Freitag, 31. März 2006

Gipfel ohne Vertrag? - Abkommen EU – Mercosur weiter ungewiss

Ob es beim EU-Lateinamerika-Gipfel Mitte Mai in Wien zum Abschluss eines Abkommens zwischen den Europäern und dem südamerikanischen Wirtschaftsverband Mercosur kommen wird, bleibt fraglich.

»Wir haben die Absicht, die Verhandlungen abzuschließen«, sagte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner am Montag in Brüssel. »Wir wissen aber auch, dass die Doha-Runde noch nicht beendet wurde.« Der Abschluss der Welthandelsrunde sei aber ausschlaggebend dafür, dass auch der Wiener Gipfel zu einem Ergebnis führt. Die Doha-Runde, benannt nach der Hauptstadt Katars, soll den Handel mit Industriegütern und Dienstleistungen erleichtern sowie die Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern voranbringen. Die Gespräche laufen seit 2001, wurden vor wenigen Wochen erneut ergebnislos vertagt und sollen nun spätestens bis Jahresende abgeschlossen werden.

Der Mercosur, dem Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Venezuela angehören, war 1991 nach dem Vorbild der EU gegründet worden, beschränkte sich aber bislang in der Zusammenarbeit auf Handelsfragen. Seit einem Jahr bildet er mit der Anden-Gemeinschaft CAN die südamerikanische Staatengemeinschaft. Bis Ende 2006 soll ein gemeinsames Parlament eingerichtet werden, dessen Abgeordnete ab 2011 direkt von der Bevölkerung der Mitgliedstaaten gewählt werden sollen.

Bislang gestaltete sich auch die Aufnahme von Verhandlungen zwischen EU und der Anden-Gemeinschaft, der Peru, Bolivien, Venezuela, Ecuador und Kolumbien angehören, sehr schwierig. »Diese Länder müssen erst einmal zeigen, dass sie Verhandlungen mit uns einleiten wollen«, sagte Ferrero-Waldner. Zwar sei Mitte April ein Treffen auf Expertenebene geplant, doch hätten die Vertreter der Anden-Gemeinschaft bisher weder zu- noch abgesagt. Zu Wochenbeginn fand in Brüssel zudem eine Konferenz zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit statt, deren Ergebnisse auf dem Wiener Gipfel am 12. Mai beraten werden sollen. Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, José Miguel Insulza, machte bei den Beratungen auf die gute Entwicklung aufmerksam, die es in Lateinamerika in den vergangenen zwei Jahren sowohl bei Demokratie als auch bei Wirtschaftsentwicklung gegeben habe. Nun müssten »die Ergebnisse des Wachstums gerechter verteilt« werden.

Donnerstag, 30. März 2006

Schwarzarbeit bei der NATO - Klage der Gewerkschaft

Offenbar arbeiten viele Beschäftigte der NATO-Kommandozentrale in Casteau bei Mons (Provinz Hennegau) schwarz. Darüber berichtet die flämische Tageszeitung »De Morgen« und bezieht sich dabei auf Meldungen der sozialistischen Gewerkschaft Secta. Nach Gewerkschaftsangaben sollen zwei Drittel aller Angestellten in der NATO-Basis von Schwarzarbeit betroffen sein. Wie ein Gewerkschaftssekretär gegenüber der Zeitung erklärte, seien in der Kommandozentrale rund 250 Schwarzarbeiter, zumeist Kinder oder Frauen der Soldaten, beschäftigt. Sie bekämen dafür vier bis fünf Euro Stundenlohn.

Insgesamt sind im Hauptquartier 300 Soldaten aus allen Mitgliedsländern stationiert, zudem rund 120 zivile Angestellte. Nach Angaben der Gewerkschaft sollen die meisten Schwarzarbeiter aus den neuen NATO-Staaten stammen. Angeblich habe die Gewerkschaft in der Vergangenheit bereits mehrmals Berichte dazu an den zuständigen belgischen Verteidigungsminister André Flahaut und an Außenminister Karel De Gucht geschickt, ohne je eine Antwort erhalten zu haben. Mittlerweile habe Secta Klage bei der Sozialinspektion eingereicht, hieß es.

5 Millionen Jugendliche ohne Job - In vielen EU-Ländern sind vor allem junge Leute arbeitslos

Die französische Regierung versucht trotz anhaltender Massenproteste, den Kündigungsschutz für Berufseinsteiger abzuschaffen, um die Jugendarbeitslosigkeit zu senken. Auch die schwarz-rote Bundesregierung zielt in diese Richtung. Doch die Hire-and-Fire-Mentalität nützt nur den Betrieben, schafft kaum neue Jobs, entrechtet dafür Arbeitnehmer und schwächt die Sozialkassen.

Die Europa-Euphorie der Jugend hält sich in Grenzen, wie die jüngste Meinungsumfrage »Eurobarometer« zeigt. Kein Wunder. Die Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren hat europaweit bedenkliche Ausmaße angenommen: In den »alten« EU-Ländern sind es mehr als 3,3 Millionen, die neuen EU-Staaten hinzugenommen mehr als fünf Millionen arbeitslose Jugendliche. Der internationale Vergleich der Quoten auf Basis von OECD-Daten zeigt dabei allerdings ein sehr differenziertes Bild.

Während in Dänemark lediglich rund 7,8 Prozent der Jugendlichen ohne Job sind, liegt die Quote in Griechenland mit 26,5 Prozent mehr als dreimal so hoch. Junge Menschen in Südeuropa sind viel häufiger von Beschäftigungslosigkeit betroffen als im Norden oder in der Mitte Europas. Ausnahmen dieses Nord-Süd-Gefälles sind Belgien und Finnland, wo ebenfalls nahezu jeder fünfte Jugendliche arbeitslos ist. In Frankreich und Spanien liegt die Quote bei 22, in Italien bei rund 24 Prozent. Aber generell ist die Jugendarbeitslosigkeit in allen Ländern höher als die der Gesamtgruppe der Erwerbsfähigen zwischen 15 und 64 Jahren.

Gemessen daran scheint das Problem in Deutschland mit einer Quote von rund 15 Prozent, deutlich unter EU-Durchschnitt, geringer zu sein. Zwei Punkte relativieren allerdings die Statistik: Die Studienzeiten sind In Deutschland länger als in anderen Ländern. Die jungen Leute erscheinen unter Umständen bis zum 30. Lebensjahr – oder noch länger – nicht im Zahlenmaterial. Außerdem sagt die Quote nichts darüber aus, welche Hürden deutsche Studenten im eigenen Land überwinden müssen, wenn sie nach einem Auslandsstudium auf Jobsuche gehen.

Auch die Länge der Übergangszeit zwischen Ausbildung und Anstellung ist aufschlussreich: In Frankreich etwa hatten laut einer Studie des »Vereins für die Einstellung von Führungskräften« nur 50 Prozent der Absolventen einer fünfjährigen Hochschulausbildung ein Jahr später eine Arbeit gefunden. Vergleichbar ist die Lage in Deutschland. Und ähnlich verhält es sich mit dem Übergang von der Schule in den Lehrberuf.

Die 25 EU-Gipfelteilnehmer hatten sich vorige Woche in Brüssel dazu verabredet, künftig jedem Jugendlichen sechs Monate nach Schulabschluss eine Ausbildungsstelle oder einen Job anzubieten. Einige Jahre später soll die Zeitspanne sogar noch um drei Monate sinken. Mit welchen Mitteln die Politiker europaweit Unternehmen dazu bringen wollen, ihren Ausbildungspflichten nachzukommen, das behielten die Staats- und Regierungschefs für sich.
Im Übrigen sind solche Zielstellungen nicht neu: Im Jahr 2000 hatten die Staatschefs in Lissabon bereits festgelegt, dass kein Jugendlicher in Europa länger als sechs Monate ohne Arbeits- oder Ausbildungsplatz bleiben soll. »Die Europäische Union als Ganzes kann hierzu lediglich Vorschläge machen und Empfehlungen geben, Ziele setzen«, erklärte unlängst die SPD-Europaabgeordnete Lissy Gröner. Die Umsetzung sei aber eine Sache der einzelnen Länder ...
Ob Hochschulabsolventen oder Schulabgänger, sie spielen in der Personalpolitik kleiner und großer Firmen trotzdem eine große Rolle. Immer mehr junge Leute betätigen sich als Zeitarbeiter oder werden als Praktikanten in der freien Wirtschaft regelrecht ausgequetscht. Die Bedingungen diktieren die Firmen ungeniert: Sie bieten ein »Höchstmaß an Selbstständigkeit«, aber bezahlen wollen sie dafür nichts. In manchen Ländern wird diese Ausbeutung sogar noch kräftig subventioniert. Warum sollten also die Unternehmen erst in teure Ausbildung investieren, wenn sie viel billiger gut ausgebildete Kräfte bekommen können?

Donnerstag, 23. März 2006

Strafzölle auf Schuhe aus China und Vietnam - Firmen planen Umzug der Produktionsstätten

Schuhe aus China und Vietnam werden möglicherweise teurer. Denn die EU-Kommission hat gestern vorläufige Strafabgaben auf Lederschuhe aus diesen Ländern beschlossen.

Vom 7. April an sollen bis zum Herbst Strafzölle für chinesische Schuhproduzenten bis auf 19,4 und für vietnamesische Unternehmen auf 16,8 Prozent ansteigen. Die EU-Kommission geht trotzdem nicht davon aus, dass die Preise für Schuhe stark steigen werden. Der Handel könne die Mehrkosten von rund 1,50 Euro je Paar innerhalb der Vertriebs- und Vermarktungskette auffangen, hieß es. Kinder- und Sportschuhe sind von der Sanktion ausgenommen. EU-Handelskommissar Peter Mandelson, der sich für diesen Schritt stark gemacht hatte, wird die Maßnahme heute offiziell bekannt geben.

Hintergrund für den Beschluss ist der drastische Anstieg der Importe, der nach Ansicht der Kommission vor allem auf Preisdrückerei aus illegalen Subventionen für Fabriken in China und Vietnam zurückzuführen sei. Vor allem Italien und Spanien – hier werden noch Schuhe produziert – hatten härtere Sanktionen gegen die asiatische Konkurrenz gefordert. Dagegen befürchten die nordischen Länder davon einen Preisanstieg für die Kunden. Laut einer Studie des dänischen Wirtschaftsministeriums könnten Importeure und Hersteller, die außerhalb Europas fertigen lassen, pro Jahr mehr als 295 Millionen Euro verlieren.

Der Geschäftsführer des europäischen Branchenverbandes FAIR, Paul Verrips, hatte den Beschluss auch deshalb heftig kritisiert. »Hier werden sowohl die Grundprinzipien der EU als auch die Interessen der europäischen Bürger dem Druck von Unternehmen geopfert, die jahrelang Zeit hatten, sich auf den globalen Wettbewerb einzustellen«, schimpfte Verrips. Dabei weiß er allzu gut, dass gerade eine Vielzahl seiner Mitgliedsunternehmen ihre Produktion in die Billiglohnländer verlagert und damit erst den Dumping-Wettlauf in Gang gesetzt hat.

Der Verbandschef verwies darauf, dass elf Mitgliedsstaaten das Ansinnen bereits im Vorfeld brüsk zurückgewiesen hatten. »Tatsache ist, dass lediglich drei Mitgliedsstaaten den Vorschlag unterstützten«, bekräftigte Verrips seine Haltung. Die Kommission habe sich bewusst über Vorbehalte der Mehrheit hinweggesetzt. »Am Ende beschädigen solche undemokratischen und gegen die Prinzipien des freien und fairen Handels vorstoßenden Entscheidungen das Vertrauen der Bürger in die EU«, kommentierte Verrips, dessen Verband gut 100 Schuhimporteure und Einzelhändler mit über 90 000 Arbeitnehmern vertritt, darunter die deutschen Unternehmen Deichmann und Wortmann.

Die Anti-Dumping-Maßnahmen werden, so Verrips, zu höheren Preisen und massiven Arbeitsplatzverlusten im Handel und bei Importeuren führen. Sie würden weder die Verkäufe der europäischen Schuhhersteller erhöhen noch einen einzigen Arbeitsplatz in der EU schützen. Heinrich Deichmann erklärte, mit welcher Strategie die Händler antworten werden: Die Produktionsstätten würden von China und Vietnam nach Indien, Kambodscha, Laos und Indonesien verlegt, wo eine neue Infrastruktur aufgebaut werden müsse. »Da ein solcher Prozess etwa zwei Jahre braucht, müssten wir in Europa zunächst mit einer Angebotsverknappung und höheren Preisen rechnen«

Schlechte Noten für Brüssel - Bilanz nach sechs Jahren Lissabon-Strategie

Beim Treffen des Europäischen Rats am Donnerstag und Freitag in Brüssel steht die Überprüfung der Lissabon-Strategie auf der Tagesordnung. Die Bilanz des Programms fällt ernüchternd aus.

Im Frühjahr 2000 hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs in der portugiesischen Hauptstadt das Ziel gestellt, die Europäische Union bis zum Jahr 2010 zum »wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt« zu machen. Doch die Europäer und ihre Lissabon-Strategie befinden sich am Scheidepunkt. Wenn das Ziel – drei Prozent jährliches Wirtschaftswachstum und eine Beschäftigungsquote von 70 Prozent – in den verbleibenden vier Jahren noch erreicht werden soll, müssten die massiven Defizite rasch behoben werden. Experten fordern daher eine Korrektur der Leitlinien auf dem Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag.

Im Bericht der in Brüssel ansässigen Denkfabrik »Bruegel« wird die EU-Kommission aufgefordert, eine neue Methode zur Beurteilung der nationalen Bemühungen im Rahmen der Lissabon-Strategie zu schaffen. Es müsste öffentlich gemacht werden, welche Mitgliedsländer besser und welche schlechter abschneiden. Die EU-Staaten sollten sehr viel stärker an den von ihnen selbst vorgegebenen Zielen gemessen werden. Damit soll erreicht werden, dass die Regierungen ihre entsprechenden Anstrengungen verstärken. Dass dies alles andere als leicht ist, hat die österreichische Ratspräsidentschaft schon registrieren müssen. Der Vorschlag etwa, auf dem Gipfeltreffen konkrete Maßnahmen vorzugeben, die in kürzester Zeit von den EU-Ländern umgesetzt werden sollen, wurde von den Mitgliedstaaten kurzerhand »vom Tisch gestimmt«.

Auch die Präsidentin des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA), Anne-Marie Sigmund, schätzt die Ergebnisse der Lissabon-Strategie als schlecht ein. Sie erklärte vor der Presse, dass die organisierte Zivilgesellschaft sehr viel stärker in die Umsetzung des Programms eingebunden werden müsse. Es fehle die Verankerung dieser Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung bei den Betroffenen selbst.

Für den Europaabgeordneten der Linkspartei Helmuth Markov ist das Problem nicht die Zielstellung, sondern die Strategie, »mit der man diese erreichen will«. Die heutigen Realitäten zeigten, dass die EU-Mitgliedstaaten bei durchschnittlich 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum liegen und nur etwa ein Viertel der erhofften neuen Arbeitsplätze geschaffen haben. Die »sehr schlecht bezahlten Arbeitsplätze« seien das Hauptproblem im Zusammenhang mit Lissabon. »Seit sechs Jahren wird dieser Kurs so weitergeführt. Auch die Leitlinien, die letzthin verabschiedet wurden und die jetzt auch in den nationalen Plänen umgesetzt werden, tragen genau diese Handschrift.« Die Produktivitätsgewinne explodierten in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, aber der Lohnzuwachs bleibe auf demselben Niveau, sagte Markov vor dem Europäischen Parlament. Hohe Löhne brächten letztlich auch Wirtschaftswachstum, doch dies erfordere ein politisches Umdenken.

Die EU-Kommission wehrt sich indes gegen das vernichtende Zeugnis, das ihr der »Bruegel«-Bericht ausstellt. Dieser basiere »auf unvollständigen und fehlerhaften Informationen«, ziehe Schlüsse aus einem »sehr kurzen Zeitraum«, stelle »tiefes Unverständnis der integrierten Leitlinien« unter Beweis und ignoriere »Argumente gegen seine wichtigsten Empfehlungen«. Zwar enthalte das Papier einige »nützliche Punkte« zur Verbesserung der Lissabon-Strategie, doch vernachlässige es völlig, dass die zentralen Herausforderungen für jedes Land systematisch analysiert worden seien und sich der Bewertungsprozess erst entwickeln müsse. Ab 2007 würden außerdem länderspezifische Empfehlungen in den Jahresberichten der Kommission enthalten sein. Insgesamt sei es jetzt noch zu früh, um über die Umsetzung der Lissabon-Strategie zu urteilen.

Allerdings sieht auch die EU-Kommission die Ergebnisse des Lissabon-Prozesses skeptisch. Bis 2010 sollten jährlich mindestens zwei Millionen Jobs geschaffen werden. Vor allem die Beschäftigungssituation für Frauen, Jugendliche und ältere Menschen wollte die EU deutlich verbessern. Kommissionschef José Manuel Barroso sieht inzwischen jedoch die Felle davonschwimmen: Es wäre besser, wenn die Mitgliedstaaten endlich realistische Aufgaben beschließen würden.

Freitag, 17. März 2006

Zuschuss gestrichen - Keine EU-Gelder für Standortverlagerungen

Die Europäische Union wird Unternehmen keinerlei finanzielle Mittel für Standortverlagerungen zur Verfügung stellen. Ein entsprechender Beschluss passierte am Dienstag das Europäische Parlament.

Die Begründung des Berichterstatters Alain Hutchinson klang logisch: Unternehmen würden Standortverlagerungen aus einer Vielzahl von Gründen beschließen, »die in einigen Fällen überhaupt nichts mit ihrer Produktivität, Effizienz oder wirtschaftlichen Lebensfähigkeit zu tun haben«. Verlagerungen führten jedoch »mit hoher Wahrscheinlichkeit zu massiven Arbeitsplatzverlusten und wirtschaftlichen Problemen«. Deshalb seien Überwachungssysteme notwendig, mit denen »die wirtschaftlichen und sozialen Kosten aller Standortverlagerungen quantifiziert werden können«.

Der Ausschuss für regionale Entwicklung hatte in seiner Vorlage verlangt, dass Standortverlagerungen, »die nicht aus Gründen der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit gerechtfertigt sind oder zu einem erheblichen Arbeitsplatzverlust führen können, von der EU nicht finanziell unterstützt werden«. Die Kommission solle Unternehmensschließungen und Verlagerungen aufmerksam verfolgen und im Falle der »zweckwidrigen Verwendung« sogar die Rückzahlung von Fördermitteln verlangen.

Hutchinson hatte eine Studie zur Hand, die über Standortverlagerungen in der Industrie Auskunft gibt. Dem Papier zufolge sind allein in Frankreich im Zeitraum 1995 bis 2001 rund 95 000 Industriearbeitsplätze abgebaut und ins Ausland verlagert worden. Davon entfiel knapp die Hälfte auf Schwellenländer (Entwicklungsländer mit starkem Wachstum), der Rest sei in so genannte Niedriglohnländer abgewandert. Unter diesen Staaten stehe China an erster Stelle.

EU-Beihilfen für Unternehmensverlagerungen erbringen keinerlei europäischen Mehrwert, betonte Hutchinson, deshalb solle künftig auf sie verzichtet werden. Der Regionalausschuss unterstützt deshalb auch die Verhängung von Sanktionen gegen Firmen, die nach Erhalt einer EU-Finanzhilfe innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren Unternehmensteile verlagern. Um angemessen reagieren zu können, verlangen die EU-Abgeordneten außerdem eine globale europäische Strategie der Prävention, Überwachung und Beobachtung der Verlegungen. Diese müsse koordiniert auf Unionsebene umgesetzt werden. Der Ausschuss regte deshalb an, die europäische Beobachtungsstelle in Dublin mit der »Untersuchung, Evaluierung und Beobachtung des Phänomens der Standortverlagerungen zu betrauen«.

Samstag, 11. März 2006

Dresden wird teuer

Für alle die meinen durch eine neue Partei würde sich in der Politik irgendwas ändern: 48.000 stadteigene Wohnungen werden mit Hilfe der Linkspartei.PDS an US-Heuschrecke verscherbelt. Die Mieter zahlen die Zeche

Dresdens Oberbürgermeister Ingolf Rossberg atmete nach der Entscheidung des Stadtrates am Donnerstagabend zufrieden auf. Der FDP-Mann wird in die Geschichte eingehen, denn er »befreite« die erste Stadt Deutschlands von ihren Millionenschulden. Den Dresdner Bürgern hingegen stehen enorme Mietsteigerungen ins Haus – und für die ist auch die Linkspartei.PDS verantwortlich.

Die US-amerikanische Investorengesellschaft Fortress legte für die stadteigene »Woba Dresden« mit ihren 48.000 Wohnungen rund 1,7 Milliarden Euro auf den Tisch und trieb mit ihrem Angebot offenbar den kommunalen Mandatsträgern Feuchtes in die Augen. Geschäfte mit einer »Heuschrecke« können also durchaus angenehm sein, denn am Ende bleiben der Stadt noch 982 Millionen Euro übrig. Der Rest geht für die Tilgung der Woba-Schulden in Höhe von 741,4 Millionen drauf.

Der Widerstand gegen den Verkauf des kommunalen Tafelsilbers war vor allem in der Bevölkerung groß. Vertreter einer von Teilen der Linkspartei.PDS initiierten Bürgerinitiative legten vor der Stadtratssitzung knapp 45.000 Unterschriften gegen den Komplettverkauf vor. Sie befürchten einen gravierenden Abbau der Rechte von Mietern. Doch es half nichts: Bei der Entscheidung votierten 40 Stadträte für den Verkauf, 29 dagegen. Ein Abgeordneter enthielt sich der Stimme.

Den Verlockungen des großen Geldes erlagen auch neun von 17 Stadträten der Linkspartei.PDS. Sie hätten zwar »von ihrem freien Mandat Gebrauch« gemacht, teilte Fraktionschef Hans-Jürgen Muskulus entschuldigend mit, doch stehe deren Votum »im Widerspruch zu den kommunalpolitischen Grundpositionen der Linkspartei«. Die Feststellung ändert nichts daran, daß der Deal ohne die Stimmen der Linken überhaupt nicht zustande gekommen wäre.
Muskulus’ Ankündigung, daß die Linkspartei die Privatisierung in der Folge »kritisch begleiten und die Mieterinnen und Mieter aktiv bei der Wahrnehmung ihrer Interessen unterstützen« wolle, dürfte allenfalls noch ein Versuch sein, den politischen Schaden für die Dresdner Linke ein wenig abzufedern. Seinen Fraktionskollegen wird er damit jedoch nicht einige sehr unangenehme Fragen ersparen können, denn selbst der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, hatte im Vorfeld der Entscheidung gefordert, dem »Wahn der Privatisierung« entgegenzutreten.

Auch der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Franz-Georg Rips, bezeichnete den Verkauf als »falsch und kurzsichtig«. Er sei überzeugt, daß die Mieter »letztlich die Zeche zahlen«. »Der hohe Kaufpreis muß von Fortress wieder eingespielt werden, die Mieten in Dresden werden steigen. Der Verwertungsdruck wird hoch sein.«

Fortress soll sich mit dem Erwerb zum Bestandsschutz für 41000 Wohnungen verpflichtet haben. Eine »Sozialcharta« sieht vor, daß Mieter über 60 Jahre und Behinderte ein lebenslanges Wohnrecht erhalten, daß eine Kappungsgrenze für die Mietpreisentwicklung gilt und Luxussanierungen verboten sind. Rips hält diese Charta »schlichtweg für dumm und peinlich«. Tatsächlich seien die »Schutzrechte weitgehend wertlos, eine reine Mogelpackung«, erklärte er in Berlin.

Nach dem Dresdner Modell schielen indes zahlreiche andere Kommunen, die gleichfalls ihre Schuldenberge loswerden wollen. Ein Unternehmen namens Puma Brandenburg Limited will sich beispielsweise in Berlin einkaufen und in den nächsten Jahren für bis zu drei Milliarden Euro Wohnungen erwerben. Die nordrhein-westfälische Landesentwicklungsgesellschaft, die noch in diesem Jahr 106000 Wohnungen auf dem freien Markt feilbieten möchte, hofft auf ein gewinnbringendes Bieterverfahren. Neben der in Dresden zum Zuge gekommenen Fortress stehen dort bereits drei weitere »Heuschrecken« Schlange.

Die Deutsche Bank rechnet damit, dass 2,5 Millionen der bundesweit in öffentlicher Hand befindlichen Wohnungen noch verkauft werden können. Das Potential dieses Marktes veranschlagt die Bank auf 100 Milliarden Euro.

Freitag, 10. März 2006

Neue Programme, alter Inhalt - EU will wieder einmal die Entwicklungspolitik effizienter gestalten

Die EU-Kommission hat drei so genannte Mitteilungen verabschiedet, mit denen »Effizienz, Kohärenz und Wirkungskraft« der Entwicklungshilfe verbessert werden sollen. Eingegliedert ist ein Aktionsplan mit neun Maßnahmen, der als Rahmen für eine »Mehrjahresprogrammierung« dienen soll.

Zu den Schritten, die EU-Kommissar Louis Michel kürzlich in Brüssel vorgestellt hatte, gehören die »genaue Kartographierung der EU-Hilfe in regionalen Geberatlanten, die Unterstützung lokaler Koordinierungsprozesse und die Einführung eines gemeinsamen Rahmens für die Planung der Hilfe«. Diese Punkte könnten nach Ansicht Michels sofort umgesetzt werden. Andere wolle man innerhalb der nächsten vier Jahre realisieren.

Sichtlich genervt wirkte der Kommissar, als es um das leidige Thema einer Aufstockung der Entwicklungshilfe ging. Kein Wunder, wenn man an die vereinbarten Milleniums-Entwicklungsziele der UNO bis 2015 denkt. »Es fehlt an Harmonie, an Koordinierung und Kohärenz«, beklagte Michel und kritisierte die mangelhafte Abstimmung der nationalen Hilfsbeiträge aufeinander. Er ließ keinen Zweifel daran, dass nun endlich auch eine bessere Koordinierung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten erfolgen muss. Weder die bisherige Informationspolitik zu den einzelnen Entwicklungsprojekten, noch die Angleichung der Vergabeprozeduren wären ausreichend, kritisierte er. »Wir müssen vor unserer eigenen Tür kehren und unsere Regeln in Ordnung bringen.«

»Jeder Euro, den wir ausgeben, wird stärker zur Armutsbekämpfung beitragen, wenn wir uns diese enorme Aufgabe in intelligenter und koordinierter Weise teilen«, begründete Michel die Initiative der Kommission. »Mit diesen Vorschlägen können wir unser Versprechen erfüllen, nicht nur mehr für die Entwicklung zu leisten, sondern dies auch besser und schneller zu tun.« Derzeit gehe »sehr viel Geld« und Zeit durch doppelte Verwaltungskosten, Bürokratie und verschiedene Vorschriften in den 25 Mitgliedstaaten verloren.

Der Kommissar räumte ein, dass es Widerstand einiger Mitgliedstaaten gegen solche Pläne gibt, da diese ihre Handlungsfreiheit beschnitten sehen. Michel hatte nämlich angeboten, die Koordinierung selbst zu übernehmen. »Ich will keine zusätzliche Kompetenz«, versicherte er. Er wünsche sich aber, dass die EU-Entwicklungshilfe »nach außen glaubwürdiger und sichtbarer« dargestellt werde. Die EU hätte schließlich im Jahr 2004 rund 36 Milliarden Euro für die öffentliche Entwicklungshilfe zur Verfügung gestellt, dass waren mehr als die Hälfte der weltweiten Ausgaben. Und obwohl die EU der größte Geldgeber sei, hätten »weniger spendable Geberländer« international oft sehr viel mehr Einfluss.

Zwar vermied Michel vor der Presse offene Kritik an den Mitgliedstaaten, doch selbst in der Europäischen Kommission wird inzwischen deutlich von »geringen Fortschritten« bei der Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele gesprochen. Zwar unternahm die EU im Juni 2005 einen politischen Vorstoß im Entwicklungsbereich und die Mitgliedsstaaten vereinbarten, die Hilfe um jährlich rund 20 Milliarden Euro (bis zum Jahr 2010) anzuheben. Bis 2015 will die EU das schon seit langem erfolglos angestrebte Ziel erreichen, die Entwicklungsausgaben auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Dies würde bedeuten, dass die Europäische Union ihre Hilfe bis dahin etwa verdoppeln müsste. Besondere Priorität sollen die afrikanischen Staaten haben, die künftig mindestens 50 Prozent mehr Entwicklungshilfe erhalten sollen.

Doch nicht nur zahlreiche nichtstaatliche Organisationen halten derartige Ziele für unrealistisch. Ein Mitarbeiter der EU-Kommission bestätigte gegenüber ND, dass solche »Verpflichtungen nichts anderes sind als die Fortsetzung einer nahezu endlosen Geschichte von gebrochenen Versprechen«. Bereits 1970 hätten sich die Geberländer zu ähnlichen Zielen bekannt. 25 Jahre später hatten aber mit der Niederlande, Schweden, Dänemark und Luxemburg lediglich vier EU-Länder den Zielpunkt tatsächlich erreicht.

Deutschland bezeichnete der EU-Experte als »Rechenkünstler«. Die Entwicklungspolitik werde von der Bundesregierung allenfalls schöngerechnet, stellte er klar. Dagegen sei auch unter Bundeskanzlerin Angela Merkel offenbar kein Geld für direkte Armutsbekämpfung eingeplant. Die vereinbarte Quote der deutschen Hilfsleistungen sei nur deshalb in den vergangenen Jahren nicht eingebrochen, weil im großen Umfang die Schuldenerlasse eingerechnet wurden. Die deutschen Erfolgsmeldungen seien vor diesem Hintergrund nichts anderes als eine »galant inszenierte Mogelpackung«.

Freitag, 3. März 2006

Globalisierung für Arbeitslose abfedern - EU-Kommission will einen Arbeitsmarktfonds

Mit einem Globalisierungs- und Anpassungsfonds will die EU-Kommission unvorhersehbare Folgen der Globalisierung für Beschäftigte abfedern. Dafür will die Kommission den Topf alljährlich mit einer halben Milliarde Euro füllen. Allerdings gehen jene leer aus, deren Arbeitsplätze künftig innerhalb der EU »verlagert« werden.

Der neue Globalisierungsfonds, den die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel präsentierte, solle beweisen, dass sich die EU um die einzelnen Arbeitnehmer kümmere und nicht nur für die Globalisierung der Wirtschaft eintrete, erklärte Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Man wolle kurzfristig und im breiten Ausmaße eingreifen, wenn die Lage durch bestehende nationale Instrumente nicht gelöst werden kann. »Es ist eine Art europäische Versicherungspolitik, die aktiviert werden kann in Situationen des besonderen Bedarfs«, argumentierte er.

Die Mittel sollen ausschließlich für die »aktive Arbeitssuche« verwendet werden und werden nur für die Dauer von 18 Monaten gezahlt. Für Menschen über 50 Jahre kündigte Barroso auch die Möglichkeit von Zuschüssen für Löhne und Gehälter an.

Für die Beantragung der Gelder ist der jeweilige Mitgliedstaat verantwortlich. Brüssel bezuschusst höchstens die Hälfte der von diesem EU-Land zur Verfügung gestellten Mittel. Der Fonds soll die Arbeitsmarktpolitik der Mitgliedstaaten ergänzen, aber keinesfalls ersetzen, sagte Barroso.

Ursprünglich hatten Frankreich und Großbritannien die Initiative zur Gründung eines solchen Fonds übernommen, doch schnell zeichnete sich heftiger Widerstand aus Estland, Schweden, Dänemark und den Niederlanden ab. Vor allem sperrten sie sich gegen den Vorschlag, diesen Topf mit speziellen Geldern, die im EU-Haushaltsbudget 2007 bis 2013 aufgenommen werden sollten, zu speisen.

Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen etwa war wenig begeistert von der Idee, mit rund 500 Millionen Euro jährlich jene Menschen, Branchen und Regionen in Europa zu unterstützen, die unter der Globalisierung zu leiden haben. »Abschottung wird langfristig keinen Arbeitsplatz sichern«, schimpfte er. Zustimmung signalisierte er nur für den Fall, dass die EU mit dem Geld letztlich die Arbeitsmärkte flexibilisiert.

Sein estnischer Amtskollege Andrus Ansip bewegte sich gleich überhaupt nicht auf die Kommission zu und nannte die Globalisierungsfonds-Vision von Barrosos Vorgänger Roman Prodi eine »Schnapsidee«. Die EU-Mitgliedsstaaten hätten sich längst auf die harten Bedingungen des internationalen Wettbewerbs einstellen müssen. Nun sei nicht einzusehen, dass jene Länder belohnt würden, »die strukturelle Reformen nicht rechtzeitig durchführten«.

Der damalige deutsche SPD-Kanzler Gerhard Schröder hatte für seine Haltung übrigens seinerzeit die ausdrückliche Legitimation der CDU-Nachfolgerin Angela Merkel in der Tasche, als er sich bezüglich der Finanzierbarkeit des Fonds »mehr als skeptisch« zeigte. Hinter vorgehaltener Hand war von »Nebenhaushalten« und »zusätzlichen Ausgaben« die Rede.

Diesbezüglich versucht die EU–Kommission, die 25 Mitgliedsstaaten gnädig zu stimmen: Kommissionspräsident Barroso beeilte sich zu versichern, dass die halbe Milliarde Euro ausschließlich über nicht ausgegebene Mittel anderer Posten gespeist werden soll. Welche Posten das sein werden, ließ er allerdings offen.

Mit Portugal auf »Augenhöhe« - Frauen in EU immer noch schlechter bezahlt

Kritik musste sich Deutschland im neuesten »Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern« gefallen lassen, der von EU-Kommissar Vladimír Špidla in dieser Woche vorgestellt wurde.

Frauen werden europaweit schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen, ihre Gehälter liegen etwa 15 Prozent unter deren Bezahlung. Der Lohnabstand zwischen den Geschlechtern sei vor allem in Deutschland größer geworden, heißt es in dem Bericht, der dem EU-Gipfel Ende März vorgelegt werden soll. Demnach erhielten Männer im Jahr 2004 pro Arbeitsstunde durchschnittlich 23 Prozent mehr Geld als ihre Kolleginnen. Fünf Jahre zuvor hatte der Unterschied in Deutschland knapp 19 Prozent betragen. Vollzeitbeschäftigte Frauen in Westdeutschland verdienen übrigens durchschnittlich 23 Prozent weniger als Männer. In Ostdeutschland beträgt der Unterschied dagegen etwa zehn Prozent.

Ähnlich drastisch wie hier im Land fiel der Einbruch nur noch in Portugal aus, doch auch Spanien, Dänemark, Finnland, Belgien, Portugal und die Slowakei verzeichnen einen Rückschritt und befinden sich mit der Bundesrepublik auf »Augenhöhe«. In 14 der 25 Mitgliedstaaten hat sich die Einkommensdifferenz verringert, in vier Ländern blieb sie gleich. Špidlas Kommentar: »Es ist inakzeptabel, dass die eine Hälfte der EU-Bevölkerung es immer noch schwerer hat als die andere.«

Die Auflösung geschlechtsspezifischer Unterschiede in der Arbeitswelt gestalte sich im gesamten Europa schwierig, räumte die Kommission in dem Bericht ein. Die Beschäftigungsquote von Frauen ist mit 55,7 Prozent um 15 Prozent niedriger als die der Männer. Dies führe, so Špidla (Foto: AFP), zum Ausstieg vieler Frauen aus dem Arbeitsmarkt. Bei der Berufswahl beschränkten sich Frauen von vornherein häufig auf einige wenige Sektoren: Mehr als 40 Prozent könne man im Bildungs- und Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Verwaltung antreffen, während die Quote bei den Männern in diesen Bereichen weniger als 20 Prozent betrage.

Kritisch sieht die Kommission auch die Tatsache, dass es nach wie vor zu wenige Frauen in Spitzenpositionen gibt. Sie stellen 32 Prozent der Managementkräfte, nur zehn Prozent der Vorstandsmitglieder und lediglich drei Prozent der geschäftsführenden Personen in größeren Unternehmen. Den extrem hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigung in Deutschland sieht die Kommission als einen Beleg dafür, dass sich Frauen hier »großen Problemen bezüglich der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben« ausgesetzt sähen.

Die Kommission fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, sowohl Männer als auch Frauen beim Balanceakt zwischen Beruf und Privatleben zu unterstützen. Das könne beispielsweise durch ein umfangreicheres und besseres Angebot an Kinderbetreuungsmöglichkeiten erfolgen oder durch innovative und flexible Arbeitsbedingungen sowie eine gezielte Gleichstellungspolitik. Für Initiativen zum Abbau der Beschäftigungs- und Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern könne auch auf Mittel aus den EU-Strukturfonds zugegriffen werden, meinte Špidla.

Mit den drastischen Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern innerhalb der gesamten EU befasst sich auch ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der am 10. März im Bundestag beraten werden soll. Darin wird die Regierung aufgefordert, Chancengleichheit von Frauen und Männern auch in der privaten Wirtschaft gesetzlich festzuschreiben. Dazu solle ein Programm zur Gleichstellung von Frauen und Männern aufgelegt werden, »das insbesondere gesetzliche Regelungen zur Umsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft beinhaltet«. Frauen sollen vor allem bei Beförderungen und Qualifikationsmaßnahmen unterstützt und Benachteiligungen durch den Arbeitgeber sanktioniert werden.