Donnerstag, 30. August 2007

Sekt für die Abgeordneten – Wasser für die Assistenten

Über 4000 Mitarbeiter sind offiziell in Brüssel und Straßburg als Assistenten oder Mitarbeiter der 785 Europaabgeordneten registriert. Die Praxis ihrer Beschäftigungsverhältnisse offenbart jedoch eine tiefe Kluft zwischen politischen Reden und parlamentarischer Realität.

Rund 1400 der 4000 Mitarbeiter im Europäischen Parlament sind ständig als persönliche Assistenten von Abgeordneten akkreditiert und arbeiten als Büroleiter, Sekretäre, wissenschaftliche oder persönliche Referenten »ihrer« Parlamentarier. Und ihre Tätigkeitsbereiche sind fast so unterschiedlich und vielfältig wie die Zahl der Abgeordneten und deren Charaktere. Nicht selten fungiert ein Volksvertreter letztlich fast nur noch als Repräsentant, gibt allenfalls noch die Richtung vor, die Mitarbeiter besorgen zumeist den Rest. Sie schreiben deren Reden, kümmern sich um die tausend kleinen Dinge des Alltags, organisieren die politischen Auftritte ihrer Abgeordneten, besorgen Flug- oder Bahntickets und Hotelzimmer.

So vielseitig wie die Aufgaben der Assistenten, so vielschichtig sind deren rechtliche Verhältnisse und ihre Gehälter. Erschwerend wirkt dabei die Tatsache, dass die Mitarbeiter der Abgeordneten nicht etwa im Parlament angestellt sind, sondern direkt von ihren Arbeitgebern bezahlt werden. Außerdem sind die Arbeits- oder Dienstleistungsverträge meist nach dem Recht des Herkunftslandes ihres »Dienstherrn« gestaltet. Es gibt also keinen einheitlichen rechtlichen Status der Assistenten, der die Sozialversicherung, Krankenversicherung, Steuern und Rentenvorsorge regeln würde.

Auch die Gehälter variieren außerordentlich stark, je nach Alter, Berufserfahrung, Herkunft, den Erwartungen der Mitarbeiter oder, als schlechteste Variante, nach »Gutdünken« des jeweiligen Abgeordneten. Manche Assistenten verdienen weniger als eine Sekretärin im Heimatland. Oft sind die Löhne so knapp bemessen, dass sich die Mitarbeiter gerade so »über Wasser« halten können. Wer allein die Mieten in Brüssel kennt, wird ahnen, wie schwierig es ist, sich mit knapp über tausend Euro in der europäischen Metropole von Monat zu Monat hangeln zu müssen. Andere Kollegen beziehen dagegen Gehälter, die mit denen eines Juniorprofessors vergleichbar sind. Fraktionsübergreifend nutzen nicht wenige »Arbeitgeber« die praktisch rechtsfreie Situation schamlos aus. Häufig gilt das Prinzip »Sekt für die Abgeordneten, Wasser für die Assistenten«.

Wenigstens im Hinblick auf die unsichere Rechtslage scheint nun etwas in Bewegung zu geraten. Seit vielen Jahren fordert die überparteiliche Interessenvertretung der Assistenten EPAA (European Parliament Assistants Association) ein einheitliches Statut – und pro forma haben sich inzwischen auch einige Abgeordnete mit der Forderung ihrer Mitarbeiter angefreundet, wenngleich sie selber das Übel für diesen Zustand sind: Auch die Parlamentarier hatten sich ewig nicht für ein eigenes Statut entscheiden können.

Nach Lage der Dinge könnte ein solches Abgeordnetenstatut, zu dem sich die EU-Mitgliedsstaaten bereits vor zwei Jahren verständigt hatten, nun mit Beginn der nächsten Legislatur im Jahr 2009 in Kraft treten. Damit wäre nach Ansicht des belgisch-ungarischen EPAA-Vorsitzenden Joeri Hamvas auch die höchste Hürde auf dem Weg zu einem Assistentenstatuts genommen. Die Hoffnung: Was lange währt, wird endlich gut.

An den unterschiedlichen Gehältern, die die Abgeordneten ihren Assistenten derzeit zahlen, wird sich jedoch auch in den nächsten Jahren nichts ändern. Die Zweiklassengesellschaft unter den Mitarbeitern wird nicht ernsthaft in Frage gestellt. Es gibt keine wirklich konsequenten Versuche, den unhaltbaren Zustand abzustellen. Und Anfragen zum Thema werden – freundlich, aber bestimmt – abgebügelt: Zu den Gehältern von Mitarbeitern gebe es grundsätzlich keine Auskünfte.

Freitag, 17. August 2007

»Aufklärer« in der Zwickmühle

Der Abgeordnete Hans-Peter Martin, der die Spesenritterei im EU-Parlament kritisierte, ist selbst ins Zwielicht geraten.

Hans-Peter Martin ist eine schillernde Persönlichkeit. Befragt man Kollegen des 50-jährigen studierten Rechts- und Politikwissenschaftlers, dann erntet man höchstens ein lapidares »kein Kommentar«. Der Österreicher Martin, der seit 1999 im EU-Parlament sitzt, fühlte sich als eine Art Robin Hood für alleuropäische Gerechtigkeit in Brüssel und Straßburg. Nun treffen ihn selbst Untersuchungen.

Der parlamentarische »Nestbeschmutzer« scheint wie vom Erdboden verschluckt. Die letzte Nachricht, die er vor wenigen Tagen von einer heimischen Nachrichtenagentur versenden ließ, war keine der üblichen Recherchen über Kollegen, die sich unrechtmäßig bereichert haben sollen. Diesmal befindet er sich selbst in der Defensive und der ehemalige Mitarbeiter von CNN und »Spiegel« bemühte sich um Rechtfertigung. Aber auch diese bereitete er medienwirksam auf, denn er reichte eine Musterklage beim Europäischen Gerichtshof ein.
Martin wehrt sich damit gegen die Rückforderung von rund 163 000 Euro Sekretariatszulage, die er bis Ende August begleichen soll. Zahlt er nicht, dann wird sein Abgeordnetenkonto eingefroren. Martin bekam die Rückforderung vom Generaldirektor für Finanzen des Europäischen Parlaments, Roger Vanhaeren, zugestellt, nachdem das EU-eigene Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) seine Ermittlungen abgeschlossen hatte. Der Vorwurf: Martin habe Geld für Assistenten kassiert, die längst nicht mehr für ihn tätig waren. Bezahlt wurden damit andere, nicht gemeldete Mitarbeiter. Die Informationen erhielt die Behörde OLAF vor allem von Abgeordneten, die selbst einst von Martin per Knopflochkamera und Richtmikrofon ausspioniert wurden. Damals zog Martin gegen sie zu Felde, als es um die Veruntreuung von Tagegeldern und Spesen ging. Einige Parlamentarier kassierten stattliche 262 Euro pro Tagungstag, auch wenn sie überhaupt nicht an den Sitzungen teilgenommen hatten. Zudem beschäftigten einige Abgeordnete Ehefrauen und Kinder für monatlich bis zu 7000 Euro. In drei Jahren will Martin rund 7200 Betrugsfälle ans Licht gebracht haben.

Die von Martin damals mit – zugegebenermaßen – zweifelhaften Methoden ans Licht beförderten Ergebnisse wurden zwar von den Medien aufgegriffen, aber Konsequenzen mussten die Parlamentarier nicht befürchten. Was Martin aufdeckte, war übliche Praxis und findet noch immer statt. Pfiffige Abgeordnete fahren beispielsweise wie eh und je zu den Plenarsitzungen nach Straßburg, beziehen aber im wenige Kilometer entfernten deutschen Kehl ihr Domizil. Dabei sind die üppigen Sonderzahlungen ausdrücklich für ein Hotelzimmer in Straßburg bestimmt. Dieses Vorgehen kostet den Steuerzahler jährlich Hunderttausende Euro.


Sollten sich die Vorwürfe gegen den parteilosen Abgeordneten Martin bestätigen, dann wäre das ein Triumph für viele parlamentarische Kollegen. Denn den zahlreichen Lobbyisten im Europaparlament war der einstige Greenpeace-Aufsichtsrat ohnehin nur lästig, weil er ihnen zu viele unbequeme Fragen stellte. Jetzt scheint es, als könnten sie ihn auf bequeme Weise loswerden.

Freitag, 10. August 2007

Brüssel baut Drohkulisse auf

In der Schweiz wird mindestens einmal jährlich über eine mögliche Zukunft des Landes in der EU debattiert. Spätestens um den Nationalfeiertag herum, der am 1. August begangen wird, prallen die Auffassungen von Befürwortern und Gegnern aufeinander. Im Moment scheinen die Skeptiker auf dem Vormarsch.

Das Schweizer Völkchen gilt als ein besonders stolzes. Nicht umsonst gaben die knapp acht Millionen Einwohner im Jahr 1992 den »Resteuropäern« einen Korb, als sie sich zu einem EU-Beitritt äußern sollten. Dabei stehen sie noch heute zu ihrer Absage von damals, schwören auf ihr föderalistisches Staatengebilde, auf wirtschaftliche und finanzpolitische Unabhängigkeit sowie auf ihre außenpolitische Neutralität.

Auch die meisten offiziellen politischen Vertreter zeigen in der Öffentlichkeit kaum Interesse daran, die Werbetrommel für eine Integration der Schweiz in die Europäische Union zu rühren. Im Gegenteil: Die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und dem Alpenstaat sind nach wie vor eher angespannt. Als vor wenigen Monaten die Vertretung der EU-Kommission für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein in Bern eingeweiht wurde, traten die Gegensätze erneut deutlich hervor. Man umgarnte sich zwar mit diplomatischer Freundlichkeit, doch in der Sache blieb man hart.

Der immer wieder aufflackernde Streit, um den es geht, betrifft das einstmals geschlossene Freihandelsabkommen. Die EU-Kommission hatte im Zusammenhang mit der Missionseröffnung lautstark bemängelt, dass gewisse kantonale Steuerregelungen eine Form von staatlicher Beihilfe darstellten und diese darum mit dem 1972 unterzeichneten Abkommen zwischen der Schweiz und der EU nicht vereinbar wären. Nach Darstellung der Kommission befreiten diese Kantone nach Schweizer Bundesrecht bei einigen Gesellschaftsformen die Einkünfte aus dem Ausland ganz oder teilweise von der Gewinnsteuer und behandelten diese damit anders als die inländischen. Damit habe die Schweiz einen starken Anreiz für multinationale Gesellschaften geboten, durch die Ansiedlung ihrer Hauptverwaltung oder ihrer Koordinierungs- und Vertriebszentren die steuerlichen Verpflichtungen zu minimieren, hieß es in der Begründung. Die Kommission erbat sich schließlich von den EU-Mitgliedsstaaten ein Mandat, um diesbezügliche Verhandlungen mit Bern führen zu können.

Die Art und Weise, wie sich die EU-Diplomaten daraufhin in die Offensive stürzten, verhärtete eher die Fronten, als dass sie zur Lösung der Krise beizutragen vermochte: Neben der Forderung nach Verhandlungen baute Brüssel nämlich eine regelrechte Drohkulisse auf. Brüssel brachte die Wiedereinführung von Zöllen auf Schweizer Importe ins Gespräch, die sie – ähnlich wie bei den Anordnungen gegen chinesische Schuhimporte – lapidar als »Schutzmaßnahmen« deklarierte.

Die Schweizer Politik reagierte gelassen: »Wir haben klar gesagt, dass keine Verletzung des Freihandelsabkommens vorliegt, dass es mit der EU diesbezüglich also nichts zu verhandeln gibt«, erklärte vor wenigen Tagen Staatssekretär Michael Ambühl gegenüber einer Schweizer Zeitung. »Und wir haben der EU klargemacht, dass sie mit einem wichtigen Partner nicht so umspringen kann.« Die Schweizer Haltung habe Wirkung gezeigt, resümierte Ambühl, denn die EU spreche jetzt nur noch davon, das Steuerthema diskutieren zu wollen.

Freitag, 3. August 2007

Das Auto steht bei Europäern weiter vorn

Mobilität spielt eine wichtige Rolle im Leben der EU-Bürger und das eigene Auto ist für die rund 500 Millionen Europäer das wichtigste Verkehrsmittel. Dennoch befürworten nach einer aktuellen Eurobarometer-Meinungsumfrage die meisten Menschen Maßnahmen, welche die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel fördern und Anreize für eine umweltfreundlichere Mobilität schaffen.

Im Auftrag der EU-Kommission waren im Mai knapp 26 000 Personen in den 27 EU-Staaten befragt worden. Die Studie macht deutlich, dass das eigene Kraftfahrzeug das wichtigste Verkehrsmittel in der Europäischen Union ist. 81 Prozent der EU-Bürger haben ein Auto im eigenen Haushalt. Die meisten Befragten bezeichnen zwar das eigene Auto als Hauptverkehrsmittel, doch immerhin 21 Prozent nutzen regelmäßig die öffentlichen Verkehrsmittel. Der Umfrage zufolge würden die Menschen auf die öffentlichen Angebote noch häufiger umschwenken, wenn Fahrpläne besser und Verbindung günstiger gestaltet würden. Ein Fünftel der Autofahrer gab jedoch an, auch trotz besserer öffentlicher Verkehrsmittel nicht auf das Auto verzichten zu wollen.

Das Fahrrad spielt mit neun Prozent eine deutlich geringere Rolle als Hauptverkehrsmittel. Die eifrigsten Radfahrer finden sich in den Niederlanden (40,1 Prozent) und in Dänemark (23,4 Prozent), dagegen radeln in Portugal, Malta und Luxemburg mit maximal einem Prozent kaum Pedalritter. Interessant ist sicher auch die Tatsache, dass Radfahren und Gehen zusammen nach Ansicht der Befragten einen höheren Stellenwert bei der Mobilität besitzen als der öffentliche Verkehr.

Die überwiegende Mehrheit der EU-Bürger ist der Meinung, dass die Auswirkungen auf die Umwelt stark vom Autotyp und der Art seiner Nutzung abhängen. Nach ihrer Auffassung ließe sich dem Anstieg der straßenverkehrsbedingten Kohlendioxid-Emissionen am besten entgegenwirken, wenn nur noch emissionsärmere Fahrzeuge für den Verkauf zugelassen würden. Entsprechende Steueranreize werden von 30 Prozent unterstützt. Beschränkungen für den Einsatz von Autos werden dagegen nur von elf Prozent der Europäer befürwortet. Auf die Frage, ob und auf welche Weise sie im vergangenen Jahr Kraftstoff gespart hätten, antworteten mehr als die Hälfte der Befragten, sie hätten ihre Fahrweise geändert oder seien öfter zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs gewesen.

Die meisten Flugreisenden halten übrigens die Sicherheitskontrollen an Flughäfen für durchaus angemessen, nur 16 Prozent betrachten sie als überzogen. Auch das war ein Ergebnis der Studie.