Montag, 29. September 2008

Benelux-Staaten retten Fortis

Mit einer Finanzspritze in Höhe von 11,2 Milliarden Euro wollen die Regierungen Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs eine Pleite des Finanzdienstleisters Fortis verhindern. Die Fortis-Gruppe ist ein internationaler Verbund von Finanzdienstleistern in den Bereichen Banking und Versicherung. Das Unternehmen mit 80 000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 120,5 Milliarden Euro in 2007 gehört zu den größten europäischen Instituten.

Bis Ende vergangener Woche hatte sich die Konzernführung bemüht, die finanzielle Lage herunterzuspielen: Falsche Gerüchte seien gestreut worden. Anleger müssten sich aber keine Sorgen machen, verkündete Bankchef Herman Verwilst, das Haus verfüge über eine ausreichende Eigenkapitaldecke. Doch die Beruhigungspille verpuffte: Binnen weniger Stunden brach der Aktienwert um mehr als 20 Prozent ein und Verwilst trat zurück. Ihm folgte noch am Freitag Filip Dierckx.

Am Wochenende schnürten die drei Benelux-Regierungen nun ein Finanzpaket, mit dem das populäre Bankhaus gerettet werden soll. An der Brüsseler Krisensitzung nahmen neben dem belgischen Premier Yves Laterme, dessen Notenbankchef Guy Quaden sowie Finanzministern der Niederlande und Luxemburgs, Wouter Bos und Luc Frieden, auch hochrangige EU-Vertreter wie Zentralbankdirektor Jean-Claude Trichet und Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes teil. Ergebnis: Belgien übernimmt für 4,7 Milliarden Euro Anteile der belgischen Fortis, die Niederlande investieren vier Milliarden Euro in die Fortis Bank Niederlande und Luxemburg steigt mit 2,5 Milliarden Euro an die Fortis Banque Luxembourg ein. Jede der Regierungen beteiligt sich auf diese Weise mit jeweils 49 Prozent.

Von Verstaatlichung wollte Premier Laterme auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz am Montag nicht sprechen: Die Finanzspritze sei lediglich für die Stabilisierung der Bankaktivitäten vorgesehen, werde aber nicht in den Versicherungsbereich und die übergreifende Holding fließen, erklärte er. Es sei auch nicht an eine dauerhafte Beteiligung gedacht. In Belgien selbst soll der Kapitaleinstieg über eine Beteiligungsgesellschaft erfolgen. Da es sich um geliehenes Geld handele, seien keine Folgen für den Staatshaushalt zu befürchten, meinte Laterme.

Wie es mit der angeschlagenen Fortis weitergeht, ist noch unklar. Angeblich sollen die französische Bank BNP-Paribas und die belgische ING Interesse an einer Übernahme signalisiert haben. Der neue Fortis-Chef soll zudem verpflichtet worden sein, die erst vor einem Jahr für 24 Milliarden Euro erworbenen Anteile an der niederländischen Bank ABN Amro wieder abzustoßen, um schnell an flüssiges Kapital zu kommen. Dieser Kauf zur ungünstigen Zeit wird als ein Grund für die aktuelle Schieflage angesehen. Nach ND-Informationen sollen zudem Fortis-Filialen außerhalb der Benelux-Länder, so in der Türkei, und asiatische Versicherungen veräußert werden.

Inzwischen übernahm die belgische Regierung auch eine hundertprozentige Ausfallbürgschaft auf alle Einlagen der Fortis-Sparer. Normalerweise greift in Belgien nur bei Summen bis zu 20 000 Euro ein Garantiefonds, der von der Nationalbank verwaltet wird.

Fortis ist in 50 Ländern vertreten. In Deutschland hat der Konzern 91 Finanz-Shops, die neben Finanzierungen auch Altersvorsorge und Sparprodukte anbieten. Zudem ist er seit knapp zwei Jahren auf dem Versicherungsmarkt aktiv.

Nährstoffe aus dem Müll

Das haben Öl und Phosphate gemeinsam: Die weltweiten Vorräte gehen allmählich zur Neige. Im österreichischen Leoben ging vor wenigen Wochen eine moderne Anlage in Betrieb, die dazu beitragen könnte, das Phosphorproblem der Zukunft zu lösen.

Die Preise für Phosphor schießen seit Jahren ähnlich in die Höhe wie der für Öl. Kein Wunder: Die kontinentalen Vorkommen an Phosphatmineralien in Marokko, der Westsahara, in China und im amerikanischen Florida reichen voraussichtlich nur noch für wenige Jahrzehnte. Die Schätzungen variieren zwischen 50 und 130 Jahren. Auf Nauru, dem ehemals größten Speicher der Welt, gehen die Phosphatvorräte seit Mitte der 1970er Jahre kontinuierlich zurück. Mittlerweile sind sie fast völlig erschöpft.

Von den weltweit jährlich geförderten rund 100 Millionen Tonnen an Rohphosphaten werden etwa 90 Prozent zur Herstellung von Düngemitteln verwendet – und der Phosphor ist im Dünger unersetzlich. Zwar geht der Absatz von Düngemitteln zurück, doch das ist einzig den hohen Preisen geschuldet.

Phosphor gehört – neben Stickstoff und Kalium – zu den drei Hauptnährstoffen, die dem Boden durch Düngung immer wieder zugeführt werden müssen.

Bereits seit Jahren machen sich Wissenschaftler Gedanken darüber, wie sie aus Abfällen Wertstoffe zurückgewinnen können. Im Fall des Grundstoffes Phosphor entwickelten Forscher der Technischen Universität Wien nun mit finanzieller Unterstützung des EU-Förderprogramms SUSAN eine einzigartige Technologie, mit der neben dem Phosphor auch Magnesium und Kalzium aus Aschen herausgefiltert wird. Die Rückstände aus den Verbrennungsanlagen, die immerhin einen Phosphoranteil von rund 15 Prozent aufweisen, werden in einer Versuchsanlage in Leoben von der Firma ASH DEC Umwelt AG, einer Ausgründung der TU Wien, nach der Rauchgasreinigung zu hochwertigem Dünger weiterverarbeitet. Nach dem Abscheiden der Schwermetalle entstehen aus 100 Kilogramm Asche auf diese Weise rund 90 Kilogramm Düngemittel. Und noch einen weiteren Vorteil bietet diese Methode: Die Aschen und Schlacken mussten in der Vergangenheit mit hohem finanziellen Aufwand auf Deponien verfrachtet und dort entsorgt werden. Mit einem Schlag wird nun aus den ungeliebten Verbrennungsresten ein begehrtes Produkt.

Das Verfahren funktioniert folgendermaßen: Asche wird mit salzhaltigen Zusatzstoffen vermischt und die entstehenden Pellets werden anschließend auf eine Temperatur von rund 1000 Grad Celsius erhitzt. Bei dieser Temperatur reagieren bis zu 99 Prozent der Schwermetalle, insbesondere die kritischen Stoffe Quecksilber, Cadmium, Blei, Zink und Kupfer, mit den Zusatzstoffen und verdampfen. Übrig bleibt ein phosphorreiches Granulat. Aus den verdampfenden Schwermetallsalzen wird in einem dreistufigem Rauchgasreinigungssystem ein verwertbares Metallkonzentrat gewonnen.

Was für ein Potenzial in der neuen Technologie steckt, zeigen folgende Zahlen: In Europa werden jährlich mehr als eine Million Tonnen Aschen aus der Klärschlamm- und Tiermehlverbrennung auf Deponien entsorgt. Mit den darin enthaltenen Phosphaten könnten bis zu 30 Prozent des jährlichen Bedarfs in Europa gedeckt werden.

Die Technologie wurde bereits erfolgreich verkauft. Im Oktober 2009 startet im oberbayerischen Altenstadt die erste industrielle Anlage, weitere Werke in der Schweiz, den Niederlanden und in Russland sollen folgen.

Lexikon - Zinnorganische Verbindungen

Zinnorganische Verbindungen sind synthetische Substanzen, die hauptsächlich als Stabilisator in PVC, als Katalysator sowie als Biozide eingesetzt werden. Technisch bedeutsam sind neben dem in der EU nun verbotenen Antifoulingzusatz für Schiffsanstriche und Antipilzmittel Tributylzinn (TBT) auch Triphenyl- (TPT), Dibutyl- (DBT) und Dioctylzinnverbindungen (DOT). Sie schädigen unter anderem das Immunsystem bei Säugern. Die Organozinn-Verbindungen sind z.T. leichtflüchtig und können inhalativ oder die Haut aufgenommen werden.

Donnerstag, 25. September 2008

Sprachenstreit mit Deutschtümelei

Die EU-Kommission will die Mehrsprachigkeit fördern. Sie solle helfen, »Brücken zwischen den Kulturen und Gemeinschaften« zu bauen, sagte Sprachenkommissar Leonard Orban kurz vor dem heutigen »Europäischen Tag der Sprachen«. Ziel sei es, dass jeder EU-Bürger mindestens zwei weitere Sprachen neben seiner eigenen erlernt.

Der Fakt ist nicht neu: Im globalen Wettbewerb gewinnt die Mehrsprachigkeit immer mehr an Bedeutung. Allein in Europa gibt es 23 Amts- und 60 Minderheitensprachen, erklärte Orban dieser Tage in Brüssel. Selbst mittelständischen und kleinen Unternehmen falle die Orientierung in der europäischen Wirtschaftswelt zunehmend schwer, wenn sie sich nur noch in ihrer Muttersprache verständigen könnten. Nicht anders ergeht es den Arbeitnehmern. Auch sie kämen in den seltensten Fällen noch mit einer einzigen Sprache in ihrem Arbeitsumfeld aus.

Die Kommission stellte nun eine Strategie zur Förderung der Mehrsprachigkeit in Europa vor, mit der die Aus- und Weiterbildung sowie Auslandsaufenthalte von Studenten, Lehrlingen und jungen Unternehmern vorangebracht werden sollen. Jeder Bürger solle die Möglichkeit erhalten, eine Sprache seiner Wahl zu erlernen. Ziel sei es, dass sich jeder EU-Bürger außer in seiner Muttersprache in mindestens zwei weiteren Sprachen verständigen kann. Migranten müssten die Chance erhalten, die Sprache ihres europäischen Gastlandes zu erlernen.

Bei letzterem nahm der rumänische EU-Kommissar Berlin in die Kritik. Deutschland unternimmt seiner Meinung nach nicht genügend Anstrengungen, lernwillige Menschen im eigenen Land mit der deutschen Sprache vertraut zu machen. Es müsse mehr Geld dafür bereitgestellt werden, forderte er. Zudem solle sich Deutschland an Frankreich orientieren, das Beamte kostenfrei beim Erlernen anderer Sprachen unterstütze.

Die Reaktionen auf Orbans Vorstoß ließen nicht auf sich warten: Der EU-Sprachenbeauftragte der Länder, Baden-Württembergs Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU), warf dem EU-Kommissar vor, nur vom eigenen Versagen ablenken zu wollen. Die EU-Kommission habe ihr Versprechen, für eine Gleichbehandlung des Deutschen mit Englisch und Französisch zu sorgen, nicht erfüllt.

Ganz unrecht hat der konservative Politiker mit seiner Kritik nicht. Seit Jahren gibt es immer wieder Ärger, weil auf den Online-Servern der Kommission und anderer EU-Behörden wichtige Dokumente lediglich in englischer und französischer Sprache verfügbar sind. Und auch kleine Unternehmen, die im Fördermittelkatalog der EU recherchieren, stoßen sehr schnell an die Grenzen: Dort sind ebenfalls zahlreiche Dokumente nur in den beiden Amtssprachen Englisch und Französisch zu haben.

Der Verein zum Schutz der deutschen Sprache übersandte dem Bürgerbeauftragten der EU, Nikoforos Diamandouros, eine Beschwerde, in der er sich bitter über die mangelnde Verwendung der offiziellen Amtssprache Deutsch auf den Webseiten der EU beklagte. Obwohl Deutsch innerhalb der Union die häufigste Muttersprache und die zweithäufigste Fremdsprache sei, werde sie gegenüber dem Englischen und dem Französischen diskriminiert, hieß es in dem Schreiben. Dabei hatte Diamandouros fast zeitgleich mit demselben Problem auch im eigenen Hause zu kämpfen. Auch sein etwa 200-seitiger Jahresbericht lag der Presse nur auf Englisch vor. Die Übersetzungen kämen erst später, entschuldigte sich der Grieche. Ein Mitarbeiter seiner Behörde klärte anschließend über den Grund für die Verzögerung auf: Es fehlte an Übersetzern.

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Saubere Luft für alle?

Mit etwa 1200 Städten und Gemeinden nahmen nur halb so viele Kommunen wie im Vorjahr an der diesjährigen europäischen Woche der Mobilität teil, die unter den Motto »Saubere Luft für alle« stand.

In vielen europäischen Städten ist die Luftqualität prekär. Der Gehalt an Feinstaub, Stickoxiden und Ozon überschreitet oft die Grenzwerte. 70 Prozent aller verkehrsbedingten Feinstäube und 40 Prozent der CO2-Emissionen des Straßenverkehrs werden in Städten »produziert«. Bis 2030 geht die EU-Kommission von einer Verdopplung der Emissionen im Transportsektor aus.

Vor allem in stärker verschmutzten Regionen der EU sind die Menschen von einer deutlich verkürzten Lebenserwartung – bis zu 36 Monate – betroffen: In Europa sterben jährlich 370 000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung. Die Kosten der durch Luftschadstoffe verursachten Schäden werden bis 2020 auf bis zu 609 Milliarden Euro geschätzt.

In Deutschland beteiligten sich vom 15. bis 21. September mehr als 50 Kommunen an der Woche der Mobilität, darunter Berlin, Chemnitz, Frankfurt am Main, Hamburg, Stuttgart und Wiesbaden. Das waren deutlich weniger, als erhofft. Am vergangenen Sonntag richteten die Städte Köln, Marburg, Norderstedt und Nürnberg zudem autofreie Zonen ein und warben mit Gratisfahrten für den Umstieg auf Bus und Bahn.

Den Auftakt der Mobilitätswoche nutzte der Verkehrsclub Deutschland (VCD), um mit einer Protestaktion auf das anhaltende Problem zu hoher Feinstaubkonzentration in der Atemluft aufmerksam zu machen. Für den VCD sind die ungefilterten Diesel-Pkw und -Transporter sowie schwere Lkw in Städten und Ballungsgebieten die Hauptverursacher von Feinstaub. Aus deren Auspuffen komme etwa die Hälfte des gesundheitsgefährdenden Feinstaubs in der städtischen Atemluft. Dabei lasse sich der Ausstoß der Schadstoffe durch den Einbau von Partikelfiltern zu über 95 Prozent reduzieren, erklärte VCD-Referent Heiko Balsmeyer. Während zumindest neue Pkw inzwischen fast vollständig serienmäßig mit geregelten Partikelfiltern gegen Dieselruß ausgestattet sind, fehlt diese Technik bei den meisten Nutzfahrzeugen noch.

Einen Teilerfolg in Sachen Luftreinhaltung erreichten kürzlich die Grünen im Europäischen Parlament. In der Abstimmung über den Haushalt 2009 stimmten die Mitglieder des Verkehrsausschusses einem Haushaltstitel zur Förderung grenzüberschreitender Fremdenverkehrsnetze für Rad und Bahn zu. 300 000 Euro sollen im EU-Budget 2009 insbesondere für die Förderung der EuroVelo-Routen und des Europa-Radwanderweges »Eiserner Vorhang« bereitgestellt werden.

Mittwoch, 24. September 2008

Terrorismusbekämpfung und Datenschutz

Die Demokratie in Europa trägt bisweilen skurrile Züge: Da stimmen die EU-Agrarminister bei einem Treffen über eine Liste ab, auf der angeblich terrorverdächtige Gruppierungen aufgeführt stehen. Angelika Beer, außenpolitische Expertin der Europafraktion der Grünen, hat für derlei Vorgänge nur eine Wertung parat: Hier werde das Recht mit Füßen getreten, sagte sie während der Terrorismus-Debatte des EU-Parlaments am Dienstag in Brüssel. Es könne nicht angehen, dass Wald- und Wiesenminister über eine solche Angelegenheit als Stimmvieh missbraucht würden.

Der Stein des Anstoßes: Die Agrarminister entschieden am 15. Juli des Jahres über die Vorlage, jedoch ohne Wortmeldung und formelle Abstimmung. Und sie befanden gleichzeitig, dass auf der obskuren Terrorliste auch die iranische Widerstandsgruppe der Volksmudschahidin zu erscheinen habe. Dabei ist allgemein bekannt, dass es um die Rolle der Exil-Iraner durchaus andere Auffassungen gibt. Mehrere europäische Gerichte äußerten ihren Zweifel an der Rechtmäßigkeit solcher Einträge. Denn einen Beleg für die angebliche Terrorbereitschaft der Gruppe gibt es nicht. Im Gegenteil: Vom Terror hat sich die Organisation schon vor Jahren losgesagt und den bewaffneten Kampf eingestellt.

Und so funktioniert das demokratische Ränkespiel in der Europäischen Union: Vor allem helfen zweifelhafte Freundschaften unter mächtigen Männern. In jener Zeit, in der der Iran wegen seines Atomprogramms zu Zugeständnissen bewegt werden sollte, nutzte die iranischen Machthaber die europäische Laxheit konsequent aus: Ein Gespräch mit der britischen Regierung beförderte die Widerstandsgruppe schließlich auf das umstrittene Papier. Unangenehme Nachfragen anderer EU-Regierung gegenüber den Briten gab es nicht – schließlich will man sich nicht gegenseitig brüskieren ...

"Anschlag auf die Gedankenfreiheit"

Nun wollen die EU-Regierungen den "Rahmenbeschluss zur Terrorbekämpfung" aus dem Jahre 2002 erweitern. Dazu sollen EU-weit Straftatbestände geschaffen werden, die bereits "Vorbereitungen" von Anschlägen unter Strafe stellen. Dies gilt zum Beispiel für den "Aufruf" zu terroristischen Straftaten, etwa im Internet, sowie für die Anwerbung und Ausbildung von künftigen Terroristen. Alle EU-Staaten sollen solche Aktionen künftig strafrechtlich – und möglichst einheitlich - ahnden. Deutschland hat, wie wir wissen, in diesem Falle bereits eine Vorreiterrolle eingenommen.

Das Internet spielt eine zentrale Rolle in beiden Papieren. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien spielen bei der Ausbreitung der terroristischen Bedrohung eine erhebliche Rolle, heißt es im Entwurf der EU-Kommission. Dies gelte insbesondere für das Internet als preiswertes, schnelles und leicht zugängliches Medium mit praktisch globaler Reichweite. Terroristen nützten das Internet sowohl für die Verbreitung ihrer Propaganda und um Anhänger zu gewinnen. Und es werde auch für die Verbreitung von Anleitungen und Online-Handbüchern für die Terrorismus-Ausbildung oder die Planung von Terroranschlägen genutzt.

Als Adressaten der Informationen sind in dem Papier "Gefolgsleute ebenso wie Sympathisanten" benannt. Das Internet trage auf diese Weise maßgeblich zur Verstärkung des Radikalisierungs- und Rekrutierungsprozesses bei und diene darüber hinaus als "virtuelles Trainingscamp", indem es Informationen über Mittel und Methoden des Terrorismus verbreitet. Wörtlich: "Die Verbreitung terroristischer Propaganda und Kenntnisse im Internet ergänzt und verstärkt die Indoktrinierung und Ausbildung in der realen Welt und trägt dazu bei, den Kreis terroristischer Aktivisten und Sympathisanten zu erweitern und zu festigen."

Mit dem überarbeiteten Rahmenbeschluss aus dem Jahr 2002 will die EU-Kommission nun dieser "wachsenden Bedrohung Einhalt gebieten". Und sie will durch Aufnahme neuer Straftatbestände eine Angleichung mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus erreichen. Dazu gehören Begriffe wie "öffentliche Aufforderung zur Begehung einer terroristischen Straftat" und die "Anwerbung und Ausbildung für terroristische Zwecke".

Doch gerade den Begriff der "Aufforderung" wollen die Abgeordneten so nicht stehen lassen. Der linke Parlamentarier Adamos Adomou (GUE/NGL) brachte den Sachverhalt auf den Punkt. Es könne nicht sein, dass jemand wegen einer Rede verurteilt wird", sagte er. Jeder, der etwas schreibe, könne nun ins Gefängnis, konstatierte sein liberaler Kollege Stavros Lambrinidis. Eine "präventive Überwachung der Gedanken" dürfe es nicht geben. Dies wäre ein "Anschlag auf die Gedankenfreiheit".

In den Änderungen zum Richtlinienvorschlag forderte der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres nun, den Begriff "Aufforderung" durch "Anstiftung" zu ersetzen. Letzterer sei "schärfer gefasst" und ein gängigerer Terminus in der Sprache der Justiz, heißt es. Unter einer "öffentlichen Anstiftung zur Begehung einer terroristischen Straftat" müsse nun verstanden werden, dass das "öffentliche Verbreiten oder sonstige öffentliche Zugänglichmachen einer Botschaft, in der eindeutig und vorsätzlich die Begehung einer Straftat befürwortet wird, wenn dieses Verhalten offensichtlich die Gefahr begründet, dass eine oder mehrere solcher Straftaten begangen werden könnten".

Datenschutz mit Defiziten

Die sozialdemokratische Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, Martine Roure aus Frankreich, befasste sich mit dem zweiten Rahmenbeschluss zum Schutz personenbezogener Daten. Hier geht es vor allem um die Behandlung von jenen Daten, die im Rahmen der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen verarbeitet werden sollen. Eine unabhängige Kontrollinstanz, die überprüft, ob Polizeibehörden Datenschutzregeln einhalten, wird es danach nicht geben. Roure zeigte in Brüssel ihre Enttäuschung über den "abgespeckten Kommissionsentwurf". Der Ministerrat habe den ursprünglichen Vorschlag "seines Inhalts beraubt", schimpfte sie. So sei allenfalls eine politische Einigung auf dem "kleinstmöglichen Nenner" erreicht worden. Dabei waren es ihre eigenen Fraktionskollegen, die im Schulterschluss mit Konservativen und Liberalen auf Druck ihrer Regierungen an einigen wesentlichen Passagen herumgedoktert hatten.

Roure bezeichnete etwa das Datenschutzniveau des Textes als "minimal", zudem weise er "auch sehr erhebliche Defizite auf". Aus dem Grund hatten zahlreiche Abgeordnete eine Reihe von Änderungsanträgen allein zu diesem Thema eingebracht. So forderten sie etwa, dass die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten nicht zu einer Lockerung des Datenschutzes in diesen Ländern führen dürfe. Vielmehr müsse auf ein "hohes Maß an Schutz in der gesamten Union in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen des Europarates zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten" abgestellt werden. Eine Weitergabe von Daten etwa an Drittstaaten dürfe nur dann erfolgen, wenn ein "angemessenes Schutzniveau für die beabsichtigte Datenverarbeitung" entsprechend der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet wird.

Außerdem soll die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben soll "untersagt" werden. Ausnahmen von diesem Verbot dürfe es nur dann geben, wenn für jeden einzelnen Fall die vorherige Genehmigung einer zuständigen Justizbehörde eingeholt wurde und dies nachweislich für die Verhütung, Ermittlung, Feststellung oder Verfolgung von terroristischen und sonstigen schwerwiegenden Straftaten "unabdingbar" sei.

Wie wichtig dem Ministerrat die Meinung der EU-Abgeordneten zu sein scheint, machte noch ein anderer Fakt deutlich: Der französische Europaminister Jean-Pierre Jouyet ergriff mitten in der Brüsseler Debatte das Wort und forderte die Parlamentarier namens der EU-Ratspräsidentschaft auf, der Vorlage zu folgen. Auf den Rest der Plenardebatte verzichtete Jouyet, weil er noch einen anderen Termin wahrnehmen wollte.

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Dienstag, 23. September 2008

EU uneins über Bankenkontrolle

In der Debatte um mögliche Wege aus der Finanzkrise deutet sich zwischen dem Europaparlament und der EU-Kommission ein handfester Konflikt an. Vor allem bei der Aufsicht der Banken und der Kontrolle der Hedge-Fonds vertraut Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy auf das System der Selbstkontrolle des Sektors. Die Parlamentarier wollen dagegen eine stärkere staatliche Regulierung.

Indem Banken Eigenkapital bei der Vergabe von Krediten zurücklegen müssen, tragen sie dem Risiko eines Ausfalls Rechnung. Wie sich in der Finanzkrise jetzt zeigt, waren die Regeln hierfür zu lax. In der EU sollen sie verschärft werden. Ursprünglich strebte EU-Kommissar Charlie McCreevy einen Selbstbehalt bei der Umwandlung von Krediten in Wertpapieren in Höhe von 15 Prozent an. Nach ND-Informationen will er jetzt nur noch fünf Prozent vorschlagen. Die Pläne zur Reform der Eigenkapitalregeln sollen Anfang Oktober vorgelegt werden.

Bei einer Debatte im Brüsseler Europaparlament am Dienstag kritisierten die meisten Redner die geplanten Maßnahmen der EU-Kommission zur Bewältigung der Finanzkrise als zu langsam und nicht konsequent genug. Notwendig seien schnelle Maßnahmen, um drohende Risiken von Seiten der bislang gänzlich unregulierten Hedge-Fonds einzudämmen und die Struktur des europäischen Finanzaufsichtssystems effizienter zu gestalten. Dies war bislang im Ministerrat am Widerstand einiger Mitgliedsstaaten gescheitert. Deren Regierungen sind nicht bereit, Kompetenzen an ein zu schaffendes, gemeinschaftliches EU-Aufsichtsnetz zu übertragen.

Die Abgeordneten verlangen außerdem, Bankmanager an Verlusten ihrer Institute stärker zu beteiligen. Es könne nicht sein, dass sich Manager »auf Kosten anderer bereichern«, hieß es. Außerdem sind sich die Abgeordneten fraktionsüberreifend darin einig, dass Hedge- und Private-Equity-Fonds Unternehmen nur noch dann kaufen dürfen, wenn sie den Preis wenigstens teilweise aus eigenen Mitteln finanzieren. Und Ratingagenturen sollen daran gehindert werden, Finanzprodukte gleichzeitig zu bewerten und zu vertreiben.

In einem vom CDU-Abgeordneten Klaus-Heiner Lehne (CDU) ausgearbeiteten Bericht macht der EU-Rechtsausschuss deutlich, dass ein »gemeinsamer Transparenzstandard« nötig sei. Dieser sei eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen der Anleger und das Verständnis komplexer Finanzprodukte. Hedge-Fonds die in der EU angesiedelt sind, benötigten ein Regelungsumfeld, das einerseits ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht beschädige, aber andererseits die Auswirkungen einer »potenziell nachteiligen Marktdynamik« abmildere.

Das Parlament forderte die EU-Kommission in einer fraktionsübergreifenden Entschließung auf, Vorschläge für die Kontrolle von Hedge Fonds und Beteiligungsgesellschaften auszuarbeiten. Dafürt hat McCreevy nun zwei Monate Zeit. Er möchte auf eine strengere Regulierung von Finanzinvestoren verzichten und die von der Branche gestarteten Initiativen zur Selbstregulierung beobachten. Schließlich hätten die Fonds die Krise an den Finanzmärkten nicht verursacht. Außerdem würden nach der Krise »massive Investitionen« benötigt – ohne private oder auch staatliche Beteiligungsfonds werde sich »Europa viel langsamer von den Turbulenzen erholen«, behauptete er.

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Donnerstag, 18. September 2008

Keine EU-Hilfe für arme Deutsche

Das Programm zur Verteilung von Nahrungsmitteln an Bedürftige in der EU soll ausgeweitet werden. Bis 2009 will Brüssel die Mittel um zwei Drittel auf etwa 500 Millionen Euro aufstocken. Deutschland wird sich an dem Programm allerdings nicht beteiligen.

Eine 1987 eingeführte Regelung erlaubt es den EU-Mitgliedstaaten, öffentliche Überschussbestände für die Nahrungsmittelhilfe freizugeben. Mit der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) hat sich die Lage allerdings geändert. Die Bestände sind so niedrig wie nie zuvor, die Zahl der Bedürftigen ist dagegen gewachsen, und zuletzt sind die Lebensmittelpreise stark gestiegen.

Deshalb hält es die EU-Kommission für notwendig, die finanziellen Aufwendungen für die Fortsetzung des Programms zu erhöhen und den Ankauf von Nahrungsmitteln am freien Markt dauerhaft zu ermöglichen. In einem öffentlichen Konsultationsverfahren hatte die EU-Kommission zuvor Wohltätigkeitsorganisationen, Regierungsstellen, interessierte nichtstaatliche Organisationen und die Öffentlichkeit aufgefordert, zu den Plänen Stellung zu beziehen.

Die zuständige EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel bestätigte jetzt in Brüssel, dass sich Deutschland an dem Projekt nicht beteilige. Diese Entscheidung stehe den Mitgliedstaaten frei. Die Kommission halte das Programm jedoch für eine »konkrete Möglichkeit der Europäischen Union, einigen der bedürftigsten Menschen in unserer Gesellschaft zu helfen«, erklärte Fischer Boel. »Der jüngste Anstieg der Nahrungsmittelpreise macht den Menschen sehr zu schaffen. Wir müssen diese erfolgreiche Regelung ausweiten und zusätzliche Mittel hierfür bereitstellen, damit wir so vielen wie möglich helfen können.« Man sei sich aber auch darüber im Klaren, dass mit der Maßnahme das Armutsproblem nicht gelöst werden könne.

Im Bundeslandwirtschaftsministerium hieß es auf Nachfrage , man verzichte auf diese Unterstützung, denn man sei gegen das Brüsseler Hilfsprogramm. Bereits 2006 hatten die deutschen »Tafeln« den Antrag gestellt, beteiligt zu werden. Minister Horst Seehofer lehnte ab. In einem Brief schrieb er sinngemäß, dass die europäische Unterstützung den in Deutschland mit staatlichen Geldern finanzierten Regelleistungen widerspreche. »Als rein sozialpolitisch motivierte Maßnahme fehlt der Europäischen Union die Legitimation, ein solches Programm durchzuführen.«

Fischer Boel stellte auf Nachfrage des ND den Vorwurf der Bundesregierung in Abrede. Das Programm stehe auf soliden Füßen und müsse durch gesetzliche Rahmenbedingungen in den Mitgliedstaaten untersetzt werden. »Es besteht heute ein höherer Bedarf als je zuvor«, sagte sie. Das Vorhaben kollidiere nicht mit nationalen Regelungen. Obwohl der Lebensstandard in der EU durchschnittlich zu den höchsten der Welt gehört, gebe es »auch hier Menschen, die sich nicht ausreichend ernähren können«, begründete Fischer Boel die Initiative. Schätzungsweise 43 Millionen Menschen in der EU leben mit dem Existenzminimum. »Sie können sich nicht einmal jeden zweiten Tag eine Mahlzeit mit Fleisch oder Fisch leisten.«

Seit 1986 hat die Europäische Kommission im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe für bedürftige Personen in der Gemeinschaft rund 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Im Jahr 2007 zählte das Programm über 13 Millionen Begünstigte in 18 Mitgliedstaaten. Allein Belgien erhielt im vergangenen Jahr Nahrungsmittel für 8,4 Millionen Euro. Zurzeit nehmen 19 Mitgliedstaaten an dem Programm teil. Neben Deutschland wollen sich auch Slowenien, Schweden, die Niederlande und Großbritannien nicht daran beteiligen.

Donnerstag, 11. September 2008

Die Festung Europa wird ausgebaut

Das Europaparlament hat jetzt zusätzlichen Kontrollen für Einreisende aus Drittstaaten zugestimmt, für die eine Visumpflicht gilt.

Ab 2009 soll bei der Passkontrolle an EU-Außengrenzen nicht nur geprüft werden, ob jemand nach dem Schengen-System zur Fahndung ausgeschrieben ist. Darüber hinaus soll begutachtet werden, ob die Fingerabdrücke des Einreisenden mit dem Visumantrag übereinstimmen. Die Europaabgeordneten drängten zudem darauf, in Zeiten starken Reiseverkehrs die Kontrollen auch stichprobenartig durchzuführen. Dabei sollen externe Dienstleister die Berechtigung erhalten, Visumsanträge samt biometrischen Daten in Empfang zu nehmen und an die entsprechenden Konsulate weiterzuleiten. Die linke Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann übte im Straßburger Parlament Kritik am geplanten Outsourcing. Es werde die Kosten, die den Antragstellern entstehen, in die Höhe treiben. Auch könne dann »die Sicherheit und Vertraulichkeit der äußerst sensiblen Daten nicht gewährleistet werden«, sagte Kaufmann.

EU-Kommissar Jaques Barrot hatte in der Plenardebatte über diese Maßnahmen erklärt, dass nun die »technischen Voraussetzungen« in den Mitgliedstaaten vorhanden seien, die Schengener Außengrenzen »sicher zu schützen«. Im Visa-Informationssystem (VIS) der EU werden künftig biometrische Daten wie Foto und Fingerabdrücke aller Visa-Bewerber für fünf Jahre gespeichert. Die Informationen sollen von den Konsulaten gemeldet werden und sogenanntes Visa-Shopping verhindern. Antragstellern soll es so unmöglich werden, sich nach einer Ablehnung einfach an Konsulate anderer Schengenstaaten zu wenden. Außerdem will man zur Fahndung ausgeschriebene Personen schneller herausfiltern.

In dem weltweit größten System zur Erfassung aller zehn Fingerabdrücke sollen dann für bis zu 70 Millionen Menschen die Daten für Besuchs- oder Transitvisa für den Schengen-Raum gespeichert werden. Vor allem nichtstaatliche Organisationen hatten vor der Tatsache gewarnt, dass sich die EU mit dem neuen System noch perfekter vor den Ländern der Dritten Welt und deren Flüchtlingen abschotten wolle. Tatsache sei aber, dass immer weniger Menschen Anträge auf Asyl stellten: Vor fünf Jahren hatten noch rund 400 000 Gesuche vorgelegen, 2006 sank die Zahl mit rund 182 000 Anträgen auf nicht einmal die Hälfte. 21 000 Hilfesuchende wandten sich an die Bundesregierung, doch nur 2000 Anträge wurden positiv beschieden.

Nach Angaben der Bundesregierung wird die Einführung des europäischen Visa-Informationssystems in diesem Jahr 14,2 Millionen Euro kosten, nachdem bereits im Vorjahr 16,7 Millionen Euro dafür ausgegeben worden sind. Dies ging aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen hervor. Ab Mai 2009 würden erste Fingerabdrucklesegeräte in die Auslandsvertretungen in der Region Nordafrika gebracht, hieß es. Mit der EU-Kommission sei abgesprochen, dass die weiteren Auslandsvertretungen bis Mitte 2011 an das System angeschlossen würden. Die künftigen Personalkosten im Zusammenhang mit VIS in den deutschen Auslandsvertretungen beziffert die Bundesregierung auf rund acht Millionen Euro jährlich.

Samstag, 6. September 2008

Für OLAF schwinden die Chancen

Mehrere europäische Staaten haben die Betrugsbekämpfung deutlich zurückgefahren. Die ohnehin umstrittene EU-Antikorruptionsagentur OLAF verkommt zum zahnlosen Tiger.

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi bringt die EU nicht das erste Mal in schwere Nöte. Schon mehrfach hatte der bekennende Nationalist signalisiert, dass er von den Konstruktionsplänen eines gemeinsamen europäischen Hauses nicht viel hält. Seit wenigen Tagen existiert nun das italienische »Hochkommissariat zur Korruptionsbekämpfung« nicht mehr. Berlusconi hat das von seinem Vorgänger Romano Prodi eingerichtete Ressort wieder aufgelöst.

Doch das war nicht der erste Nadelstich gegen die von Kommissionspräsident José Manuel Barroso vor drei Jahren verkündete Antikorruptionsstrategie. Auch in Litauen beeilt sich derzeit Präsident Valdas Adamkus, die nationale Korruptionsabteilung aufzulösen. Deren oberster Ermittler wurde bereits kaltgestellt, weil er sich mit Untersuchungen zur Parteienfinanzierung unbeliebt gemacht hatte. Der Präsident soll in der Affäre selbst eine wichtige Rolle spielen.

Einen Rückschlag erleiden gegenwärtig die ohnehin sehr vorsichtigen Versuche in Rumänien, das dicht geknüpfte Netz von Korruption und Bestechlichkeit aufzulösen. Das Parlament stimmte kürzlich dafür, die von der Justiz eingeleiteten Korruptionsverfahren gegen den sozialdemokratischen Ex-Premier Adrian Nastase und den früheren Transportminister Miro Mitrea einzustellen. Auch dort wurde das Mandat des Leiters der Nationalen Antikorruptionsagentur DNA, Danil Morar, nicht verlängert, obwohl die EU-Kommission ihm mehrmals ihr Vertrauen ausgesprochen und Rumänien wegen Unregelmäßigkeiten mit EU-Geldern unter besondere Beobachtung gestellt hatte.

Für die EU-Kommission bedeuten die jüngsten Ereignisse einen herben Dämpfer in ihrem Bemühen, die Korruptionsbekämpfung unter dem Dach des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung zu bündeln. Die Arbeitsweise der Behörde OLAF steht seit der Gründung vor neun Jahren ständig unter Beschuss. Vor allem die Tatsache, dass sie unter der direkten Kontrolle der EU-Kommission agiert, aber gleichzeitig »Betrug, Korruption und sonstige Unregelmäßigkeiten einschließlich Dienstvergehen innerhalb der EU-Organe und -Einrichtungen« bekämpfen soll, ist für viele Europaparlamentarier ein Widerspruch in sich. Man könne schlecht gegen sich selbst vorgehen, meinen sie. So sind die Erfolge des Amtes immer nur auf bestimmte Bereiche begrenzt. Und die Ergebnisse im »hausinternen« Ringen gegen Korruption bleiben eher dürftig.

Freitag, 5. September 2008

Politur für das ramponierte Image

Die Europäische Kommission hat im Juli eine Agenda verabschiedet, die dazu beitragen soll, dass die Politik der Europäischen Union wirksam auf die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen der heutigen Zeit reagieren kann. Die Europaparlamentarier hatten dazu in dieser Woche allerdings sehr kritische Anmerkungen.

Der erklärte Anspruch der Europäischen Kommission war es, mit der Sozialagenda eine Antwort auf die neuen Anforderungen hinsichtlich des technologischen Wandels, der Globalisierung und der Alterung der Bevölkerung zu geben. Die EU-Politik müsse mit diesen Veränderungen Schritt halten und die Menschen bei der Anpassung an die neuen Bedingungen unterstützen, heißt es in der Mitteilung »Eine erneuerte Sozialagenda: Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität im Europa des 21. Jahrhunderts«. Das Paket umfasst Initiativen in den Bereichen Beschäftigung und Soziales, Bildung und Jugend, Gesundheit, Informationsgesellschaft und Wirtschaft.

Die Kommission schlägt beispielsweise eine Richtlinie vor, mit der die Bürger auch außerhalb der Bereiche Beschäftigung und Beruf vor Diskriminierungen aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung geschützt werden. Ein anderer im Paket enthaltener Legislativvorschlag zielt darauf ab, den Zugang von Patienten zur Gesundheitsversorgung in anderen europäischen Ländern zu erleichtern. Im Kern sieht der Vorschlag allerdings vor, dass Patienten, die sich im Ausland behandeln lassen, die Behandlungskosten vorerst selbst übernehmen müssen. Rückerstattet würde dann nur der Betrag, der auch im Heimatland zu bezahlen gewesen wäre. Diesen Vorschlag will die EU-Kommission während der zweiten Septembersitzung des Europäischen Parlaments vorstellen.

Mit Spannung wurden die Aussagen der EU-Kommission zu einigen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zum Thema Sozialdumping erwartet. In den letzten Monaten hatte der EuGH mit einigen Entscheidungen den Weg dafür praktisch frei gemacht und z. B. die unterschiedliche Bezahlung von einheimischen und ausländischen Arbeitskräften bestätigt. Allerdings gaben die Kommissionsvertreter vor den Abgeordneten nur Allgemeinplätze zum Besten, so etwa die Ankündigung, dass die Entwicklungen weiter analysiert und mit den Sozialpartnern sowie den Mitgliedstaaten erörtert werden müssten. Die Kommission kündigte zu diesem Thema ein spezielles Forum im Herbst an. Dort wolle man die Problematik der Wahrung sozialer Rechte angesichts einer zunehmenden Arbeitskräftemobilität diskutieren. Die Kommission gab keinen Hinweis darauf, dass sie die Entsendungsrichtlinie überarbeiten wolle.

Gerade diese Forderung stellte der Deutsche Gewerkschaftsbund auf. Nach den jüngsten Urteilen des EuGH, beispielsweise gegen das niedersächsische Vergabegesetz, seien Veränderungen der Richtlinie dringend nötig, um Lohn- und Sozialdumping in Europa den Riegel vorzuschieben, begründete DGB-Wirtschaftsexperte Bernd Lange. Eine überarbeitete EU-Entsenderichtlinie müsste klarstellen, dass für Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland bei Löhnen und Arbeitsbedingungen die Vorschriften des Gastlandes gelten.

Auch im Brüsseler Plenum wurde die Enttäuschung zahlreicher Abgeordneter zur Sozialagenda der Kommission deutlich. »Viele Worte, wenig Konkretes«, fasste ein Parlamentarier zusammen. Eine Abgeordnete fügte hinzu, das Paket ziele darauf ab, von der aktuellen Politik – etwa dem irischen Nein zum Lissabonner EU-Vertrag – abzulenken. Der ehemalige Europaabgeordnete Lange sagte, dass die EU-Kommission gut ein Jahr vor dem Ende ihrer Amtszeit versuche, ihr »ramponiertes soziales Image aufzupolieren«. Diese Agenda sei »aber nur ein soziales Deckmäntelchen, denn in zentralen Politikfeldern wird kein Fortschritt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sichtbar«.

Die Koordinatorin der Linksfraktion im Ausschuss für Beschäftigung und Soziales, Gabriele Zimmer, erklärte, es mangele den Maßnahmen »entweder an Konkretheit und Zielstrebigkeit, um sozialen Fortschritt zu erlangen oder sie zielen sogar in die entgegengesetzte Richtung«. Ihre Fraktion lehne das Paket ab, weil damit der Prozess des Sozialabbaus nicht gestoppt werde. Auch ihrer Auffassung nach solle es vorrangig vom fortschreitenden Sozialabbau innerhalb der EU ablenken.

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Mittwoch, 3. September 2008

Das Ende der Neutralität

Das Europäische Parlament hat am Dienstag über die Reform des Rechtsrahmens für elektronische Kommunikation, einschließlich Mobil- und Festnetztelefonie, Rundfunk und Internet, debattiert. Voraussichtlich am 23.September soll darüber abgestimmt werden.

Das Telekompaket enthält Sprengstoff. In ihm geht es nicht nur darum, die drei älteren Richtlinien »auf Vordermann zu bringen» - vielmehr wurde in der Debatte deutlich, dass schon auf Ausschussebene versucht wurde, die Richtlinienvorschläge mit allerlei neuen Regulierungszusätzen zu versehen. Ein Änderungsantrag beabsichtigte, Provider zu verpflichten, zum Schutz «geistigen Eigentums» den gesamten Datenverkehr ihrer Kunden zu filtern und zu überwachen. Falls diese Vorschläge am 23. September angenommen werden, befürchten Kritiker das Ende der Neutralität und der offenen Struktur des Netzes.

Einer der Anträge, der das Parlament passierte, soll Netzbetreiber durch den lapidaren Passus, sie dürften im Internet nur noch «gesetzeskonforme Inhalte» zulassen zur Kooperation mit Rechteinhabern zwingen. Doch wer kann eindeutig feststellen, was legale und was illegale Inhalte sind?

Das Vorbild dieser «modernen Richtlinie» kommt aus Frankreich. Dort ließ kein geringerer als Staatsschef Nicholas Sarkozy einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen, der einen ähnlichen Passus beinhaltet und auch gleich die Konsequenzen benennt: Wer im Verdacht steht, gegen Immaterialgüterrechte verstoßen zu haben, der wird ermahnt. Drei Mahnungen bedeuten die "Rote Karte". Mit anderen Worten: Der Provider wird durch die Regulierungsbehörde angewiesen, den Anschluss des Kunden sperren.

Eva-Britt Svensson von der linken GUE/NGL-Fraktion machte in ihrem Diskussionsbeitrag am Dienstagabend unmissverständlich auf den Umstand aufmerksam, dass der Einfluss der Medienindustrielobby unübersehbar war: «Die Änderungsanträge», so Svensson, «kamen spät und dann noch durch die Hintertür.» Ihre Fraktion lehnte die geforderten Beschränkungen rundweg ab.

Wesentlich entspannter sieht das die CDU-Europaabgeordnete Christa Klaß. Sie erklärte in einem Forum, dass es beim EU-Telekompaket nicht etwa um eine Änderung der geltenden Vorschriften zum Fernmeldegeheimnis gehe, sondern um die «schwierigen Fragen zum Schutz des Urheberrechts in den Zeiten der Internettechnologie». Ihrer Ansicht nach wurde lediglich ein Prinzip der Zusammenarbeit von Urheberrechts-Anbietern und Providern entwickelt. Letztere seien «selbstverständlich an die relevanten geltenden Rechtsvorschriften zum Fernmeldegeheimnis und zum Datenschutz gebunden sind». Dort werde nichts geändert. Diese Vorschläge würden, so Klaß deshalb auch nicht in die «individuelle Freiheit und Privatsphäre im Internet ein[greifen].»

Die Netzneutralität wird mit der Richtlinie eher gefährdet als geschützt: Zwar sollen die nationalen Regulierungsbehörden Leitlinien mit Mindestanforderungen an die Dienstqualität veröffentlichen und gegebenenfalls Maßnahmen treffen können, um eine Verschlechterung der Dienste und eine Verlangsamung des Datenverkehrs zu verhindern. Die Behörden sollen aber lediglich dann eingreifen dürfen, wenn "der Zugang der Nutzer zu bestimmten Arten von Inhalten oder Anwendungen nicht in unzumutbarer Weise beschränkt wird".

Die Verteilung der Frequenzen

Frequenzen sind die Grundlage für viele moderne Technologien und Dienste – unter anderem für Internet, Mobiltelefonie, mobiles Fernsehen, Navigationssysteme und Flugsicherung. Bisher wurde jedem Dienst ein bestimmtes Frequenzband zugewiesen. Beispielsweise ist ein Großteil der Bandbreite im Bereich bis 1 Gigahertz für Rundfunk und Fernsehen reserviert. Die Digitalisierung ermöglicht jedoch die Übertragung von sechs bis acht Fernsehkanälen in der Bandbreite, die bisher ein analoger Kanal allein benötigte. Der Übergang zum digitalen Fernsehen bis 2012 soll viele Frequenzen freimachen, die in Zukunft für zusätzliche Fernsehprogramme, Breitbandinternet oder E-Government-Dienste verwendet werden könnten.

Der Bericht der französischen Abgeordneten Catherine Trautmann (SPE) über die Rahmenrichtlinie für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste unterstützt den Vorschlag der Kommission, die Neutralität der Kommunikationstechnologien und -dienste als verbindliche Prinzipien für die Frequenzvergabe einzuführen. Das heißt, im Einklang mit nationalen und internationalen Plänen für die Frequenzvergabe kann in Zukunft jede Anwendung in jedem Frequenzband angeboten werden.

Um sicherzustellen, dass drahtlose Dienste in Zukunft EU-weit kompatibel sind, sollten die Mitgliedstaaten untereinander und mit der Kommission bei der strategischen Planung und Harmonisierung der Funkfrequenznutzung zusammenarbeiten. Die Abgeordneten fordern die Kommission auf, einen Legislativvorschlag für ein Aktionsprogramm «Frequenzspektrum» vorzulegen.

Regulierung der Regulierungsbehörden

Der Industrieausschuss befürwortet außerdem den Vorschlag von Pilar del Castillo (EVP), ein neues Gremium der Europäischen Regulierungsbehörden für Telekommunikation (Body of European Regulators in Telecommunications - BERT) einzurichten, statt eine "Europäische Behörde für die Märkte der elektronischen Kommunikation" zu schaffen, wie von der Kommission ursprünglich vorgeschlagen.

BERT soll aus einem Rat der 27 nationalen Regulierungsbehörden bestehen, der als «unabhängiges Expertengremium» Empfehlungen zu Regulierungsmaßnahmen gibt, damit der europäische Rechtsrahmen EU-weit einheitlich angewendet wird. Das Gremium soll zu einem Drittel aus EU-Mitteln und zu zwei Dritteln aus Zuwendungen nationaler Regierungsbehörden finanziert werden.

Die abgeänderte Rahmenrichtlinie führt zudem ein neues «Verfahren der Koregulierung» ein. Nationale Regulierer müssen demnach zukünftig die Kommission und BERT konsultieren, bevor sie Maßnahmen zur Marktregulierung ergreifen. Falls die Kommission und BERT glauben, dass die Maßnahme ein Hemmnis für den Binnenmarkt darstellen würde, können sie den nationalen Regulierer zu einer Änderung auffordern.

Laut der überarbeiteten Richtlinie zum Netzzugang kann nun ein nationaler Regulierer in Ausnahmefällen einen etablierten Betreiber dazu auffordern, seine Netzinfrastruktur von den Abteilungen zu trennen, die Dienste über diese Infrastruktur anbieten. Das Netz verbleibt jedoch im Eigentum des Betreibers. Sowohl die Kommission als auch BERT müssen bestätigen, dass keine andere Maßnahme "wirksamen Wettbewerb" erreichen konnte.

Die Abstimmung über das Telekom-Paket ist für die Plenarsitzung vom 22. bis 25. September geplant.

Dienstag, 2. September 2008

Strafverfolgung über Ländergrenzen

Das EU-Parlament fordert "angemessene Verfahrensgarantien" als Grundlage für die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen.

Das Europäische Parlament hat am Dienstag einen Bericht von Armando Franca (SPE) zum "Rahmenbeschluss zur gegenseitigen Anerkennung von Urteilen in Strafsachen" angenommen. Dieser Beschluss regelt, dass "im Grundsatz jeder Mitgliedsstaat das Ergebnis einer justiziellen Entscheidung eines anderen Mitgliedsstaates anerkennt und vollstreckt, ohne die Entscheidung inhaltlich selbst zu überprüfen". Das Parlament forderte allerdings, dass "angemessene Verfahrensgarantien" eine notwendige Voraussetzung für die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Strafsachen sein müssten.

Der Europäische Rat ist am 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere zu einer Sondertagung über die Schaffung eines "Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" in der Europäischen Union zusammengetreten. In der abschließenden Erklärung hieß es, dass die gegenseitige Anerkennung Eckpfeiler der justiziellen Zusammenarbeit sowohl in zivilrechtlichen als auch in Strafsachen werden soll. Konkret bedeutet dies, dass ein Urteil, sobald es durch eine Justizbehörde eines Mitgliedstaates ergangen ist, in anderen Mitgliedstaaten anerkannt und so schnell wie möglich und mit so wenig Kontrolle wie möglich vollstreckt werden soll, als handele es sich um ein nationales Urteil.

Auf der Grundlage dieses Grundsatzes hat die EU ein Maßnahmenprogramm verabschiedet, das zur Verabschiedung spezieller Texte geführt hat, wie etwa dem Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten oder dem Rahmenbeschluss vom 22. Juli 2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen über die Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln in der Europäischen Union.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) erklärte beim Seminar "Verfahrensrechte in Strafverfahren. Standards in der EU" des Bundesjustizministeriums am 20. Februar 2007 in Berlin die Zustimmung der Bundesregierung:

«Voraussetzung für diese gegenseitige Anerkennung ist das wechselseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten in die nationalen Rechtsordnungen. Und dieses Vertrauen wird dadurch gestärkt, dass für die Entscheidungen, die anerkannt werden sollen, im Wesentlichen die gleichen Verfahrensgarantien gelten, dass sie also unter Beachtung von gemeinsam definierten und allseits beachteten Bürgerrechten zustande kommen.»

In dem am Dienstag verabschiedeten parlamentarischen Bericht fordern die Abgeordneten einige Ergänzungen, die im Falle der Wiederaufnahme eines Verfahrens greifen sollen: Die betreffende Person muss das Recht auf Teilnahme am Wiederaufnahmeverfahren haben, der "entscheidungserhebliche Sachverhalt" - einschließlich neuer Beweismittel - wird erneut geprüft, und das Verfahren muss dazu führen können, dass die ursprüngliche Entscheidung aufgehoben wird.

Schließlich soll der Angeklagte in einer ihm verständlichen Sprache über seine Rechte oder den Termin und den Ort der Verhandlung informiert werden müssen. Auch soll gewährleistet werden, dass die Rechtshilfe "praktisch und effektiv" sind. In diesem Zusammenhang dürfe es keine Rolle spielen, ob der Rechtsbeistand von der betreffenden Person gewählt, bestellt und vergütet wurde.

Um die "grenzüberschreitende" Vollstreckung durch die "Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung" auch im Falle eines in einem EU-Mitgliedsstaates gefällten Abwesenheitsurteils auszuweiten hatten sieben Mitgliedstaaten – darunter Deutschland - im Januar 2008 einen Vorschlag ausgearbeitet, der einheitliche die Durchsetzung jener juristischen Entscheidungen in einem Mitgliedsstaat regeln soll, die in Abwesenheit des Betroffenen ergangen sind. Zudem werden die Verweigerungsgründe im neu eingefügten Artikel 4 a des überarbeiteten Rahmenbeschluss so eng gefasst, dass künftig jeder EU-Bürger gezwungen sein könnte, zu kostenaufwändigen Prozessen ins Ausland anzureisen weil beispielsweise eine Karikatur oder eine im Internet getätigte Äußerung gegen den griechischen Blasphemieparagraphen verstößt. Kann er sich das nicht leisten, dann hat er möglicherweise Pech gehabt.