Samstag, 16. Dezember 2006

Nachruf auf einen linken Linken: Javier, du wirst uns fehlen!

Von LEINWAND_GALERIE
Wie sich Politiker in ihrer Karrierezeit so ändern können, das wissen wir bereits: Aus einem grünen Taxifahrer wird plötzlich ein aalglatter Mann, der die außenpolitischen Geschicke eines Staates lenken darf. Später mutiert er dann noch zum Professor. Ehemals linke Sozialdemokraten rücken einvernehmlich in die politische Mitte, wo sie sich mit Christdemokraten treffen und koalitionäre Verbrüderungsfeten feiern...

Ähnlich beachtlich war der Werdegang des spanischen Sozialisten Javier Solana. Nach dem Ende der Franco-Diktatur entsandte ihn 1977 die Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens in die verfassunggebende Versammlung. Später wurde Genosse Solana Abgeordneter und eine Führungskraft in der Lehrergewerkschaft. Er wurde wegen seiner zeitweiligen Sympathie für den Marxismus und Fidel Castro während seiner Amtszeit als spanischer Minister heftig kritisiert. Die Amerikaner mochten ihn nicht besonders, weil er sich gegen die Rolle der NATO aussprach und gegen die Existenz des militärischen Bündnisses wetterte...

Aber was ist, muss nicht so bleiben. Auch jener Javier Solana wurde vom Fischer-Virus befallen. Gegen den anfänglichen Widerstand der USA wurde er zum NATO-Generalsekretär ernannt. Wer dachte, dass Solana die Gunst der Stunde nutzen würde, um den verhassten Pakt nun Sand ins Getriebe zu streuen, sah sich schnell getäuscht. Während seiner Zeit (1994-1999) baute er das Amt des NATO-Generalsekretärs um zahlreiche Befugnisse aus, die über die Weitergabe von Anweisungen der Mitgliedsstaaten an die militärischen Komponenten weit hinausgingen. Besonders nachdenklich dürfte dabei die Rolle des Sozialisten zu den militärischen Entscheidungen bezüglich des Jugoslawien-Konfliktes stimmen: Er gab den Befehl zum Beginn der Luftangriffe gegen jugoslawische Ziele. Einige ganz böse Linke wollten ihn deshalb rechtlich belangen.

Wie ein Treppenwitz der Geschichte dürfte nun die Ankündigung verstanden werden, dass jener Mustereuropäer, unser aller Javier, der nun aus gesundheitlichen Gründen als EU-Außenminister abtreten wird, den Aachener Karlspreis erhalten soll. Mit der Auszeichnung würdigte das Direktorium den Einsatz des Spaniers, hieß es, weil er im Namen der EU in «allen großen Konfliktherden der Welt» vermittelt habe.

Herzlichen Glückwunsch, Javier Solana. Die europäische Linke wird dich in guter Erinnerung behalten. Aber die Schmerzen des einzigartigen Verlusts werden sich in Grenzen halten, denn wir kennen die Spielregeln: Der EINE geht, der ANDERE kommt. Sie werden einen würdigen Nachfolger für dich finden. Also sorge dich nicht. Es geht schon alles irgendwie weiter. Auch ohne dich!

Vieles lässt sich ändern, bloß die Menschen nicht

Von LEINWAND_GALERIE
An neuen Ideen mangelt es meinen Kollegen nicht: „Merkel will nicht Europas Cheerleaderin“ sein, titelte beispielsweise Carsten Volkery vom allmächtigen SPIEGEL. Er hat sich den Anblick unserer Kanzlerin sicher plastisch vorgestellt und dann mögen seiner Tastatur die Worte nur so entsprungen sein. Dabei geriet ins Hintertreffen, dass am EU-Gipfel in Brüssel auch nocht einige andere Regierungs- und Staatschefs teilgenommen haben. Und ehrlich gesagt. Es waren die gewohnt langweiligen Tage. Außer der hausgemachten Diskussion um die Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union ging es noch um das Anspruchsdenken der Europäer zur beginnenden EU-Ratspräsidentschaft der Deutschen. Zwar will Frau Merkel, so meint jedenfalls Volkery, nicht als Vortänzerin fungieren, aber dafür den neuen Verfassungsentwurf auf den Weg bringen. Zur Erinnerung: Dieses Schriftstück fiel in jenen Ländern gnadenlos durch, in denen das Volk darüber abstimmen durfte. Und in Deutschland? Da haben uns unsere – vom Volke gewählten - Bundestagsabgeordneten die Entscheidung dankenswerter Weise abgenommen. Frei nach der Theorie des Genossen Marx: Vieles lässt sich ändern, bloß die Menschen nicht.

Freitag, 8. Dezember 2006

Pöttering will auf Präsidentensessel

Hans-Gert Pöttering, Chef der größten Fraktion im Europäischen Parlament, der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), will neuer Parlamentspräsident werden. Über die Nachfolge des spanischen Sozialisten Joseph Borrell soll zur Sitzung am 16.Januar 2007 in Straßburg entschieden werden.

Der 61-Jährige Pöttering war erst vor wenigen Tagen offiziell von seiner Fraktion der als Kandidat für die Wahl zum Vorsitz des EU-Parlaments nominiert worden und darf sich beste Chancen ausrechnen. Die EVP und die Sozialdemokratische Fraktion hatten bereits nach der Europawahl im Juni 2004 vereinbart, für die Hälfte der Legislaturperiode den Parlamentspräsidenten nominieren und den jeweiligen Kandidaten auch gegenseitig unterstützen zu wollen. Es ist also damit zu rechnen, dass die Wahl von Pöttering relativ problemlos über die parlamentarische Bühne gehen wird.

Einen wichtigen Meilenstein absolvierte Pöttering am Mittwoch, als er den Fraktionen der Grünen und der linken GUE/NGL im Europaparlament einen Besuch abstattete. Derlei Touren von Kandidaten sind zwar nicht unüblich - auch Pötterings Vorgänger Borrell hatte sich seinerzeit in den Fraktionen vorgestellt -, doch war durchaus beachtenswert, wie der Christdemokrat dabei agierte. Hans-Gert Pöttering bemühte sich sehr, die Sachverhalte zu benennen, die parteiübergreifend eine Verbindung darstellen müssten. Er erinnerte dabei an das Gesprächsthema Menschenrechte, das, so der Christdemokrat, durchaus eine Basis für gemeinsame Positionen besitze.

Es ist durchaus damit zu rechnen, dass Pöttering die eine oder andere Stimme von linken Abgeordneten erhalten könnte. Einige Redner machten deutlich, dass der EVP-Fraktionschef zu keinem Zeitpunkt der Kaste der "kalten Krieger" angehöre. Andrè Brie bescheinigte dem CDU-Mitglied eine "beachtliche Toleranz", die Sprecherin der Linkspartei-Delegation, Gabriele Zimmer, erinnerte daran, dass Pöttering sich als jemand offenbart habe, der durchaus in der Lage sei, sich in einem Diskussionsprozess von einer einmal festgezurrten Position zu verabschieden.

Pöttering legte in der Fraktionssitzung der Linken auch seine Haltung bezüglich der Gefahr offen, dass sich eine rechtsextrem ausgerichtete Fraktion im Europaparlament bilden könnte. Er bezeichnete eine solche mögliche Variante als "ziemlich widerwärtig". Außerdem warb Pöttering für die Idee eines "gemeinschaftlichen Europas", in dem auch die kleinen Mitgliedsstaaten gleichberechtigt in die Gestaltung der EU einbezogen werden sollten. "Dieses Europa wird scheitern, wenn die Großen glauben, dass sie die Führung übernehmen müssen", sagte er wörtlich.