli 2007

Wettbewerb ohne Folgen

Mit der seit 1. Juli gültigen vollständigen Liberalisierung des Strom- und Gasmarktes haben nun in allen EU-Staaten auch private Endkunden das verbriefte Recht, den Anbieter wechseln zu können. Doch bislang sind der Wechselboom, die damit erhoffte stärkere Wettbewerb und sinkende Preise ausgeblieben. Mit einer Charta will die EU-Kommission nun die Verbraucher in den Bereichen Strom- und Gasversorgung über ihre Rechte informieren und vor allem diese festschreiben. Energiekommissar Andris Piebalgs kritisierte am Donnerstag in Brüssel, Verbraucher würden noch immer von Anbietern über den Tisch gezogen. Zudem hätten nur wenige Mitgliedsländer eigene Regeln für die Enbergieversorgung armer Bevölkerungsschichten aufgestellt. Diese seien für neue Anbieter wenig attraktiv, müssten aber gleich behandelt werden.

In Europa haben einige wenige Versorger die nationalen Märkte fest im Griff. Und die von Brüssel gewünschte Entflechtung der Energiekonzerne scheitert bislang an Widerständen im Ministerrat. Fast ohnmächtig klingt da die Drohung der Kommission, die Lage genau verfolgen und vor intransparenten oder irreführenden Geschäftspraktiken beim Wechsel des Versorgers warnen zu wollen.

In Großbritannien wurden bereits zusätzliche Aufsichtsbehörden installiert, um die Verbraucher vor Marktmissbrauch besser zu schützen. Ein Liberalisierungsfiasko zeichnet sich in Frankreich ab, wo Privatkunden überhaupt keinen Anreiz verspüren, sich aus dem Schoß der unter staatlicher Obhut stehenden Strom- und Gasmonopolisten EDF und GDF zu begeben. In den 11 EU-Staaten wie Deutschland, die ihren Strommarkt bereits vor dem Stichtag geöffnet hatten, wurden eher negative Erfahrungen mit dem Wettbewerb gemacht. Fast überall brachen die Preise zunächst ein, um sich dann auf ähnlich hohem Niveau wie zuvor wieder einzupegeln.

Der Energieexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Holger Krawinkel, hält die Charta für »richtig und sinnvoll«, sie könne aber die Geburtsfehler der Liberalisierung nicht wettmachen. Krawinkel hat einen Vorschlag parat, der den Wechselprozess beschleunigen könnte: In Österreich gebe es einen »Strompreiszähler«, über den sich Kunden per Telefon und im Internet verlässliche Informationen besorgen könnten und der eine Entscheidung für einen Anbieterwechsel vereinfache.

Aber ob ein derartiger »Strompreiszähler« tatsächlich ein Wechselkarussell in Schwung bringen kann? Bislang sind auch im Nachbarland Österreich die Kunden eher ihrem alten Anbieter treu geblieben.